Weltwirtschaft

Neue Ölpreis-Turbulenzen kündigen sich an: Folgt nun der nächste Preiskollaps?

Lesezeit: 2 min
06.08.2020 11:24  Aktualisiert: 06.08.2020 11:24
Am Ölmarkt braut sich ein Angebotsüberhang zusammen, der bei Experten Erinnerungen an den dramatischen Preiskollaps vom April hochkommen lässt.
Neue Ölpreis-Turbulenzen kündigen sich an: Folgt nun der nächste Preiskollaps?
Ölplattformen in der Nordsee. (Foto: dpa)
Foto: Carina Johansen

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Am Ölmarkt braut sich ein Angebotsüberhang zusammen, der bei Experten Erinnerungen an den dramatischen Preiskollaps vom April hochkommen lässt. Auf den ersten Blick liegt der Preis für Nordseeöl der Sorte Brent derzeit mit rund 45 Dollar je Barrel (159 Liter) auf dem Niveau von Anfang März, bevor die Welt im Kampf gegen das Coronavirus zum Stillstand gezwungen wurde. Doch der zweite Blick zeigt: Eine rasche Normalisierung des Ölmarktes und eine Rückkehr zu der Zeit vor der Pandemie zeigt der Preis nicht. Denn je weiter in der Zukunft die Lieferung liegt, desto mehr sind die Käufer bereit, für den Treibstoff der Weltwirtschaft zu zahlen. Diese Preisstruktur am Ölmarkt - Contango genannt - mit niedrigeren Preisen bei einer raschen Lieferung und höheren bei den späteren Kontrakten - gilt bei Experten als wichtiges Signal, dass die Nachfrage noch länger hinter dem Angebot hinterherhinken dürfte.

Der Ölpreis profitiere im Moment vom schwachen Dollar und einer allgemeinen Hoffnung auf eine Konjunkturerholung, erläutert Eugen Weinberg, Rohstoffexperte bei der Commerzbank. Doch eigentlich steige die Nachfrage nicht mehr so stark, nachdem sie sich nach dem Ende der schärfsten Corona-Restriktionen rasch erholt hatte. Vor allem das Vorkrisenniveau rücke in immer weitere Ferne. Die Konjunkturerholung gleiche wohl weniger einem "V" - also einer raschen Erholung nach einem tiefen Einbruch - sondern eher einem Wurzelzeichen - bei dem die Wirtschaft nur einen Teil der Verluste schnell wettmacht und dann kaum noch vom Fleck kommt, erläutert Weinberg. Insofern wäre eine Korrektur beim Ölpreis von zehn bis 15 Prozent fundamental angemessen, weil die Produktion über der Nachfrage bleibe und mittelfristig die Lagerbestände weiter zunähmen.

Ölnachfrage noch lange gedämpft - Was macht die OPEC?

Das Coronavirus ist weltweit immer noch nicht unter Kontrolle. In den USA infizieren sich täglich Zehntausende mit dem Erreger, in Lateinamerika steigen die Infektionen rapide an und auch in Europa stecken sich in der Ferienzeit wieder mehr Menschen an. Eine zweite Welle ist in aller Munde, der Ärzteverband sieht sie in Deutschland bereits angekommen, in Frankreich rechnen Wissenschaftler für den Herbst damit.

Dazu kommt, dass sich das Leben in der Pandemie ändert. Viele Menschen verzichten auf Reisen - der Flugverkehr kommt zwar langsam wieder in Gang, liegt aber noch weit von dem Vorkrisenniveau entfernt. Kreuzfahrten wurden unmittelbar nach ihrem Neustart wieder gestoppt, nachdem es Coronafälle auf Schiffen gegeben hatte. Immer noch arbeiten viele Menschen von zuhause aus und lassen das Auto für den Arbeitsweg stehen - und Homeoffice dürfte, wenn man Umfragen und Pläne von Unternehmen zugrunde legt, auch nach der Krise an der Tagesordnung bleiben. Die Experten von JBC Energy gehen davon aus, dass die Nachfrage nach Benzin und Diesel im dritten Quartal sieben Prozent niedriger bleibt als im Vorjahr, "und eine Rückkehr zu den Niveaus von 2019 ist zunehmend zweifelhaft". Bei Flugzeugkerosin dürfte der Einbruch im Sommer sogar bei der Hälfte liegen.

Das dürfte bei den Mitgliedern des Ölkartells Opec für Kopfschmerzen sorgen, die auf eine schnellere Erholung der Nachfrage nach den Rekord-Förderkürzungen gesetzt hatten. Sie stehen nun vor der Frage, ob sie die Produktion weiterhin niedrig lassen oder sich mit niedrigeren Ölpreisen zufrieden geben. Anfang August liefen einige der Förderkürzungen aus; die Produktion der Opec-Länder und ihrer Verbündeten wie Russland soll dann nur noch um 7,7 Millionen Barrel pro Tag gedrosselt werden statt um 9,7 Millionen. "Das Opec-Experiment einer höheren Produktion ab August könnte fehlschlagen, weil wir immer noch weit von einer Erholung der Nachfrage entfernt sind", sagte Björnar Tonhaugen, Ölexperte bei Rystad Energy. "Der Markt wird in eine Mini-Angebotsflut geraten, und eine Rückkehr zu einem Defizit wird nicht vor Dezember 2020 anstehen."


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin als Geldanlage: „Das ist gleichzusetzen mit einem Besuch im Casino“
02.05.2024

Bitcoin entzweit trotz neuer Kursrekorde die Anlegergemeinschaft. Die einen halten große Stücke auf den Coin, die anderen sind kritisch....

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Dr. Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Dr. Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Politik
Politik Heimatschutz: Immer mehr Bürger dienen dem Land und leisten „Wehrdienst light"
01.05.2024

Ob Boris Pistorius (SPD) das große Ziel erreicht, die Truppe auf über 200.000 Soldaten aufzustocken bis 2031 ist noch nicht ausgemacht....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Weltweite Aufrüstung verschärft Knappheit im Metallsektor
01.05.2024

Die geopolitischen Risiken sind derzeit so groß wie seit den Hochzeiten des Kalten Krieges nicht mehr. Gewaltige Investitionen fließen in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nachhaltigkeit als Schlüsselfaktor für Unternehmenserfolg
01.05.2024

Die Studie „Corporate Sustainability im Mittelstand“ zeigt, dass der Großteil der mittelständischen Unternehmen bereits Maßnahmen...