Auswirkungen auf Deutschland
Zwei Drittel des realen Rückgangs des Bruttoinlandprodukts (BIP) in Deutschland sind durch die Lockdowns verursacht, nur ein Drittel ist auf einen Rückgang der Auslandsnachfrage nach deutschen Exporten zurückzuführenöpö. [1] Der erste Lockdown vom 22. März bis 6. Mai 2020 kostete der deutschen Wirtschaft rund 300 bis 500 Milliarden Euro. [2] Der zweite Lockdown von November bis Dezember 2020 kostete der Wirtschaft weitere 50 bis 70 Milliarden. Euro. [3], [4] Jede weitere Woche des Lockdowns kostet die Wirtschaft jeweils weitere 3 bis 3,5 Milliarden Euro. [5]
Die Hauptverlierer des Lockdowns sind die Einzelhändler und das Gastgewerbe. Von November 2020 bis zum 10. Januar 2021 betrugen die Umsatzverluste des deutschen Einzelhandels circa 36 Milliarden Euro. Die großen Gewinner der Krise sind dagegen Online-Geschäft und Plattform-Unternehmen. Ihr Umsatz stieg nämlich auf 26,2 Milliarden Euro, was einer Steigerung von 27 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. Was die Bruttozahl der transportierten Pakete im Jahr 2020 ausmacht: Gegenüber 2019 stieg sie um rund 15 Prozent. Übrigens: Auf den Weltmarktführer Amazon entfällt rund 50 Prozent des Online-Umsatzes in Deutschland. [6], [7]
Insgesamt wird das deutsche Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2020 um 5,6 Prozent schrumpfen, also um fast genau so viel wie während der globalen Finanzkrise (damals waren es 5,7 Prozent). Wenn ein „Lockdown light“ bis einschließlich März 2021 andauert, wird das deutsche BIP-Wachstum im Jahr 2021 nur 3,1 Prozent betragen. Das heimische Wirtschaftswachstum wird vor allem durch die Verlängerung der Ladenschließungen, die Rückerhöhung der Mehrwertsteuer, den Brexit, aber auch durch die Kosten der Klimapolitik gehemmt. Immerhin: Im Jahr 2022 könnte sich die wirtschaftliche Erholung laut Prognosen auf 4,6 Prozent beschleunigen.
Was oft vergessen wird, ist, dass die deutsche Wirtschaft bereits 2019 fast in eine technische Rezession gestürzt wäre (unter einer „technischen Rezession“ versteht man zwei aufeinander folgende Quartale mit jeweils schrumpfendem BIP). Das damalige BIP-Wachstum betrug gegenüber dem Vorjahr 2018 nur 0,6 Prozent. Die Gründe für die negative Tendenz sind also nicht nur Corona zuzuschreiben – vielmehr liegen sie auch im zunehmenden Protektionismus im Welthandel sowie in der falschen Wirtschafts- und Industriepolitik der Bundesregierung, die sich zunehmend von den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft lossagt.
Im Jahr 2020 stieg die Arbeitslosenquote auf 5,9 Prozent von 5,0 Prozent im Jahr 2019. Im Jahr 2021 wird sie aufgrund des erhofften Anstiegs der Binnennachfrage wieder sinken, und zwar voraussichtlich auf 4,8 Prozent. [8] Die Kurzzeitarbeit wird von vielen Ökonomen als ein gutes Instrument angesehen, um die negativen Auswirkungen der Lockdowns auf den Arbeitsmarkt abzufedern. Im Zeitraum von Mai bis Dezember 2020 betrug die durchschnittliche Zahl der Kurzzeitbeschäftigten drei Millionen (6,7 Prozent der Erwerbstätigen). Ihren Höchststand erreichte die Kurzarbeit im Mai 2020 mit 5,8 Millionen Betroffenen (entspricht 12,95 Prozent der Erwerbstätigen). [9]
Das fiskalische Corona-Konjunkturpaket der Bundesregierung betrug fast eine Billion Euro (989 Milliarden Euro) oder 28,8 Prozent des deutschen BIP von 2019. Das ist eine sehr hohe Zahl verglichen mit den Konjunkturpaketen anderer westlicher Staaten. Zum Vergleich: In den USA betrugen die Corona-bedingten fiskalischen Ausgaben 14,1 Prozent des BIP; in Frankreich 19,3 Prozent; in Italien 6,0 Prozent; in Österreich 14,4 Prozent; in Schweden 13,5 Prozent. [10]
Die Wirkung des Corona-Konjunkturpakets der Bundesregierung wird allerdings als recht gering eingeschätzt: Es verringerte den BIP-Rückgang im Jahr 2020 nur um 0,9 Prozent. [11] Auch die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer hat den Verbrauch nur geringfügig stimuliert: Sie erwirkte einen zusätzlichen Konsum von 6,3 Milliarden. Euro. Dies entspricht einem Anstieg der privaten Konsumausgaben um nur 0,6 Prozent gegenüber 2019, was in keinem Verhältnis zu den steuerlichen Einbußen der Maßnahme in Höhe von 20 Milliarden Euro steht. Anstatt nur eine vorübergehende Maßnahme zu sein, sollten Steuern und Abgaben endgültig gesenkt werden. Deutschland hat so schon eine der höchsten Steuerbelastungen der Welt, was den Wohlstand der Bürger und die internationale Wettbewerbsfähigkeit immens verringert. [12]
Aber die Bundesregierung hat das genaue Gegenteil getan: Sie hat sogar eine neue CO2-Steuer eingeführt, aufgrund derer ein Liter Benzin beziehungsweise ein Liter Diesel im Jahr 2021 sieben beziehungsweise acht Euro-Cent teurer sein werden als im Vorjahr. Steuern machen mittlerweile zwei Drittel des Benzinpreises und rund 60 Prozent des Dieselpreises aus, während Schwankungen des international gehandelten Ölpreises an der Tankstelle kaum spürbar sind. [13]
Insgesamt ist für 2020 ein Rückgang der Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen um 71 bis 81 Milliarden Euro (fünf bis neun Prozent) gegenüber 2019 zu erwarten. Die Staatsausgaben dagegen werden um insgesamt 182 Milliarden Euro oder 11,7 Prozent steigen. Damit werden die Steuereinnahmen des Bundes im Jahr 2020 um 15 Prozent niedriger ausfallen als prognostiziert, im Jahr 2021 werden sie voraussichtlich 12 Prozent niedriger ausfallen als ursprünglich angenommen. Die Steuereinnahmen der Bundesländer und Gemeinden werden im Jahr 2020 circa acht Prozent niedriger ausfallen und im Jahr 2021 rund 5,8 Prozent. [14] In den ersten drei Monaten des Jahres 2020 gab die Bundesregierung rund 24 Prozent (48,3 Milliarden Euro) mehr aus als im Vorjahreszeitraum. Gleichzeitig gingen die Steuereinnahmen um elf Prozent (28 Milliarden Euro) zurück. Die Corona-Maßnahmen führen daher zu einem Finanzierungsdefizit von 157,1 Milliarden Euro. [15]
Insgesamt stiegen die kumulierten Ausgaben des Bundes im Jahr 2020 gegenüber 2019 um 11,6 Prozent, während die Einnahmen um 5,0 Prozent zurückgingen. Infolgedessen wird der Finanzsaldo im Jahr 2020 zwischen minus 4,9 bis minus 6,5 Prozent des BIP und im Jahr 2021 zwischen minus 4,1 bis minus 4,3 Prozent des BIP betragen. [16], [17] Infolgedessen wird die Staatsverschuldung von 59,5 Prozent des BIP im Jahr 2019 auf 72,6 Prozent im Jahr 2020 und auf 73,2 Prozent im Jahr 2021 steigen.
Wie bereits gesagt, entfernt sich die Wirtschaftspolitik der Regierung immer weiter vom Ordnungsrahmen der sozialen Marktwirtschaft in Richtung dirigistischer Markt-Interventionen. Zwischen 2005 und 2020 stiegen die staatlichen Subventionen um rund 38,9 Prozent auf insgesamt 206 Milliarden Euro. Im Jahr 2020 beliefen sich die staatlichen Subventionen auf 21,7 Milliarden Euro. Realistisch gesehen hätten rund 10 Milliarden Euro dieser Subventionen gestrichen werden können. [18]*
Auswirkungen auf Europa
Vor allem aufgrund der von den europäischen Regierungen eingeführten Freiheitsbeschränkungen und Geschäftsschließungen wird das Bruttoinlandsprodukt der EU im Jahr 2020 um 6,7 Prozent sinken. Zum Vergleich: Im Finanzkrisen-Jahr 2009 ging das BIP der EU um 4,3 Prozent zurück. In den Jahren 2021 und 2022 könnte die europäische Wirtschaft wieder um 4,7 und 3,9 Prozent wachsen. Im Jahr 2019 betrug die BIP-Wachstumsrate der EU 1,5 Prozent. [8]
Von 2019 bis 2020 stieg die Arbeitslosenquote in der Europäischen Union von 6,4 auf 7,6 Prozent. Im Jahr 2021 könnte sie bei 7,9 Prozent liegen, bevor sie 2022 wieder auf 5,8 Prozent sinkt. [24]
Neben den Corona-Einschränkungen müssen auch die negativen Auswirkungen des Brexits berücksichtigt werden: Der EU-Binnenmarkt wird dadurch um 16 Prozent schrumpfen. Frankreich, das für seinen dirigistischen Ansatz bekannt ist, wird einen größeren Einfluss auf die europäische Industriepolitik ausüben können. Deutschlands Nettobeiträge zum EU-Haushalt werden sich für den Zeitraum 2021-2027 um 14 Milliarden Euro auf 42 Milliarden Euro jährlich erhöhen, um den Austritt Großbritanniens aus der EU auszugleichen. Das deutsche BIP wird aufgrund des Brexits um schätzungsweise 0,3 Prozent sinken. [25], [26]
Deutschland weist traditionell die höchste Belastung bei der kumulierten Umverteilung durch die EU auf: Zwischen 2008 und 2017 beliefen sich die Nettotransfers auf 137,7 Milliarden EUR (pro Kopf fast 170 Euro). [23]
Der neue EU-Haushalt für 2021-2027 sowie das fiskalische Corona-Konjunkturpaket (der sogenannte „Wiederaufbaufonds“) belaufen sich auf insgesamt 2,6 Billionen Euro, was 18,8 Prozent des EU-BIP 2019 entspricht. [10]
Um diesen massiven Anstieg der Ausgaben teilweise zu finanzieren, wird die EU neue Steuern auf supranationaler Ebene einführen: Erstens, eine Plastiksteuer von 80 Cent pro kg, von der 1/4 (20 Euro-Cent) an die nationalen Regierungen und 3/4 (60 Euro-Cent) an die EU. Zweitens, eine Ausweitung des Emissionshandelssystems (ETS) auf andere Sektoren und Einführung einer CO2-Grenzsteuer (CBA, Carbon Border Adjustment). Es wird geschätzt, dass dadurch die deutsche Wirtschaftskraft um 0,03 Prozent sinken wird. [27] Drittens, eine „Digital-Steuer“ von 3 Prozent, basierend auf dem „Marktlandprinzip“, auf Verkäufe durch Online-Werbung, den Verkauf von Benutzerdaten und die Bereitstellung von Online-Marktplätzen. Eine solche Steuer könnte einen ähnlichen Effekt wie eine Gewinnsteuer und keine systematischen Auswirkungen auf die endgültigen Preise und Dienstleistungen haben. Die Europäische Kommission könnte damit einen Umsatz von 3 bis 4 Milliarden Euro erzielen. [28] Allerdings ist es aufgrund des immensen Widerstands der USA und der großen US-amerikanischen digitalen Unternehmen immer noch zweifelhaft, ob diese Initiative auch wirklich umgesetzt werden kann. Immerhin sind Google, Microsoft und Facebook drei der vier größten Lobbyisten in Brüssel. [29]
Zwischen Ende 2019 und Ende 2020 stieg die gesamte Staatsverschuldung der EU-Mitgliedstaaten von knapp 80 auf knapp 90 Prozent des EU-BIP. Im Rahmen des im Juli 2020 beschlossenen Corona-Wiederaufbaufonds (750 Mrd. Euro) hat die EU (und nicht nur die EU-Mitgliedstaaten separat, wie zuvor) zum ersten Mal auf supranationaler Ebene Schulden aufgenommen und damit die Vergemeinschaftung von EU-Schulden de facto legitimiert. Dies wurde zwar als eine „einmalige Ausnahmesituation“ dargestellt, dürfte jedoch einen Präzedenzfall für eine dauerhafte Praxis schaffen, wie dies beim Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) während der Bankenkrise 2011-2013 bereits der Fall war. Die Vergemeinschaftung der Schulden ist ein weiterer Schritt, der die politische Abhängigkeit der EU-Mitgliedstaaten voneinander und von Brüssel erhöht.
Zu erwähnen ist, dass der Wiederaufbaufonds eigentlich ausschließlich zur direkten Bekämpfung der Folgen der Corona-Krise verwendet werden dürfte und nicht für andere Zwecke (zum Beispiel für die Klimapolitik und die Digitalisierung). Das ist so in Artikel 122 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU geregelt.
Des Weiteren hat die Europäische Kommission mit dem „SURE-Instrument“ zur Kreditfinanzierung nationaler Kurzzeitarbeitsprogramme einen weiteren Schritt in Richtung Fiskalunion getan. Dieses Instrument wird in erster Linie den Mitgliedstaaten zugutekommen, die in den letzten Jahren hohe Schulden gemacht und keine Reformen zur Steigerung ihres Wirtschaftswachstums durchgeführt haben.
Die „Corona-bedingte“ Ausweitung der EZB-Geldpolitik beläuft sich mittelfristig auf 3,4 Billionen Euro. Dies entspricht 28,9 Prozent des Euroraum-BIP im Jahr 2019. Zwischen Dezember 2019 und November 2020 stieg die M0-Geldmenge im Euroraum von 3,2 auf 4,6 Billionen Euro. Bis Juni 2021 könnte sich die Geldmenge M0 auf 6 Billionen Euro erhöhen. Im Juli 2008 betrug sie lediglich 0,9 Billionen Euro. Diese expansive Geldpolitik führt zu einer „Zombifizierung“ der europäischer Unternehmerlandschaft. Die Jahre zwischen 2020 und 2030 dürften ein Jahrzehnt mit einem sehr geringen BIP-Wachstum werden. Nach Überwindung der „Liquiditätsfalle“ könnte dies jedoch auch zu Inflation oder Stagflation führen. [30]
Die Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Maßnahmen wird von den EU-Mitgliedsstaaten und den zentralistischen politischen Kräften in Brüssel dazu genutzt, die europäische Integration weiter zu vertiefen. Die Vergemeinschaftung der Staatsverschuldung (der sogenannte „Hamilton-Moment“) und die Ausweitung der supranationalen Steuerkompetenzen sind hierbei die entscheidenden Prozesse.
Quellenangaben:
[1] Sforza A. und M. Steininger (2020). Globalization in Times of Covid-19. CESifo.
[2] ifo Institut (2020). Die volkswirtschaftlichen Kosten des Corona-Shutdown für Deutschland: Eine Szenarienrechnung.
[3] Bardt H. (2020). Lockdown light darf nicht auf Industrie übergreifen. IW Köln.
[4] Grömling M. (2020). Lockdown 2.0 kostet 2020 zwei und 2021 einen Prozentpunkt. IW Köln.
[5] Hüther M. (2020). Unternehmen in Existenznot. IW Köln.
[6] Rusche C. (2020). Lockdown könnte den Handel 22 Milliarden kosten. IW Köln.
[7] Goecke H., Rusche C. (2020). Wie sehr leiden die Innenstädte? IW Köln.
[8] IfW Kiel (2020). Weltwirtschaft im Winter 2020. Kieler Konjunkturberichte.
[9] Link S. (2020). Kurzarbeit sinkt im Dezember geringfügig. ifo Institut.
[10] Helaba Research (2020) and own calculations.
[11] Fuest C. (2020). Stellungnahme im Deutschen Bundestag. Drucksache 19/20057. ifo Institut.
[12] ifo Institut (2021). Hat die Mehrwertsteuersenkung den Konsum belebt?
[13] Schaefer T. (2021). Sprit wird deutlich teurer. IW Köln.
[14] IW Köln (2020). IW-Konjunkturprognose und Konjunkturumfrage Winter 2020.
[15] Destatis (2021). Corona-Krise führt zu Finanzierungsdefizit von 157,1 Milliarden Euro.
[16] IW Köln (2020). IW-Konjunkturprognose und Konjunkturumfrage Winter 2020.
[17] Boysen-Hogrefe (2020). Wo stehen die öffentlichen Finanzen in und nach der Corona-Krise? IfW Kiel.
[18] Laaser C.F., Rosenschon A. (2020). Kieler Subventionsbericht 2020: Subventionen auf dem Vormarsch. IfW Kiel. * Schätzungen ohne das fiskalische Corona-Konjunkturpaket.
[19] Kullas M., Rudolph K. (2020). Umverteilung durch die EU und den horizontalen Länderfinanzausgleich in Deutschland. cep.
[24] ifo Institut. (2021). Ifo Konjunkturprognose Winter 2020: Das Coronavirus schlägt zurück – erneuter Shutdown bremst Konjunktur ein zweites Mal aus.
[25] Felbermayr G. (2019). Brexit: A Hard-but-Smart Strategy and Its Consequences. IfW Kiel.
[26] ifo Institut (2018). Ökonomische Auswirkungen des Brexit für Bayern und Oberbayern.
[27] Government of Finland (2020). Carbon Border Adjustment Mechanisms and Their Economic Impact on Finland and the EU.
[28] ifo Institut (2018) Die Besteuerung der Digitalwirtschaft: Zu den ökonomischen und fiskalischen Auswirkungen der EU-Digitalsteuer.
[29] Lobbyfacts (2020). Lobbying expenses of companies in Brussels.
[30] Sinn H.W. (2020). Corona und die wundersame Geldvermehrung in Europa. ifo Institut.