Weltwirtschaft

Trump ist Biden, Biden ist Trump: Die US-Außenpolitik gegenüber China und Deutschland wird sich nicht ändern

Lesezeit: 7 min
04.11.2020 15:11  Aktualisiert: 04.11.2020 15:11
In den USA wird die US-Außenpolitik nicht im Weißen Haus gemacht. Joe Biden und Donald Trump vertreten ausschließlich die nationalen Interessen der USA. Diese weisen im Zusammenhang mit China und Deutschland unveränderliche Konturen auf. Der große Knall steht vor allem Peking noch bevor - egal, wer im Weißen Haus sitzt.
Trump ist Biden, Biden ist Trump: Die US-Außenpolitik gegenüber China und Deutschland wird sich nicht ändern
06.04.2020, USA, ---: KOMBO - Joe Biden (l), der ehemalige Vizepräsident der USA und Präsidentschaftsbewerber der US-Demokraten, spricht am 12. März 2020 in Wilmington und US-Präsident Donald Trump spricht am 5. April 2020 im Weißen Haus in Washington. (Foto: dpa)
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Während sich die Weltöffentlichkeit auf die Ereignisse in den USA konzentriert, finden wirtschaftspolitische Entwicklungen im Asien-Pazifik-Raum statt, die deutlich zeigen, dass es völlig unerheblich ist, wer die USA als Präsident regiert. Denn die US-Außenpolitik wurde und wird niemals im Weißen Haus gemacht. Der US-Präsident ist in gewissem Maße das institutionell schwächste Glied im politischen System der USA, doch trotzdem versteift sich die deutsche und internationale Öffentlichkeit immer wieder auf die Person, die dieses Amt ausführt.

In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass es in Europa eine Schieflage gibt, was die Wahrnehmung der US-amerikanischen Gesellschaft angeht. Der größte Irrglaube liegt in der Annahme, dass die Eliten der Ostküste, Westküste und des Nordostens „das wahre Amerika“ sind. Die Wahrheit ist: New York, Los Angeles oder Boston stellen nur einen kleinen Abriss dieser multiethnischen und multireligiösen Nation dar. Diese elitären Regionen werden vom Mittleren Westen und von Teilen des sogenannten „Dixieland“ mit Argwohn beäugt.

Wer zudem glaubt, dass nur im sogenannten „Bible Belt“ eine Ablehnung gegenüber den als „liberal“ umschriebenen gesellschaftlichen Werten vorherrscht, der irrt gewaltig. Denn jene Reaktion hat auch längst in alle Lebensbereiche der Hochburgen der Demokratischen Partei Einzug gehalten, weil sich die wirtschaftlichen Daten bis zum Ausbruch der Corona-Krise unter der aktuellen US-Regierung verbessert hatten, was sich auch auf das Alltagsleben der Minderheiten positiv ausgewirkt hatte. Zudem ist eine wachsende Anzahl an weltoffenen US-Amerikanern der Meinung, dass die selbst ernannten Liberalen es mit der „Gender-Ideologie“, der vorsätzlichen Verwässerung christlicher Werte und Riten, der unkontrollierten (!) Einwanderung und der Dämonisierung von politisch Andersdenkenden übertrieben haben. Sie haben den Bogen überspannt, so der vorherrschende Eindruck.

Globale Lieferkette: Werden Indien und andere Länder China ersetzen?

Doch zurück zur US-Außenpolitik, die – wie gesagt – völlig unabhängig vom US-Präsidenten erfolgt. Der indische Premierminister Narendra Modi gab am vergangenen Donnerstag der Zeitung „Economic Times“ ein exklusives Interview. Er behauptete, Indien werde in Zukunft ein Produktionszentrum aus eigener Kraft werden. „Wir haben gesehen, wie nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue Weltordnung entstanden ist. Ähnliches wird nach Covid-19 passieren“, sagte Modi und fügte hinzu: „Dieses Mal wird Indien bei der Herstellung und der Integration in die globale Lieferkette am Steuer sitzen. Wir haben spezifische Vorteile in Form von Demokratie, Demografie und Nachfrage.“

Diese Aussage harmoniert mit dem Ansatz der US-Regierung, dass sich China im Verlauf der Corona-Krise als alleiniger kostengünstiger Standort in der globalen Lieferkette als nicht mehr zuverlässig erwiesen habe. Indien besitze, so die US-Regierung, als Produktionsstandort das Potenzial, China teilweise zu ersetzen. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten führten in einer Analyse vom 8. Juni 2020 aus, dass China vor der Corona-Krise ein zuverlässiger Exporteur gewesen ist. Doch die Krise hat die globale Lieferkette nachhaltig gestört, was in Zukunft erneut vorkommen könnte.

Washington vertritt den Standpunkt, dass es zu einer Diversifizierung des globalen Produktionsstandorts China kommen muss, um dieses Risiko zu senken, wovon Indien und andere Staaten als potenzielle Produktionsstandorte für US-amerikanische und europäische Unternehmen profitieren könnten: „Indien hat die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt und ist bereits ein bedeutender Exporteur. China exportiert Waren von zwei Billionen Dollar pro Jahr, Indien exportiert Waren von nur 345 Milliarden Dollar pro Jahr. Die Exporte machen 19 Prozent des chinesischen BIP und 14 Prozent des indischen BIP aus. China hat ungefähr 1,4 Milliarden Einwohner, also ungefähr so ​​viel wie Indien. Wenn man sich die Kennzahlen Indiens vergegenwärtigt, könnte Indien China zumindest teilweise ablösen. Indien ist in den vergangenen Jahren aufgrund des Anstiegs seiner Inlandsnachfrage gewachsen. Nun werden im Verlauf der Wachstumsphase auch seine Exporte ansteigen. Dabei könnte das Land vom Konflikt zwischen China und seinem größten Kunden, den USA, profitieren.“

Doch dafür müssten noch einige Reformen durchgepaukt werden. Denn in Indien dauert beispielsweise die Registrierung eines Unternehmens durchschnittlich 18 Tage, während dieser Prozess in China lediglich neun Tage dauert, berichtet die Weltbank. Neu Delhi müsste Regelungen auf den Weg bringen, die unternehmerfreundliche Züge aufweisen, um Investoren anzuziehen.

Am 7. Mai 2020 berichtete die „Economic Times“: „Die indische Regierung hat sich im April an mehr als 1.000 Unternehmen in den USA und Auslandsmissionen gewandt, um Anreize für Hersteller zu bieten, die aus China ausziehen möchten (…) Indien priorisiert Zulieferer von medizinischen Geräten, Lebensmittelverarbeitungsbetrieben, Textil-, Leder- und Autoteileherstellern (…) Japan hat 2,2 Milliarden US-Dollar bereitgestellt, um Fabriken von seinem Nachbarn abziehen zu lassen, während Mitglieder der Europäischen Union planen, die Abhängigkeit von chinesischen Lieferanten zu verringern (…) Indien rechnet damit, US-Unternehmen für Gesundheitsprodukte und -geräte zu gewinnen, und befindet sich in Gesprächen mit Medtronic Plc und Abbott Laboratories über die Verlagerung ihrer Einheiten in das Land.“

Die Zeitung „Asia Times“ stellt fest: „Japanische, koreanische und auch chinesische Unternehmen haben als Reaktion auf steigende chinesische Löhne die Produktion von China nach Südostasien verlagert. Japanische Unternehmen sind auch aufgrund antijapanischer Unruhen in China abgezogen. Im Jahr 2019 stellte Samsung die Montage von Mobiltelefonen in China ein. Es stellt jetzt die meisten seiner Handys in Vietnam her.“

Das Magazin „Prince Manifacturing“ führte am 28. September 2020 aus, dass US-Unternehmen China verlassen würden, um sich in Indien niederzulassen. Donald Trump hatte im Verlauf des US-Wahlkampfs versprochen, dass er „spezifische Richtlinien“ für US-Unternehmen erlassen würde, um den Exodus der US-Unternehmen aus China zu fördern. Ob diese Unternehmen dann ihre Investitionen in Indien oder in den USA tätigen werden, ist kurzfristig unerheblich. Zumindest versucht die US-Regierung, US-Unternehmen zur Rückkehr in ihre Heimat zu bewegen.

Doch damit nicht genug. Die US-Regierung versucht auch, weitere ausländische Direktinvestitionen in China zu behindern. Es wird sogar in Erwägung gezogen, chinesische Unternehmen von den US-Börsen zu verbannen. „Heute beläuft sich die Notierung chinesischer Unternehmen an der New Yorker Börse auf mehr als 1,3 Billionen US-Dollar. Laut dem Nikkei Asian Review verlassen US-Unternehmen China. Das Portal berichtete kürzlich, dass Technologieunternehmen wie Hewlett-Packard, Dell, Microsoft und Amazon aktiv versuchen, wesentliche Teile ihrer Geschäftskapazität in China zu verlagern. Im Fall von HP und Dell versuchen diese Unternehmen, bis zu 30 Prozent ihrer Aktivitäten in China in andere Länder zu verlagern. Andere Firmen unter den US-Unternehmen, die nach Alternativen zu China suchen, sind Google, Sony und Nintendo. Darüber hinaus haben Toymaker Hasbro, die Muttergesellschaft von Bath & Body Works, L Brands, und der Modedesigner Steve Madden Pläne vorgelegt, die ihre Abhängigkeit von chinesischen Fabriken in den nächsten Jahren erheblich verringern sollen“, so „Prince Manifacturing“.

Trump ist Biden und Biden ist Trump

Die wirtschaftliche Schwächung Chinas ist nicht nur ein Anliegen, das von Trump, sondern auch von Joe Biden unterstützt wird. Im Februar 2020 teilte Biden in Bezug auf den chinesischen Präsidenten Xi Jinping mit: „Dies ist ein Kerl, der nicht einen demokratischen – mit kleinem 'd' – Knochen im Leib hat. Dieser Kerl ist ein Schläger.“

Am 23. März 2018 hatten die USA Strafzölle auf Eisen-, Stahl- und Aluminiumerzeugnisse neben zahlreichen anderen Ländern auch gegenüber der Volksrepublik China verhängt. Biden hat zu keinem Zeitpunkt gesagt, dass er ein Gegner der Strafzölle ist. Im Mai 2020 sagte er stattdessen in einer Erklärung an die US-Gewerkschaft „United Steelworkers“. „Ich werde Zölle verwenden, wenn sie benötigt werden, aber der Unterschied zwischen mir und Trump besteht darin, dass ich eine Strategie - einen Plan - haben werde, diese Zölle zu verwenden, um zu gewinnen, nicht nur um Zähigkeit vorzutäuschen“, zitiert CNBC Biden.

Biden hat einen „Buy American“-Plan in Höhe von 400 Milliarden US-Dollar vorgelegt, um staatliche Einkäufe von im Inland hergestellte Waren zu fördern. Er hat sich auch verpflichtet, „die wirtschaftliche Macht der Demokratien auf der ganzen Welt zu vereinen, um missbräuchlichen wirtschaftlichen Praktiken entgegenzuwirken“. Hier lässt sich erkennen, dass Biden auf fiskalpolitische Maßnahmen zurückgreifen möchte, um das Wirtschaftswachstum und den Konsum in den USA anzukurbeln. Doch gleichzeitig will er in Zusammenarbeit mit einigen europäischen Staaten gegen die wirtschaftlichen Kontrahenten der USA vorgehen.

Im Klartext: Biden ist ein Befürworter der offiziellen Außen- und Wirtschaftspolitik der US-Regierung gegenüber China. Er hat ein Interesse daran, den Abzug von europäischen und US-amerikanischen Unternehmen aus China zu beflügeln. Der einzige Unterschied zu Trump ist der, dass Biden bessere Chancen hat, die Europäer ins Boot der US-amerikanischen China-Politik zu holen als Trump.

Allerdings muss an dieser Stelle auch bemerkt werden: Die Kritik an den hohen deutschen Exportüberschüssen und die Forderung nach höheren deutschen Rüstungsausgaben wird aufrechterhalten werden. Biden ließe sich vielleicht besänftigen, indem die Einfuhrquoten für US-amerikanische Produkte innerhalb der EU erhöht werden, wie dies bereits bei US-amerikanischem Rindfleisch geschehen ist. Wenn Deutschland mit den USA unter einem möglichen US-Präsidenten Biden gegen China kooperiert, könnten fast alle transatlantischen Probleme gelöst werden. Die Formel würde lauten: USA + Deutschland gegen China.

Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass die USA in der kommenden Zeit der „Transpazifischen Partnerschaft“ (TPP) beitreten werden, um Chinas wirtschaftliche Macht im Asien-Pazifik-Raum einzudämmen. Am 23. Januar 2017 hatte Trump ein Dekret unterschrieben, das den Ausstieg der USA aus dem Pakt besiegelt hatte. Es handelt sich dabei um einen wirtschaftspolitischen Pakt zwischen Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam.

CBS News argumentiert, dass der Ausstieg der USA aus dem TPP der „größte strategische Fehler“ gewesen sei. Diese Kritik ist aus US-amerikanischer Sicht deshalb berechtigt, weil zahlreiche Unternehmen den Produktionsstandort China nicht in Richtung der USA, sondern in Richtung der Staaten in Südost-Asien verlassen haben. Doch vielleicht war genau dies das Ziel, um US-Verbündete entlang des Südchinesischen Meeres wirtschaftlich zu stärken.

Schlussendlich ist festzuhalten, dass sich die US-amerikanische Politik im Zusammenhang mit Europa und China im Kern nicht ändern wird. Es könnte zu taktischen Veränderungen oder zu einem „Fine Tuning“ der US-Außenpolitik kommen, doch nicht mehr.

Trump hatte einst gesagt: „Wir werden Amerika zur Supermacht des verarbeitenden Gewerbes der Welt machen und die Abhängigkeit von China ein für alle Mal beenden. Wir werden die Steuern für Unternehmen, die Arbeitsplätze nach Amerika verlagern, niedrig halten und jedem Unternehmen, das abzieht, hohe Zölle auferlegen. Sie wollen gehen? Sie wollen unser Produkt herstellen und es dann wieder verkaufen, nachdem sie alle Arbeiter gefeuert haben? Das wird nicht passieren. Denn dann werden Zölle gegen sie verhängt werden.“

Das ist exakt die Ansicht, die die Republikaner und Demokraten in den USA mehrheitlich vertreten. Denn Deutschland, die EU und China sind in erster Linie Kontrahenten der USA - und daran wird sich so schnell nichts ändern.

Egal, wer im Weißen Haus sitzt!

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Cüneyt Yilmaz ist Absolvent der oberfränkischen Universität Bayreuth. Er lebt und arbeitet in Berlin.


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