Politik

DWN-SPEZIAL: Die Aufteilung Libyens nimmt Konturen an

Die Aufteilung des „libyschen Kuchens“ nimmt Konturen an. Am Verhandlungstisch sitzen die USA, Russland und die Türkei. Doch auch die EU könnte mitmischen.
05.06.2020 15:39
Aktualisiert: 05.06.2020 15:39
Lesezeit: 3 min
DWN-SPEZIAL: Die Aufteilung Libyens nimmt Konturen an
Trump, Erdogan und Putin. (Foto: dpa) Foto: Boris Roessler

Mohammed Gununu, Sprecher der libyschen Regierung teilte am Freitag mit, dass die Stadt Tahuna, die die letzte Hochburg des Söldner-Generals Chalifa Haftar gewesen ist, zurückerobert wurde.

Am Freitagmorgen stürmten libysche Regierungstruppen die Stadt aus vier Richtungen und stießen mit der berüchtigten Kaniyat-Miliz zusammen. Die Miliz wird von Haftar befehligt. Nach rund einer Stunde schwerer Kämpfe wurde die Miliz besiegt und die Milizionäre flohen nach Bani Walid, berichtet der Libyan Observer. Kurz nach der Befreiung von Tarhuna marschierte die libysche Armee in die Stadt Al 'Urban ein, etwa 80 Kilometer südlich von Tripolis. Die Belagerung von Tripolis durch Haftars „Libyscher Nationalarmee“ (LNA) wurde einen Tag zuvor gebrochen.

Der Innenminister der libyschen Regierung, Fathi Bashagha, begrüßte „den Beginn des Endes des gesamten Diktaturprojekts“ und forderte die Städte unter Haftars Kontrolle auf, sich gegen ihn zu erheben und sich weitere Konflikte zu ersparen, so der Guardian.

Die Türkei unterstützt die libysche Regierung

Die Offensive der libyschen Truppen wird von türkischen Militärberatern und Kampfdrohnen türkischen Fabrikats unterstützt. Ende Mai 2020 leitete die türkische Unterstützung die Wende im Libyen-Konflikt ein. Zuvor war Haftar und seine LNA aufgrund der Unterstützung durch Russland, Frankreich, den VAE und Ägypten den Regierungstruppen überlegen. Tarek Megerisi, Analyst am European Council on Foreign Relations, sagt, dass die Türkei von nun an die dominante Macht im libyschen Stellvertreterkrieg sei. Er fordert, dass sich die EU als Vermittler betätigen soll.

Einem Bericht zufolge sollen sich Vertreter der USA, Russlands und der Türkei im Mai 2020 zu einem Geheimtreffen auf Malta eingefunden haben, um Verhandlungen über die Aufteilung des „libyschen Kuchens“ zu führen. Anschließend zogen sich die russischen Söldner der Wagner Group, die zuvor für Haftar gekämpft hatten, aus Tripolis zurück. Keiner der Mächte wird sich aus Libyen verdrängen lassen. Wahrscheinlicher ist eine Aufteilung des Landes in Einflusssphären oder Besatzungszonen. Am Ende könnten mehrere autonome Gebiete mit einer geschwächten Zentralregierung stehen.

US-Außenminister Mike Pompeo hat sich vor wenigen Tagen mit seinen französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian in Verbindung gesetzt, um über den Libyen-Konflikt zu verhandeln. Es ist davon auszugehen, dass Pompeo dem Franzosen Argumente dargelegt hat, warum Paris seine Unterstützung für Haftar stoppen sollte. Es dürfte bei den Gesprächen auch um Tunesien gegangen sein. Denn die USA erwägen, Truppen nach Tunesien zu entsenden, um die Folgen des Libyen-Konflikts einzudämmen, berichtet Al-Monitor.

Auch britische Söldner in Libyen

Söldner aus Großbritannien mischten auch im Libyen-Konflikt mit. Die Zeitung The Telegraph hat enthüllt, dass britische Söldner sich aktiv am Libyen-Konflikt beteiligen. Fünf Briten, die zuvor Militärangehörige der Royal Marines und der Royal Air Forces waren, sollen auf Seiten des Söldner-Generals Chalifa Haftar an der Operation zur Eroberung von Tripolis beteiligt gewesen sein.

Sie sollen 30.000 bis 50.000 US-Dollar pro Monat oder 20.000 bis 40.000 US-Dollar pro Monat - je nachdem, ob sie als Piloten oder Flugzeugbesatzung zum Einsatz kamen. In dem Bericht wurde auch behauptet, dass die Operation von Steven Lodge geleitet wurde, einem ehemaligen Offizier der südafrikanischen Luftwaffe, der auch beim britischen Militär diente. Aber Lodge bestreitet die Anschuldigungen.

Die fünf Briten sollen im Verlauf der Gefechte um Tripolis in Streitigkeiten mit Haftar geraten sein. Bei dem Streit soll es um die schlechte Qualität der Hubschrauber gegangen sein, die sie bedienen sollten. Die fünf Briten und 15 weitere Söldner flohen mit Militär-Schlauchbooten (RHIBs) nach Malta, wo sie festgenommen und dann ohne Anklage freigelassen wurden.

Ermittlungen gegen Haftar

Anfang Mai enthüllten internationale Medien unter Berufung auf einen UN-Bericht, dass zwei in Dubai ansässige Unternehmen westliche Söldner entsandten, um Haftar bei seiner Offensive zur Eroberung von Tripolis zu unterstützen.

Dem Wall Street Journal zufolge steht ein in Dubai ansässiges Offshore-Unternehmen im Verdacht, Haftar bei der Vermarktung von libyschem Öl im Mittelmeerraum zu helfen. Die UN und die USA haben unter anderem Ermittlungen gegen eine in Dubai ansässige Reederei eingeleitet, die Haftar beim Ölverkauf geholfen haben soll. Zuvor sollen die Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) Haftar dabei geholfen haben, einen Ölvertrag mit Venezuela auszuhandeln. Die Ermittlungen der UN und der USA sind Teil einer internationalen Anstrengung, die darauf abzielt, den illegalen Ölverkauf von Haftar zu stoppen. Der Söldner-General will das Geld zur Finanzierung seiner seit 14 Monaten andauernden Offensive gegen Tripolis verwenden.

Die DWN listet in einem Bericht detailliert auf, welche - teilweise bemerkenswerten - Waffen sich im Inventar der Armee von Chalifa Haftar befinden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...

DWN
Panorama
Panorama Umfrage: Vielen Bädern fehlt das Personal
31.05.2025

Viele Bäder in Deutschland haben laut einer Umfrage mit Personalengpässen zu kämpfen. So hatten 38 Prozent der befragten Hallen- und...