Die Türkei hat Marinesoldaten aus der EU erneut an der Kontrolle des UN-Waffenembargos gegen Libyen gehindert. Wie der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) am Donnerstag nach einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur bestätigte, blockierte das Außenministerium in Ankara im Februar per Veto die Durchsuchung von zwei Handelsschiffen, die in Verdacht stehen, für illegale Transporte in das nordafrikanische Land genutzt zu werden. Beide waren unter türkischer Flagge im Mittelmeer unterwegs und durften deswegen nicht gegen den Willen der türkischen Behörden inspiziert werden.
Den Angaben des EAD zufolge ereigneten sich die Fälle am Sonntag und am Montag der vergangenen Woche. Bereits im November war es wegen des EU-Einsatzes zur Waffenembargo-Kontrolle zu einem Eklat gekommen. Damals erzwang die Türkei den Abbruch einer bereits begonnenen Durchsuchung eines Containerschiffes durch deutsche Marinesoldaten und warf der Bundesregierung und der EU im Anschluss rechtswidriges Verhalten vor.
Als Grund für das türkische Vorgehen gilt, dass die Regierung in Ankara befürchtet, dass die EU-Operation im Mittelmeer einseitig zum Nachteil der von ihr unterstützen Konfliktpartei in Libyen sein könnte. Zudem wird vermutet, dass die türkische Regierung selbst in Waffentransporte verwickelt ist. Die EU hatte so bereits im September Sanktionen gegen ein türkisches Unternehmen verhängt, das am Transport von Kriegsmaterial beteiligt gewesen sein soll.
Weitere Strafmaßnahmen wurden gegen Unternehmen aus Jordanien und Kasachstan erlassen. Staaten wie Jordanien wird vorgeworfen, den mächtigen Söldner-General Chalifa Haftar zu unterstützen. Dieser ist Gegner der von der Türkei unterstützen Kräfte in Libyen. Die EU betont auch deswegen immer wieder, dass die «Irini» genannte Operation vollkommen unparteiisch sei und ruft alle Staaten auf, die Inspektion von unter ihrer Flagge fahrenden Frachtern nicht zu blockieren. «Wir erwarten, dass alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen die Resolution 2292 (2016) und die nachfolgenden Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zum Waffenembargo gegen Libyen einhalten - einschließlich der Forderung an alle Flaggenstaaten, bei Inspektionen zu kooperieren», sagte EAD-Sprecher Peter Stano der dpa zu den jüngsten Blockaden der Türkei.
Bundesmarine schickt Schiff ins Mittelmeer
Deutschland wird an diesem Freitag wieder ein Bundeswehrschiff für den EU-Einsatz ins Mittelmeer schicken. An Bord der «Berlin» werden etwa 220 Soldatinnen und Soldaten sein. Für Länder wie Deutschland ist eine Lösung des Libyenkonflikts auch deswegen wichtig, weil die Zustände in dem Land das Geschäft von Schlepperbanden begünstigen, die Migranten illegal über das Mittelmeer nach Europa bringen.
Zuletzt hatte die Bundeswehr sich von August bis Dezember vergangenen Jahres mit einem Schiff am EU-Einsatz «Irini» beteiligt. Die Besatzung der Fregatte «Hamburg» stoppte damals unter anderem einen Tanker, der illegal Kerosin nach Libyen bringen sollte. Derzeit ist Deutschland mit einem Seefernaufklärungsflugzeug des Typs P-3C Orion an dem EU-Einsatz beteiligt.
Der Einsatzgruppenversorger «Berlin» soll den derzeitigen Planungen zufolge am Freitag um 16.00 Uhr in Wilhelmshaven auslaufen. Das mehr als 170 Meter lange Multifunktionsschiff wird dann Mitte des Monats im Einsatzgebiet erwartet. Zur Besatzung gehört auch ein elfköpfiges Boardingteam aus Litauen. Es ist darauf spezialisiert, sich von Hubschraubern aus auf andere Schiffe abzuseilen oder diese mit Speedbooten anzusteuern, um dann die Ladung zu inspizieren.
Wahl einer neuen Übergangsregierung
Vorwürfe von UN-Experten über Bestechungen bei der Wahl der neuen libyschen Übergangsregierung werfen einen Schatten auf den Friedensprozess im Land. «Während der ersten Runde des von den Vereinten Nationen organisierten Libyschen Forums für den politischen Dialog Anfang November 2020 stellte das Gremium fest, dass mindestens drei Teilnehmern Bestechungsgelder angeboten wurden, um für einen bestimmten Kandidaten als Premierminister zu stimmen», heißt es in dem Bericht nach Angaben aus Diplomatenkreisen gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Bei diesem Kandidaten habe es sich um den designierten Ministerpräsidenten Abdul Hamid Dbaiba gehandelt, berichtete eine weitere Quelle. Zwei Beteiligte sollen demnach zwischen 150 000 und 200 000 US-Dollar geboten haben, um Stimmen für Dbaiba zu sichern. Die drei Personen hätten die Angebote jedoch «kategorisch» abgelehnt. Es liegt dabei nahe, dass auch weitere der Dutzenden Teilnehmer entsprechende Angebote bekommen haben.
Das libysche Dialogforum hatte Dbaiba Anfang Februar zum Chef einer neuen Übergangsregierung bestimmt. Diese soll die beiden Regierungen ablösen, die bisher in dem nordafrikanischen Stellvertreterkriegsland um die Macht konkurrieren. Der knappe Sieg des bis dato kaum öffentlich in Erscheinung getretenen Geschäftsmannes über andere politische Schwergewichte kam dabei für viele überraschend. Dbaibas Wahl könnte vor diesem Hintergrund aber auch eine Chance für einen politischen Neuanfang in Libyen sein, wenn dieser weder mit den Kräften der Regierung in Tripolis noch mit den Zirkeln um General Haftar in Verbindung stünde.
UN-Sprecher Stéphane Dujarric sagte am Montag in New York über die Bestechungsberichte: «Mein Kommentar ist, dass wir uns gegen Korruption aussprechen und alle libyschen politischen Führer ermutigen würden, das Verfahren auf eine Weise zu verfolgen, die den Willen der libyschen Bevölkerung widerspiegelt.» Die Vereinten Nationen würden sich die Vorwürfe genau anschauen.
Libyen war nach einem erfolgreichen Aufstand gegen Präsident Gadaffi, welcher mit Bombardierungen seitens der USA, Großbritanniens und Frankreichs entscheidend unterstützt wurde, im Jahr 2011 ins Chaos abgeglitten und gilt heute als gescheiterter Staat.