Politik

Der Unantastbare: Jens Spahn kann machen und sagen, was immer er will

Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten dokumentieren die leeren Versprechen und Widersprüche, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn betreffen. Doch er kann offenbar im Gegensatz zu allen anderen Politikern machen und sagen, was immer er will. Mit Konsequenzen muss er nicht rechnen.
28.12.2020 12:18
Lesezeit: 4 min
Der Unantastbare: Jens Spahn kann machen und sagen, was immer er will
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn steht in der Kritik. (Foto: dpa)

Am 28. Januar 2020 sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, dass die Gefahr durch das Corona-Virus für die Gesundheit der Bürger weiterhin gering bleibe. Man sei zudem gut vorbereitet.

Am 3. Februar 2020 wiederholt Spahn, dass das Gesundheitssystem gut gerüstet sei für einen Anstieg der Corona-Infektionen. „Für diese Situation jetzt haben wir Intensivstationen, ausreichend Isolierstationen und -zimmer und die Ausstattung, die wir brauchen. Wir haben ja gelernt aus den letzten Jahren. Selbst für eine Grippepandemie hätten wir Pläne in der Schublade“, zitiert „Tagesschau.de“ Spahn.

Am 26. Februar 2020 meint Spahn, dass man nicht „das gesamte öffentliche Leben in Deutschland, Europa und der Welt beenden“ könne. Er spricht sich gegen „pauschale Absagen“ von Großveranstaltungen aus.

Am 4. März 2020 sagt Spahn: „Die Folgen von Angst können weit größer sein als die durch das Virus selbst.“

Das Robert-Koch-Institut (RKI) pflichtet ihm inhaltlich bei. Am 28. Februar 2020 titelt „BR24“: „RKI zu Corona: Desinfektion und Mundschutz im Alltag unnötig. Experten halten Desinfektionsmittel und Schutzmasken gegen das Coronavirus im Alltag für unnötig. Wasser und Seife reichen völlig aus, so das RKI. Desinfektionen seien nur beim Umgang mit Patienten angebracht.“

Tagesschau.de berichtet weiter: 14. März: Das Gesundheitsministerium warnt vor ,Fake News‘. Es kursierten ,Gerüchte im Netz‘, wonach die Bundesregierung weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens plane. Dies sei falsch. Wenige Tage später wird das öffentliche Leben in Deutschland massiv eingeschränkt“. Damit erweisen sich diese als „Fake News“ und „Verschwörungstheorie“ titulierten sogenannten Gerüchte als „reine Wahrheit“.

Am 13. April 2020 tritt Spahn plötzlich beim US-Sender „CNBC“ auf. Der US-Sender hofiert ihn unter dem Motto „Coronavirus: Warum Deutschland im Umgang mit COVID-19 so erfolgreich war“.

Anschließend beginnt eine Phase von Protesten gegen die Corona-Maßnahmen, die von den etablierten Parteien massiv kritisiert werden, weil die betroffenen Demonstranten gegen die Maskenpflicht und Abstandsregeln verstoßen. Als am 25. Mai 2020 der Afroamerikaner George Floyd bei einem Polizeieinsatz ums Leben kommt, brechen in den USA und weltweit Proteste gegen Rassismus aus. Dieselben Stimmen des politischen Establishments, die zuvor die Anti-Corona-Demonstrationen wegen Verstößen gegen die Hygieneregeln kritisiert hatten, befeuern die Anti-Rassismus-Proteste in Deutschland.

Auf den Anti-Rassismus-Demonstrationen werden zunächst die Hygieneregeln ebenfalls missachtet. Als diverse Medien auf diesen Widerspruch hinweisen, fangen die Anti-Rassismus-Demonstranten langsam damit an, teilweise Masken zu tragen. Doch die Missachtung der Hygieneregeln durch die Anti-Rassismus-Demonstranten erstreckt sich bis in den Monat Juni 2020 und darüber hinaus, wie aus einem Video der Deutschen Polizeigewerkschaft Berlin (DPolG Berlin) hervorgeht (HIER). Dasselbe gilt für einen Großteil der Anti-Corona-Demonstranten, die aber nicht mit Samthandschuhen angefasst, sondern von Politik und Medien kollektiv und pauschal als „Rechtsradikale“ und „Verschwörungstheoretiker“ diffamiert werden.

Ein möglicher Zusammenhang zwischen den Anti-Rassismus-Protesten, die weltweit mehr Zulauf hatten als die Anti-Corona-Demonstrationen, und der Verbreitung des Corona-Virus wird nicht erstellt.

Am 13. August 2020 hält Spahn einen Wahlkampfauftritt in seinem Wahlkreis Rheine ab. Dazu postet er zunächst dieses Foto:

Aus dem Foto geht hervor, dass seine Wählerschaft die Maskenpflicht und die Abstandsregeln missachtet. Nachdem Spahn klar wird, dass das Foto im Gegensatz zu seinen öffentlichen Bekundungen steht, wechselt er das Foto aus. „Extra 3“ nimmt diese Aktion zum Anlass, um Kritik an Spahn zu äußern (HIER).

Hier lässt sich die verspätete „Nacht und Nebel-Aktion“ nachverfolgen:

Spahn sagt im September 2020, dass die Schließung von „Friseuren“ und des „Einzelhandels“ im Verlauf der Pandemie mit dem heutigen Wissen falsch gewesen sei. Exakt am 1. September 2020 sagt Spahn in Bottrop: „Man würde mit dem Wissen heute, das kann ich Ihnen sagen, keine Friseure mehr schließen und keinen Einzelhandel mehr schließen. Das wird nicht noch mal passieren.“

Am 2. September 2020 titelt die „Zeit“: „Bundesgesundheitsminister schließt zweiten Lockdown aus.“

Am 10. Oktober 2020 sagt Spahn in einem Interview mit dem Sender RTL: „Wir werden jedenfalls nicht nochmal solche Maßnahmen brauchen wie im Frühjahr, weil wir heute auch mehr wissen. […] Wir wissen, dass wir im Einzelhandel, bei Frisören, im öffentlichen Nahverkehr […] mit AHA-Regeln, mit aufeinander aufpassen, keine Ausbrüche haben, kein Infektionsgeschehen oder so gut wie keins.“

Im November 2020 verhängt die Bundesregierung einen „Lockdown Light“. Am 13. Dezember 2020 titelt die „Zeit“: „Bund und Länder einigen auf Lockdown ab Mittwoch.“

Eine Woche später sagt Spahn in einem Interview mit der „Zeit“: „Wir hätten als Bundesregierung früher beginnen sollen, Masken zu besorgen. Und ich hätte das als Gesundheitsminister früher anstoßen sollen“.

Wenige Tage später kommt er mit der nächsten Hiobsbotschaft. Er meint, dass Reiserückkehrer aus Osteuropa, vom Balkan und aus der Türkei eine neue Corona-Welle auslösen könnten. Das Timing dieser Aussage ist bemerkenswert. Denn sie fällt zu einem Zeitpunkt, an dem die deutschen Medien aus dem Tiefschlaf erwacht sind, um Spahns „mögliche Verfehlungen“ im Zusammenhang mit „gewissen anderen Dingen“ zu hinterfragen.

Mehr zum Thema:

Jens Spahn gibt Fehleinschätzung zu: Jetzt muss er die Konsequenzen ziehen

Oktober 2018: Spahn und US-Sicherheitsberater Bolton sprachen über Epidemien und Bioterror

Spahn sagte nur: „In dieser“ Pandemie wird es keine Impflicht geben

Was hatte Gesundheitsminister Spahn mit Stephen Bannon besprochen?

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russland bleibt widerstandsfähig: Warum die russische Wirtschaft trotz Krieg nicht zusammenbricht
04.09.2025

Trotz Sanktionen, Kriegsausgaben und Bankenproblemen bleibt die russische Wirtschaft widerstandsfähig. Warum ein Zusammenbruch ausbleibt...

DWN
Finanzen
Finanzen Experten raten: Verkauf der Novo Nordisk-Aktie kann sinnvoll sein
04.09.2025

Die Novo Nordisk-Aktie gilt als Favorit vieler Anleger. Doch Experten zeigen, warum selbst ein Verkauf mit Verlust zum steuerlichen Vorteil...

DWN
Politik
Politik Vertrauen in den Staat auf Tiefstwert: Mehrheit der Bürger hält den Staat für überfordert
04.09.2025

Wie blicken die Bundesbürger auf den Staatsapparat? Neuste Zahlen geben Aufschluss: Drei von vier Bundesbürgern halten den Staat für...

DWN
Technologie
Technologie Elektromobilität: Europas Batterieproduktion droht uneinholbarer Rückstand
04.09.2025

Noch vor zehn Jahren war Europas Autoindustrie technologisch in der Weltspitze. Doch der von China angeführte Umstieg auf die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Frankreich-Schulden: Frankreichs Verschuldung ist außer Kontrolle - Muss der IWF eingreifen?
04.09.2025

Die Frankreich-Schulden treiben das Land in eine politische und finanzielle Krise. Investoren zweifeln an der Stabilität, und die Eurozone...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindersparen statt Konsum: So sichern Sie die Zukunft Ihres Erstklässlers
04.09.2025

Der erste Schultag ist nicht nur emotional ein Meilenstein – er sollte auch ein finanzieller Wendepunkt sein. Experten erklären, warum...

DWN
Panorama
Panorama Pharmaindustrie: Marktstart für Alzheimer-Mittel Lecanemab in Deutschland
04.09.2025

Ab ersten September ist erstmals ein Alzheimer-Medikament erhältlich, das den Krankheitsverlauf verlangsamen kann. Lecanemab soll bei...

DWN
Politik
Politik Justiz überfordert: Unerledigte Verfahren oder Einstellungen bei Staatsanwaltschaften auf Rekordhoch!
04.09.2025

Die Staatsanwaltschaften kommen kaum noch hinterher. Die Aktenberge wachsen und wachsen: Zum Jahresende 2024 gab es einen traurigen...