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Berlin will Demo-Genehmigung nicht hinnehmen, ruft Oberverwaltungsgericht an

Lesezeit: 3 min
28.08.2020 13:53  Aktualisiert: 28.08.2020 13:53
Das Berliner Verwaltungsgericht hat die Verbotsverfügung der Polizei für eine geplante Demonstration gegen die Corona-Politik gekippt. Das Land Berlin will das nicht hinnehmen. Die Polizeibehörde rief deshalb das Oberverwaltungsgericht an.
Berlin will Demo-Genehmigung nicht hinnehmen, ruft Oberverwaltungsgericht an
Polizisten sichern am Donnerstag eine Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen nahe des Breitscheidplatzes ab. Die Kundgebung mit dem Motto «Berlin invites Europe! - Berlin lädt Europa ein» soll der Auftakt für die große Demonstration am Samstag sein. (Foto: dpa)
Foto: Christoph Soeder

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UPDATE Freitagabend 19 Uhr

Das Land Berlin will die Genehmigung der für Samstag geplanten Demonstration von Gegnern der Corona-Auflagen nicht hinnehmen. Die Polizeibehörde rief deshalb das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin an. Wie ein Sprecher des OVG der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag bestätigte, ging die Beschwerde am Nachmittag ein. Im Laufe des späten Abend solle darüber entschieden werden.

Am frühen Nachmittag hatte das Verwaltungsgericht das generelle Demonstrationsverbot gekippt und die Großdemonstration unter mehreren Auflagen zugelassen. So müssen die Veranstalter für die Einhaltung der Sicherheitsabstände sorgen und entsprechende Lautsprecherdurchsagen machen. Um die Bühne müssen weiträumig Absperrgitter errichtet werden, auch um die Videoleinwände, die das Bühnengeschehen übertragen, wurden Absperrgitter verfügt. Ein generelles Verbot sei jedoch nicht gerechtfertigt, urteilte das Verwaltungsgericht. Dagegen ging die Berliner Behörde nun in die nächst höhere Instanz, zum OVG.

Lässt auch das OVG die Versammlung unter strengen Auflagen zu, könnten die Veranstalter noch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anrufen, um sich gegen die Versammlungs-Auflagen zu wehren. Bislang ist allerdings nicht bekannt, dass sie das beabsichtigen. Dem Land Berlin wäre dagegen der Weg nach Karlsruhe nicht möglich, da es sich als Staatsorgan nicht auf Grundrechte berufen kann. Im Falle, dass das Bundesverfassungsgericht noch mit der Berliner Demonstration befasst wird, wird dort erst für Samstagvormittag mit einer Entscheidung gerechnet.

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Das Berliner Verwaltungsgericht hat die Verbotsverfügung der Polizei für eine geplante Demonstration gegen die Corona-Politik gekippt. Die Veranstaltung am Samstag könne unter Auflagen stattfinden, sagte ein Gerichtssprecher am Freitag der dpa.

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Die Polizei teilte kurz nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts per Twitter mit: "Wir schauen uns den im Detail an und prüfen die Beschwerde dagegen." Polizeipräsidentin Barbara Slowik hatte kurz vor Bekanntgabe der Entscheidung für den Fall einer juristischen Niederlage in erster Instanz gesagt, das Land Berlin wolle nun das Oberverwaltungsgericht anrufen.

Zu der Kundgebung am Samstag in Berlin hatte die Initiative Querdenken 711 aus Stuttgart 22.000 Teilnehmer auf der Straße des 17. Juni nahe dem Brandenburger Tor angemeldet. Die Versammlungsbehörde der Polizei hatte diese größere Demonstration und neun weitere kleinere Veranstaltungen am Mittwoch verboten.

Als Grund für diesen Schritt hatte die Polizei angeführt, dass durch die Ansammlung Zehntausender Menschen - oft ohne Maske und Abstand - ein zu hohes Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung entstehe. Das habe bereits die Demonstration gegen die Corona-Politik am 1. August in Berlin gezeigt, bei der die meisten Demonstranten bewusst Hygieneregeln ignoriert hätten.

Das Verwaltungsgericht Berlin begründete seine Entscheidung nach Angaben des Sprechers nun damit, dass keine Voraussetzungen für ein Verbot vorlägen. Es gebe keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Die Veranstalter hätten ein Hygienekonzept vorgelegt. Das Land habe nicht darlegen können, dass dieses nicht eingehalten werden solle. Auflagen für die Demo seien nicht hinreichend geprüft worden.

Den Veranstaltern wurde nach den Worten des Gerichtssprechers die Auflage erteilt, den Standort der Hauptbühne etwas zu verschieben, damit genügend Platz ist. Zwischen Videowänden muss ein Mindestabstand von 300 Metern bestehen. Zudem müsse der Veranstalter durch regelmäßige Lautsprecherdurchsagen und Ordner sicherstellen, dass Teilnehmer der Kundgebung Mindestabstand einhalten. Eine Maskenpflicht gehört demnach nicht zu den Auflagen.

Demonstrations-Initiator Michael Ballweg hatte das Demo-Verbot in einer Erklärung als «feindlichen Angriff auf das Grundgesetz» bezeichnet. Zudem hatte Querdenken angekündigt, sich juristisch mit allen Mitteln gegen das Demo-Verbot zu wehren und notfalls das Bundesverfassungsgericht anzurufen.

Im Internet gibt es zahlreiche Aufrufe, ungeachtet eines möglichen Verbots in die Bundeshauptstadt zu reisen und zu protestieren. Bei der Berliner Polizei gingen mehrere Tausend Anmeldungen zu weiteren Demonstrationen als Ersatz für die verbotene Veranstaltung ein. Demonstrationen lassen sich formlos und schnell über die Internetseite der Versammlungsbehörde der Berliner Polizei anmelden.

Die Polizei bereitete sich trotz der unklaren Lagen auf Einsätze am Wochenende vor. Innensenator Andreas Geisel (SPD) kündigte an, Tausende Beamte aus mehreren Bundesländern und vom Bund zusammenzuziehen, um entweder das Demonstrationsverbot oder aber Auflagen für die Teilnehmer durchzusetzen.

Der rot-rot-grüne Berliner Senat und die Polizei stehen wegen des Verbots und viel Kritik daran unter Druck. Senator Geisel erklärte die Entscheidung in zahlreichen Interviews und Stellungnahmen. Zuletzt sprach er in der «Süddeutschen Zeitung» von ursprünglich 50.000 erwarteten Demonstranten. Darunter seien viele «aus dem rechtsextremistischen Spektrum mit einem erheblichen Aggressionspotenzial».

Es gebe erhebliche Gewaltandrohungen, sagte Geisel weiter. «Das macht uns ernsthafte Sorgen.» Auch seine Behörde und er persönlich würden angegangen. «Die Drohungen, die seit dem Verbot hier eingegangen sind, sind zu massiv. Das übersteigt in Menge und Aggressivität alles, was ich bisher erlebt habe.»

Bereits am 1. August waren in Berlin hunderttausende Menschen gegen das Vorgehen der Politik zur Eindämmung der Corona-Pandemie auf die Straße gegangen. Mit der Begründung, dass viele Demonstranten weder Abstandsregeln einhalten noch Masken tragen würden, löste die Polizei diese Kundgebung auf.


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