Technologie

Rückkehr zur Atomkraft? - Rolls-Royce entwickelt Mini-Kernreaktoren

Eine Kooperation unter Führung von Rolls-Royce investiert mehrere hundert Millionen Euro in die Produktion von kleinen modularen Kernreaktoren. Diese sollen flächendeckend eine billige Stromversorgung bereitstellen und zugleich das Klima retten.
11.11.2021 10:01
Aktualisiert: 11.11.2021 10:01
Lesezeit: 4 min
Rückkehr zur Atomkraft? - Rolls-Royce entwickelt Mini-Kernreaktoren
Ein einziger kleiner modularer Reaktor kann etwa eine Million Haushalte mit Strom versorgen. (Foto: Rolls-Royce)

Der britische Konzern Rolls-Royce investiert massiv in die erwartete Renaissance der Atomkraft. Laut einer Pressemitteilung hat das Unternehmen hat eine dreistellige Millionensumme aufgebracht, um die "Kernkraft der nächsten Generation" zu finanzieren. Rolls-Royce, BNF Resources UK Limited und Exelon Generation werden kleine modulare Kernreaktoren (Small Modular Reactor, SMR) entwickeln. Diese werden in Großbritannien produziert, um dort das Ziel von "netto null" zu erreichen, sollen aber auch exportiert werden.

Rolls-Royce wird nun "zügig mit einer Reihe von parallelen Lieferaktivitäten fortfahren", so die Pressemitteilung. Man werde nun etwa darüber entscheiden, wo die Fabriken zur Herstellung der Module entstehen sollen, aus denen die Mini-Kraftwerke vor Ort montiert werden sollen. Doch offenbar zeigt nicht nur Großbritannien Interesse. "Rolls-Royce SMR steht in Kontakt mit Exportkunden auf vielen Kontinenten, die diese Technologie benötigen, um ihre eigenen Netto-Null-Verpflichtungen zu erfüllen."

Ein Großteil der Investitionen soll in den Norden des Landes fließen wird, wo bereits ein erhebliches Know-how im Bereich Kernenergie vorhanden ist. Ein einziges SMR-Kraftwerk hat die Fläche von zwei Fußballfeldern und kann etwa eine Million Haushalte mit Strom versorgen. Es kann zudem eine Reihe von netzunabhängigen Energielösungen unterstützen, um die Dekarbonisierung von Industrieprozessen und die Produktion von sauberen Kraftstoffen wie nachhaltigen Flugkraftstoffen und grünem Wasserstoff zu ermöglichen.

Rolls-Royce ist seit dem Beginn des britischen Atom-U-Boot-Programms in den 1950er Jahren als Konstrukteur von Kernreaktoranlagen tätig. Rolls-Royce SMR wird auf Standard-Kernenergietechnik zurückgreifen, die bereits in 400 Reaktoren auf der ganzen Welt eingesetzt wird. Ein einziges Kraftwerk wird nur etwa ein Zehntel der Fläche eines konventionellen Kernkraftwerks einnehmen und etwa eine Million Haushalte mit Strom versorgen können.

Ein Kraftwerk wird eine Kapazität von 470 Megawatt kohlenstoffarmer Energie erzeugen, was mehr als 150 Onshore-Windturbinen entspricht. Es wird über einen Zeitraum von mindestens 60 Jahren eine konstante Grundlasterzeugung liefern und so den Ausbau der erneuerbaren Energien unterstützen und zur Überwindung von Schwankungen beitragen. Wenn das SMR-Geschäft von Rolls-Royce vollständig in Betrieb ist, werden bis 2050 voraussichtlich 40.000 regionale britische Arbeitsplätze geschaffen und ein wirtschaftlicher Nutzen von 52 Milliarden Pfund erzielt.

Stimmen

Warren East, CEO von Rolls-Royce, sagte: "Mit der SMR-Technologie von Rolls-Royce haben wir eine saubere Energielösung entwickelt, die kostengünstige und skalierbare Netto-Null-Energie für zahlreiche Anwendungen liefern kann, von der Stromerzeugung im Netz und in der Industrie bis hin zur Herstellung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen. Das Unternehmen könnte durch den Einsatz im Vereinigten Königreich und durch exportorientiertes Wachstum bis zu 40.000 Arbeitsplätze schaffen."

Großbritanniens Minister für Wirtschaft und Energie, Kwasi Kwarteng, sagte: "Dies ist eine einmalige Gelegenheit für das Vereinigte Königreich, mehr kohlenstoffarme Energie als je zuvor einzusetzen und eine größere Energieunabhängigkeit zu gewährleisten. Kleine modulare Reaktoren bieten aufregende Möglichkeiten, Kosten zu senken und schneller zu bauen, sodass wir sauberen Strom in die Häuser der Menschen bringen und unseren bereits schwindenden Verbrauch an unbeständigen fossilen Brennstoffen noch weiter senken können."

Weiter sagte der Minister: "Bei der Zusammenarbeit mit Rolls-Royce sind wir stolz darauf, die größte technische Zusammenarbeit zu unterstützen, die Großbritannien je gesehen hat, und einige der angesehensten und innovativsten Unternehmen der Welt zu vereinen. Wir können nicht nur den britischen Anteil maximieren, neues geistiges Eigentum schaffen und die Lieferketten neu beleben, sondern unser Land auch als weltweit führenden Anbieter innovativer Nukleartechnologien positionieren, die wir potenziell auch in andere Länder exportieren können."

Tom Samson, CEO von Rolls-Royce SMR, sagte: "Unser innovativer Ansatz für die Bereitstellung von Kernenergie, der auf vorhersehbaren, fabrikgefertigten Komponenten basiert, ist einzigartig, und die Kerntechnologie ist bewährt. Investoren sehen eine enorme Chance, das Vereinigte Königreich durch stabile Grundlast-Kernkraft zu dekarbonisieren und darüber hinaus einen lebenswichtigen Exportbedarf zu erfüllen, da Länder die Kernenergie als eine Möglichkeit zur Dekarbonisierung erkennen."

Paul Stein, Chief Technology Officer, Rolls-Royce und Vorsitzender von Rolls-Royce SMR, sagte: "Mit der Gründung dieses Unternehmens übernehmen Rolls-Royce, BNF Capital und Exelon eine Führungsrolle bei der Beschleunigung unseres Weges in eine Zukunft ohne fossile Brennstoffe. Die globale Dekarbonisierung war noch nie so wichtig wie heute, und wir bringen jahrzehntelange Erfahrung in der Präzisionsfertigung und in der Kernenergie mit und ergänzen damit die Kompetenzen unserer Partner."

Hintergrund

In der vergangenen Woche hat die geschäftsführende Bundesumweltministerin Svenja Schulze gesagt, es werde keine Renaissance der Atomkraft in Deutschland geben. Die Technologie sei "viel zu gefährlich, viel zu teuer und viel zu langsam ist, um beim Klimaschutz auch nur irgendwas zur Lösung beizutragen", sagte die noch amtierende SPD-Ministerin, die derzeit auch in die laufenden Koalitionsverhandlungen der drei Ampelparteien eingebunden ist.

Doch zuletzt hat es verstärkt Diskussionen über ein mögliches Wiederaufleben der Kernenergie in Deutschland gegeben. Erste Bürgerinitiativen fordern eine Rückkehr zur Atomkraft in Deutschland. Angesichts hoher Energiekosten werfen sie der Politik einen Irrweg in der Klima- und Energiepolitik vor und fordern, die sechs noch verbleibenden Atomkraftwerke noch so lange am Netz zu lassen, bis die Strommenge durch Erneuerbare Energien und Gaskraftwerke ersetzt werden kann.

Schon seit geraumer Zeit deutet sich in der Öffentlichkeit eine vorsichtige Imageverschiebung im Hinblick auf die Atomkraft an. Zahlreiche Beobachter der Energiewende haben darauf hingewiesen, dass ein gleichzeitiger Ausstieg aus Atom und Kohle die Versorgungssicherheit in Deutschland massiv gefährden würde. Infolge der Fokussierung auf Windkraft und Solarenergie zeigen sich sich an dunklen oder windarmen Tagen regelmäßig Lücken in der Stromversorgung.

Zuletzt hatten sieben EU-Mitgliedsstaaten, darunter Frankreich und Polen, auf europäischer Ebene für Erhalt, Ausbau und gezielte Förderung der Nuklearenergie durch die Europäische Union geworben. Unterstützung erhielten sie dabei vom amerikanischen Tech-Oligarchen Bill Gates. Polen hatte den Bau sechs neuer Reaktoren angekündigt. Russland überzieht derzeit die Welt mit neuen Atomkraftwerken im Auftragswert von 130 Milliarden Dollar.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fetter Profit in Sicht – oder frisst Trump Novo Nordisk auf?
30.05.2025

Novo Nordisk träumt von einer Gewinnverdopplung mit Abnehmspritzen – doch Billigkopien, Trump-Zölle und eine wacklige Pipeline könnten...

DWN
Panorama
Panorama Deutsche Urlauber auf Platz eins in Griechenland
30.05.2025

Sonne satt, blauer Himmel, Strand und Meer - deutsche Touristen lieben Griechenland. Für Hellas sind sie die größte und wichtigste...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Osttechnik unter Westregie: Wie Multicar im Hako-Verbund zur Hightech-Marke wurde
30.05.2025

Sie fegen, sie wischen, sie räumen: Die orangefarbenen Mini-Lkw von Multicar sind aus deutschen Kommunen kaum wegzudenken. Dass sie heute...

DWN
Politik
Politik Deutschland vor dem Absturz – Kann Merz die Wirtschaft noch retten?
30.05.2025

Die deutsche Wirtschaft taumelt – Investitionen versanden in Bürokratie, Fachkräfte fehlen, die Industrie verliert an Schlagkraft....

DWN
Finanzen
Finanzen 10.000 Euro investieren: Wie man mit Strategie ein stabiles Anlageportfolio aufbaut
30.05.2025

Wie lege ich 10.000 Euro sinnvoll an? Wir haben einige Finanzexperten befragt und diese sagen: Risiken streuen, Liquidität sichern, Trends...

DWN
Politik
Politik Steigende Beiträge und sinkende Nettoeinkommen: Was auf Arbeitnehmer zukommen könnte
30.05.2025

Die Rechnung für den deutschen Sozialstaat wird teurer – viel teurer. Während die neue Regierungskoalition noch ihre Pläne schmiedet,...

DWN
Politik
Politik Geheime Kriegsagenda: EU startet 150-Milliarden-Rüstungsfonds
30.05.2025

Ohne öffentliche Debatte, ohne Mitsprache des EU-Parlaments: Brüssel aktiviert im Eiltempo ein 150-Milliarden-Euro-Programm zur...

DWN
Finanzen
Finanzen Weltsparen-Studie: Sind Aktien bessere Wertanlagen als Immobilien?
30.05.2025

Lange Zeit galten Immobilien als eine sichere Kapitalanlage. Über viele Jahre hinweg bricht der Wert des Markts nicht ein, wiegt die...