Deutschland

Inflation: Das Comeback des Jahres 2021?

Es war eines der größten Comebacks in der Sportgeschichte. Nach sieben Jahren holte sich Boxlegende Muhammad Ali 1974 den Weltmeistertitel im Schwergewicht zurück. Seit sieben Jahren fallen auch die europäischen Inflationserwartungen. Doch erwarten viele hier ebenso ein fulminantes Comeback im nächsten Jahr.
10.12.2020 09:00
Lesezeit: 4 min
Inflation: Das Comeback des Jahres 2021?
Ein Mitarbeiter einer Tankstelle ändert die Preise.(Foto: dpa)

Es war eines der größten Comebacks in der Sportgeschichte. Nach sieben Jahren holte sich Boxlegende Muhammad Ali 1974 den Weltmeistertitel im Schwergewicht zurück. Seit sieben Jahren fallen auch die europäischen Inflationserwartungen. Doch erwarten viele hier ebenso ein fulminantes Comeback im nächsten Jahr. Tatsächlich wird die klassische Geldtheorie Lügen gestraft. Obwohl die Liquiditäts-Treffer der EZB wie Kinnhaken wirken, haben sie bislang noch nicht zu einem Knockout durch Inflation geführt.

Schlagende Argumente für mehr Inflation?

Dennoch, 2021 soll die Inflation in Deutschland mit bis zu 10 Prozent zuschlagen.

Als Argument wird zunächst die Demographie bemüht. In der westlichen Welt führe die Überalterung der Bevölkerung zu teuren Verknappungen am Arbeitsmarkt und massiven Kostensteigerungen im Gesundheitswesen.

Daneben stoße die deflationäre Globalisierung, das Abweiden der weltweit günstigsten Standorte an ihre Grenzen. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Performance seien asiatische Schwellenländer längst keine Billigheimer mehr. Ebenso hätten die Corona-Pandemie und wachsender Protektionismus zur Folge, dass kritische Medizin- und Industriegüter zur Verhinderung von Abhängigkeiten wieder in den vergleichsweise teuren Industrienationen hergestellt werden.

Nicht zuletzt, nachdem Bürger lange in pandemischer Zwangs-Askese verharren mussten, käme es post-coronal zu massiven Konsumtreffern. Die aufgesparte Kaufkraft werde Reisebüros, Hotels und Restaurants keine Ruhe mehr lassen. Da diese Nachfrage nur auf ein begrenztes Angebot träfe - weil z.B. Flugzeuge stillgelegt wurden oder Gaststätten und Kneipen K.O. sind - wären Preissteigerungen die logische Folge.

Schließlich, da Anfang des nächsten Jahres auch noch die deutsche Mehrwertsteuer von 16 wieder auf 19 Prozent erhöht wird, komme 2021 eine Serie an rechten und linken Inflations-Haken auf die Volkswirtschaft zu.

Kommt die Inflation wirklich aus ihrer Deckung?

Natürlich wird es keinen Rückfall in geschlossene nationale Volkswirtschaften geben. Welthandel und international optimierte Arbeitsteilung sind definitiv nicht tot.

Insbesondere darf man die technologische Deflation nicht unterschätzen. In Industriebetrieben ersetzen Roboter immer mehr die Menschen. Sie verlangen keinen Urlaub, werden nicht krank, arbeiten 24/7, streiken nicht und wollen auch keine Lohnerhöhung. In der Tat sind Entlassungen von Facharbeitern trotz Kurzarbeitergeld keine Seltenheit mehr. Dies ist auch der Grund, warum Politiker längst über die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens nachdenken.

Auch viele Güter des alltäglichen Gebrauchs werden nicht nur grundsätzlich billiger, sondern immer leistungsfähiger, d.h. sie wirken zweifach anti-inflationär. Angesichts der Qualität z.B. heutiger Smartphone-Kameras überlegt sich ein Otto-Normal-Bürger heutzutage doch zweimal, ob er überhaupt eine teure Digitalkamera kaufen soll.

Sicher sind die Impfstoffe Lichter am Ende des dunklen Konjunktur-Tunnels. Doch bis die Bevölkerung durchgeimpft ist, wird es Monate dauern. Kaufkraft kommt also nicht in Form unbändiger Faustschläge eines Rocky Balboas auf die Konjunktur zu, sondern gemächlicher, eher im Rahmen eines Aufbaukampfs. Ohnehin wird so mancher Konsument seine Geldbörse aufgrund der unsicheren Beschäftigungssituation nur vorsichtig öffnen.

Ebenso lassen sich die weltweiten Produktionskapazitäten vielfach flexibel und zügig wieder hochfahren. So ist eine längerfristige Angebotslücke nicht zu befürchten. Und wenn es wieder Geld zu verdienen gibt, wird auch das Angebot zügig zurückkommen. Der Mensch ist ein Homo Oeconomicus.

Übrigens sind Rohstoffpreise mittlerweile müde Inflationskämpfer. Darbende Länder wie Brasilien sind dankbar für jede Tonne Kupfer, die sie verkaufen. Und die Opec, einst ein gefeierter Preisboxer, der uns das Inflations-Fürchten lehrte, ist heute ein in die Jahre gekommener Kirmesboxer. Ihre Förderkürzungen wirken nicht mehr wie Aufwärtshaken. Denn die anschließenden Förderausweitungen bei Fracking-Öl bringen die Energiepreise schnell wieder auf die Bretter.

Und da die Mehrwertsteuer nur ein preislicher Einmaleffekt ist, sind insgesamt die Risiken für ein Muhammad Ali-ähnliches Comeback der Inflation überschaubar.

Die Politik ist enttäuscht, dass die Inflation in den Seilen hängt

Die beispiellos üppigen Stimulierungsmaßnahmen in ganz Europa haben bislang nur eine Vermögenspreisinflation (Zinspapiere, Aktien, Immobilien, Gold, Bitcoin) losgetreten. Nicht auf Touren kommt dagegen die realwirtschaftliche Inflation, was dokumentiert, dass die Konjunktur - unabhängig von der Pandemie - nicht kampfbereit ist.

Unbedingt muss verhindert werden, dass die deflationäre Seite gewinnt. Ist die Wirtschaft erst einmal angezählt, werden Unternehmen und Konsumenten ihre Investitions- und Konsumaktivitäten einschränken, weil es morgen billiger ist. Und warum sollten sie morgen Geld ausgeben, wenn es übermorgen noch günstiger wird? In so einem Szenario ist vor allem der Kampf gegen die unfassbare Überschuldung einer von David gegen Goliath, aber leider mit anderem Ausgang.

Von daher wird in der ökonomischen Box-Arena weiter für Konjunktur und Inflation gekämpft.

Moderne Geldtheorie und digitale Währung als ultimatives Inflations-Doping

Dabei werden auch immer unorthodoxere Vorschläge präsentiert. So sei gemäß der sogenannten modernen Geldtheorie die Zeit gekommen, die Notenbank zum umfassenden, ja willfährigen Finanzierer staatlicher Ausgaben zu machen. Ohne Bonitätssorgen und hohe Zinskosten kann Vater Staat für seine Schutzbefohlenen Brei vom Himmel regnen lassen.

Besondere Wirkung erzielte dieses Instrument, wenn man den Bürgern diese Segnungen direkt auf ihre Smartphones sendet. Dann hätten die Bürger nur noch eine einfache Aufgabe: Das digitale Geld möglichst schnell auszugeben.

Dann - so wird behauptet - könnte man erfolgreich in zwei Boxringen gleichzeitig kämpfen. Einerseits werden Konjunktur und Beschäftigung kaltgestartet. Andererseits schlagen die so erzielten volkswirtschaftlichen Preishämmer die Schulden über Weginflationieren K.O. Es ist zu hoffen, dass so ein ökonomischer Radikal-Schwachsinn nie Realität wird.

Dennoch wird man in Europa möglichst über alle Runden gehen, um den Reflations-Kampf zu gewinnen. Die EZB wird dabei den Einpeitscher, sozusagen den Box-Promoter spielen.

So oder so, wir Anleger können uns gegen jeden Inflations-Knockout mit Sachkapital wehren: Aktien, Immobilien, Gold.

Übrigens, Sachkapital muss 2021 kein Comeback erleben, denn es ist bereits Dauer-Champion.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

avtor1
Robert Halver

                                                                            ***

Robert Halver ist Leiter der Kapitalmarktanalyse-Abteilung der Baader Bank. Er ist einer der bekanntesten Finanzanalysten im DACH-Raum.

DWN
Finanzen
Finanzen 30.000 Dollar für Gold – und der Westen ist bankrott
20.05.2025

Gold steigt, wenn das Vertrauen fällt. Für Hedgefonds-Manager David Einhorn wäre ein Kurs von 30.000 Dollar kein Triumph – sondern ein...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ostdeutsche Wirtschaft holt auf: Thüringen und Sachsen mit Spitzenplätzen
20.05.2025

Einer neuen ifo-Studie zufolge hat Ostdeutschland wirtschaftlich gegenüber dem Westen deutlich aufgeholt. Der Thüringer Industrieanteil...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Krise am Bau: Wohnungsmarkt steckt fest – Bauindustrie warnt vor Investitionsstau
20.05.2025

Die deutsche Bauwirtschaft steckt weiterhin tief in der Krise. Der Wohnungsbau schwächelt, Neubauten stagnieren – und aus Sicht der...

DWN
Politik
Politik BKA: Politisch motivierte Kriminalität steigt um 40 Prozent– Beratungsstellen schlagen Alarm
20.05.2025

Schon die erste Kriminalitätsstatistik, die Dobrindt vorstellt, zeigt, dass er ein schwieriges Amt übernommen hat. Bei Straftaten mit...

DWN
Finanzen
Finanzen BYD-Aktie auf Rekordjagd: Neue Technologie und Europa-Strategie beflügeln den Kurs
20.05.2025

Die BYD-Aktie bricht Rekorde, während Konkurrent Tesla schwächelt. Neue Technologien und Strategien sorgen für Aufsehen – doch wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russland unter Druck: EU verschärft Sanktionen gegen Kreml
20.05.2025

Trotz der Bemühungen von US-Präsident Donald Trump ist ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine weiterhin nicht in Sicht....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wie China europäische Unternehmen vom Markt verdrängt – und Brüssel zuschaut
20.05.2025

China überschwemmt Europa mit Billigwaren, während europäische Exporte nach Peking einbrechen – und Brüssel steht hilflos daneben....

DWN
Immobilien
Immobilien Crowdinvesting in Immobilien: Hohe Risiken, hohe Renditen?
20.05.2025

Immobilien sind, trotz fallender Preise seit 2023, weiterhin attraktive Kapitalanlagen. Wer in Immobilien investieren möchte, aber nicht...