Politik

Geimpfte Israelis erhalten «Grünen Pass» und können wieder am Leben teilnehmen

In Israel haben sich Hunderttausende Bürger bereuts den digitalen Impfnachweis beschafft und dürfen jetzt wieder ins Theater, ins Schwimmbad und ins Fitnessstudio. Ungeimpfte sind klar im Nachteil.
24.02.2021 10:28
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Geimpfte Israelis erhalten «Grünen Pass» und können wieder am Leben teilnehmen
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hält ein Smartphone mit der geöffneten App des Grünen Passes. (Foto: dpa) Foto: Tal Shahar

Sogar in Israel kann es im Winter kühl werden. Gut ein Dutzend Unerschrockene hält das an diesem Morgen jedoch nicht davon ab, im berühmten, direkt an der Promenade von Tel Aviv gelegenen Gordon-Schwimmbad ihre Bahnen zu ziehen. Und minütlich bekommen sie mehr Gesellschaft - dank eines neuen Instruments in der Corona-Krise.

«Allein am Sonntag haben rund 1000 Menschen ihre Mitgliedschaft erneuert», sagt Ofer Bachenheimer, der die technischen Abläufe des Pools überwacht. Er strahlt, als er von diesem Ansturm berichtet. Kein Wunder: Das Schwimmbad hatte seit Mitte August coronabedingt geschlossen, erst seit Sonntag darf es wieder Besucher empfangen.

Möglich wurde die Wiedereröffnung durch den sogenannten Grünen Pass. Corona-Geimpfte und -Genesene erhalten durch ihn schneller mehr Grundrechte zurück. So dürfen Träger des Ausweises Fitnessstudios, Hotels, Theater oder eben Schwimmbäder besuchen. Auch Beschränkungen für Ungeimpfte wurden aufgehoben, aber längst nicht so viele. Egal ob mit oder ohne Ausweis: Hygiene- und Abstandsregeln müssen weiterhin eingehalten werden.

Nur wer seinen «Grünen Pass» vorzeigen kann, darf nach einem Datenabgleich per Computer seine Mitgliedschaft erneuern und seine Bahnen im Gordon-Schwimmbad ziehen. Einige Mitglieder, die sich nicht impfen lassen wollten, seien sauer gewesen, fühlten sich diskriminiert, sagt Bachenheimer. Aber da sei nichts zu machen. «Wir halten uns an die Regeln.»

Nicht nur einige Hobby-Schwimmer, auch viele andere Impfgegner fühlen sich ungerecht behandelt. Manche von ihnen kritisieren die Vorteile, die der Pass bietet, auch als illegitimes Druckmittel seitens der Regierung. Hitzig diskutiert wird darüber vor allem in sozialen Netzwerken, ansonsten nimmt die Debatte aber nicht so große Dimensionen an wie etwa in Deutschland.

Israels Regierung will so schnell wie möglich so viele Menschen wie möglich impfen, um die Corona-Krise hinter sich zu lassen. Der «Grüne Pass», den jeder Genesene oder Geimpfte eine Woche nach der zweiten Spritze per App nachweisen oder aus dem Internet herunterladen und ausdrucken kann, dient dabei als besonderer Anreiz. Er ist auch mit Einreiseerleichterungen verbunden - den meisten Israelis ist das Reisen seit Pandemiebeginn nur in Ausnahmefällen möglich gewesen.

Nach offiziellen Angaben erhielten seit Beginn der Impfkampagne kurz vor Weihnachten etwa 4,5 Millionen Menschen die Erst- und mehr als drei Millionen die Zweitimpfung. Israel hat rund 9,3 Millionen Einwohner. Davon sind 6,4 Millionen über 16 Jahre alt, nur sie können geimpft werden. Rund 755.000 Israelis gelten als genesen von einer Corona-Erkrankung.

Um Unentschlossene noch zu erreichen, lassen sich die Verantwortlichen immer kreativere Ideen einfallen. Wer sich eine Spritze verabreichen lässt, bekommt dafür schon einmal Pizza oder Hummus als «Belohnung». Geimpft wird in Israel zudem gelegentlich auch abends in Bars. Sogar in den fünf Ikea-Filialen des Landes war dies zuletzt kurzzeitig möglich. Insgesamt 500 Menschen ließen sich dort am Sonntag und Montag impfen, wie ein Sprecher des Rettungsdienstes Magen David Adom sagt.

Der Erfolg der Kampagne stützt sich vor allem auf das digitalisierte Gesundheitswesen und ausreichend zur Verfügung stehenden Impfstoff. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verständigte sich mit dem Hersteller Pfizer auf einen Deal, der vereinfacht lautet: Die Firma stellt die Versorgung mit Impfstoff sicher, das Land liefert dafür Daten zur Impfkampagne, die Aufschluss geben über die Wirksamkeit des Präparats.

Der Aufschrei wegen Datenschutzbedenken fiel dabei in etwa so laut aus wie die Empörung über Nachteile für Ungeimpfte durch den «Grünen Pass». Zuletzt sorgten aber eher Startschwierigkeiten beim Herunterladen von App und Pass für Aufregung. So stürzte die «Ramzor» genannte App bei manchen Anwendern immer wieder ab.

Für Rona Kaiser, die im Gesundheitsministerium die Digital-Abteilung leitet und dort verantwortlich ist für alle Internetseiten und Apps, sind dies «übliche Probleme» einer neuen App. Seit Sonntag habe es vier neue Versionen gegeben, «nun scheint alles sehr gut zu laufen». Nach Kaisers Angaben luden bislang mehr als 500.000 Menschen die App herunter, über 400.000 weitere erstellten sich den «Grünen Pass» über das Internet. Eine der Hauptaufgaben sei es gewesen, eine Balance zwischen Fälschungssicherheit und Benutzerfreundlichkeit zu finden.

Berichte über mangelnde Fälschungssicherheit des Passes hatten zuletzt für Aufsehen gesorgt. Saftige Strafen sollen Betrugsversuche unterbinden. Gesundheitsminister Juli Edelstein droht sogar mit Haft. Tricksenden Gästen des Gordon-Schwimmbads winkt laut Ofer Bachenheimer eine weitere Strafe: der Entzug der Mitgliedschaft - und damit Badeverbot.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Nawrocki besucht Berlin – Bundesregierung weist Reparationsforderungen zurück
16.09.2025

Polens neuer rechtskonservativer Präsident Karol Nawrocki ist zu seinem Antrittsbesuch in Berlin eingetroffen. Dabei könnte es zu...

DWN
Immobilien
Immobilien Smart Cities in Europa: Warum die urbane Zukunft mehr als IT braucht
16.09.2025

Smart Cities gelten als Schlüssel für die urbane Zukunft – doch ohne klare Strategie und Bürgerbeteiligung bleiben sie Stückwerk....

DWN
Politik
Politik EU-Datengesetz: Smart-TV bis E-Bike - mit Data Act haben Nutzer neue Rechte
16.09.2025

Der Data Act der EU sieht seit dem 12. September 2025 vor, dass Hersteller Zugang zu den gespeicherten Daten vernetzter Geräte gewähren...

DWN
Politik
Politik Sondergipfel in Katar: Forderung nach internationalem Waffenembargo gegen Israel
15.09.2025

Der Sondergipfel in Katar hat mit scharfer Kritik auf das israelische Vorgehen reagiert. Mehrere Staaten der Region erklärten ihre...

DWN
Politik
Politik UN-Kritik: Israel zielt auf Journalisten um eigene Gräueltaten zu vertuschen
15.09.2025

252 Reporter sind in gut zweieinhalb Jahren im Gazastreifen getötet worden. Diese Zahl sei kein Zufall, meinen Menschenrechtsexperten und...

DWN
Politik
Politik Elektroautos: Autofahrer revoltieren gegen Brüsseler Kurs
15.09.2025

Subventionen statt Innovation: Während China den Markt dominiert, setzt die EU auf Elektroautos um jeden Preis. Für Autofahrer und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Apothekennetz schrumpft - Branche verlangt Reform
15.09.2025

In Deutschland schließen immer mehr Apotheken: Allein im ersten Halbjahr sank die Zahl der Standorte um 238 auf 16.803. Damit hat in den...

DWN
Technologie
Technologie Klage gegen Google: Streit um KI-Zusammenfassungen
15.09.2025

Der US-Medienkonzern Penske Media, zu dem Titel wie Rolling Stone und Hollywood Reporter gehören, hat Google wegen seiner neuen...