Deutschland

Opposition kritisiert Finanzminister Scholz für Staatsfinanzierung auf Pump

Die Corona-Krise hat massive Löcher in den Bundeshaushalt gerissen. Doch ob und wie er sie stopfen will, lässt Bundesfinanzminister Olaf Scholz offen. Er hofft einfach, dass "die Wirklichkeit besser verläuft als die Rechnung".
23.09.2020 15:49
Aktualisiert: 23.09.2020 15:49
Lesezeit: 3 min
Opposition kritisiert Finanzminister Scholz für Staatsfinanzierung auf Pump
Olaf Scholz und Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank, am Mittwoch vor der Sitzung des Bundeskabinetts im Bundeskanzleramt. (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

Früher verspottete man ihn als «Olaf Schäuble», weil er wie sein Vorgänger strikt an einer Politik der Schwarzen Null festhielt. Jetzt gibt Finanzminister Olaf Scholz, frisch gekürter Kanzlerkandidat der SPD, dieses Ziel, also einen Haushalt ohne neue Schulden, für die nächsten Jahre auf. Mindestens bis 2024, möglicherweise auch länger, soll der Bund im Kampf gegen die Corona-Pandemie Kredite aufnehmen. Das Kabinett segnete seinen Haushaltsentwurf für das kommende Jahr und die längerfristige Planung am Mittwoch ab. Jetzt ist der Bundestag dran - und es deutet sich an: Die Schuldenpolitik des Vizekanzlers kommt nicht bei allen gut an.

Für 2021 plant Scholz mit neuen Krediten in Höhe von 96,2 Milliarden Euro. Dafür soll, wie auch dieses Jahr, erneut die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ausgesetzt werden. Das sei nötig, sagte Scholz, um den Weg zu Ende zu gehen, den die Bundesrepublik mit ihrem Krisenprogramm seit Ausbruch der Corona-Pandemie gehe. «Wir handeln entschlossen, auch wenn es viel Geld kostet - Nichtstun käme unserem Land sehr viel teurer», betonte er.

Insgesamt plant Scholz mit Ausgaben in Höhe von 413,4 Milliarden Euro. Das ist fast ein Fünftel weniger als in diesem Jahr - allerdings schlugen da auch enorme Summen etwa für Hilfspakete zu Buche. Ab 2022 will Scholz die Schuldenbremse wieder einhalten. Das bedeutet jedoch nicht, dass keine Schulden gemacht werden - in gewissem Umfang sind neue Kredite erlaubt. Und diesen Umfang, kündigte Scholz an, wolle er ausschöpfen.

Die FDP wirft dem Vizekanzler deshalb vor, seinen Haushalt nicht im Griff zu haben. Scholz versuche mit immer neuen Krediten «von seinen roten Zahlen und Budgetlöchern abzulenken», kritisierte Haushälter Otto Fricke. Erneut die Schuldenbremse auszusetzen, sei hoch riskant, «denn man kann die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt nicht dauerhaft auf Pump finanzieren».

Unions-Haushälter Eckhardt Rehberg erklärte, die Ausnahme 2021 sei noch einmal nötig. Doch: «Die Finanzen im Bundeshaushalt werden erst wieder in Ordnung sein, wenn die Schuldenbremse eingehalten ist.» Dafür dürften die Ausgaben nicht mehr so stark wachsen.

Tatsächlich will Scholz die für die Hilfspakete in der Corona-Krise aufgenommenen Schulden ab 2023 langsam und über Jahre wieder abbauen. Wie das jedoch gelingen soll, blieb zunächst unklar. Die 48 Milliarden Euro starke Rücklage, sozusagen das Sparschwein im Bundeshaushalt, will der Finanzminister im kommenden Jahr noch nicht antasten. Bleibt nur Sparen, also Ausgaben kürzen - oder mehr Einnahmen schaffen.

Größere Sparrunden kommen für den Kanzlerkandidaten allerdings nicht infrage. «Wir werden nicht gegen die Krise ansparen, das ist Teil unseres ökonomischen Konzepts», machte er klar. Stattdessen solle im Jahr der Bundestagswahl noch mehr investiert werden, um die Wirtschaft leistungsfähiger zu machen. «Wir wollen ja, dass wir möglichst schnell aus dieser Krise kommen.»

Der Etat sieht Milliardeninvestitionen in Straßen und Schienenwege, in den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft und in die Kinderbetreuung vor. Gefördert wird etwa Künstliche Intelligenz, 5G und die Wasserstofftechnologie. Der Gesundheitsfonds bekommt fünf Milliarden mehr als geplant, auch die Verteidigungsausgaben sind höher, Deutschland gibt zudem mehr Geld für humanitäre Hilfe.

Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler kritisierte dennoch, es gebe zu wenig klare und dauerhafte Investitionszusagen in Klimaschutz und Digitalisierung. «Das ist ein Haushalt mit vielen Lücken», erklärte er. Die Löcher in der Finanzplanung kippe Scholz «einfach der nächsten Bundesregierung vor die Füße». Eigene Ideen zum Stopfen präsentiere er nicht.

Allerdings scheint Scholz nicht ganz abgeneigt, wenn es um höhere Einnahmen für den Bund geht, also etwa höhere Steuern für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Er sei weiterhin der Überzeugung, «dass man ein gerechtes Steuersystem haben sollte», betonte der SPD-Politiker. In jedem Fall sei gerade nicht die Zeit für Steuersenkungen für Spitzenverdiener. «Ich glaube, diejenigen, die jetzt in dieser Situation Steuersenkungen versprechen für Leute, die ein paar Hunderttausend Euro im Jahr verdienen, haben entweder Schlimmes mit unserem Land vor, was viele Millionen Bürgerinnen und Bürger bezahlen müssten, oder aber sagen nicht die Wahrheit.»

Zumindest zum Teil setzt Scholz auch auf das Prinzip Hoffnung. Für die kommenden drei Jahre hat er Löcher von zusammen 42,5 Milliarden Euro im Haushalt eingeplant, die er «erheblichen finanzpolitischen Handlungsbedarf» nennt. Jegliche Mehreinnahmen, etwa falls sich die Konjunktur besser entwickelt als erwartet, müssten zum Ausgleich in diese Löcher fließen. «Es spricht ja alles dafür, dass wir erneut das hinbekommen können, was uns schon einmal gelungen ist», sagte Scholz. «Nämlich dass die Wirklichkeit besser verläuft als die Rechnung.» Auch in der Finanzkrise sei die Erholung letztlich schneller gegangen als befürchtet.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Immobilien
Immobilien Wohntraum wird Luxus: Preise schießen in Städten durch die Decke
13.05.2025

Die Preise für Häuser und Wohnungen in Deutschland ziehen wieder deutlich an – vor allem in den größten Städten. Im ersten Quartal...

DWN
Finanzen
Finanzen Wird die Grundsteuer erhöht? Zu viele Ausgaben, zu wenig Einnahmen: Deutsche Kommunen vorm finanziellen Kollaps
13.05.2025

Marode Straßen, Bäder und Schulen: Fast neun von zehn Städten und Gemeinden in Deutschland droht in absehbarer Zeit die Pleite. Bereits...

DWN
Politik
Politik EU im Abseits: Trump bevorzugt London und Peking – Brüssel droht der strategische Bedeutungsverlust
12.05.2025

Während Washington und London Handelsabkommen schließen und die USA gegenüber China überraschend Konzessionen zeigen, steht die EU ohne...

DWN
Panorama
Panorama Nach Corona nie wieder gesund? Die stille Epidemie der Erschöpfung
12.05.2025

Seit der Corona-Pandemie hat sich die Zahl der ME/CFS-Betroffenen in Deutschland nahezu verdoppelt. Rund 600.000 Menschen leiden inzwischen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Machtkampf der Tech-Eliten: Bill Gates attackiert Elon Musk – „Er tötet die ärmsten Kinder der Welt“
12.05.2025

Ein milliardenschwerer Konflikt zwischen zwei Symbolfiguren des globalen Technologiekapitalismus tritt offen zutage. Der frühere...

DWN
Politik
Politik Pflege am Limit? Ministerin fordert Reform für mehr Eigenverantwortung
12.05.2025

Pflegekräfte sollen mehr dürfen und besser arbeiten können – das fordert Gesundheitsministerin Nina Warken zum Tag der Pflegenden....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliarden ungenutzt: Irischer Top-Investor fordert Einsatz von Pensionsgeldern zur Stärkung europäischer Technologie
12.05.2025

Die europäische Technologiebranche droht im globalen Wettbewerb ins Hintertreffen zu geraten. Der Grund: Staatlich geförderte...

DWN
Politik
Politik Geheime Waffenlieferungen: Kritik an Intransparenz – Ukrainischer Botschafter lobt Merz’ Kurs
12.05.2025

Die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz hat entschieden, Waffenlieferungen an die Ukraine künftig wieder geheim zu halten – ein...