Am 1. September hatte ich in den DWN die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht bald nach der Bundestagswahl prophezeit, obwohl das damals in weiten Kreisen noch als sehr unwahrscheinlich galt. Doch jetzt hat der designierte Kanzler - noch vor seiner parlamentarischen Wahl - das Vorhaben eines entsprechenden Projekts angekündigt. Er tat das just an jenem 30. November, an dem das nachträglich absegnende Urteil des Bundesverfassungsgerichts betreffs früherer Corona-Ausgangs- und Kontaktsperren erging. Die Tendenz dieses Urteils lässt vermuten, dass auch eine gesetzliche oder verordnete allgemeine Impfpflicht in Deutschland höchstrichterlich bejaht werden wird. Denn als maßgeblich gelten da der angeführte Lebens- und Gesundheitsschutz sowie die „Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems“ als überragend wichtige Gemeinwohl-Belange. Prompt wird also jetzt unverhohlen eine generelle Impfpflicht angestrebt – und zwar inhaltlich sogar mit einer Wiederholungsimpfpflicht! Olaf Scholz schlägt vor, die Abgeordneten von der Fraktionsdisziplin zu entbinden, also tatsächlich individuell nach ihrem Gewissen entscheiden zu lassen wie in anderen Fällen ethischer Fragen von Rang auch. Was aber bedeutet in diesem Zusammenhang eine solch folgenreiche Gewissensentscheidung?
Im Begriff „Gewissen“ steckt das Wort „Wissen“, und das lateinische Äquivalent conscientia bedeutet wörtlich „Zusammenwissen“. Ganzheitlich könnte man sagen: Es geht bei Gewissensentscheidungen um die umsichtige und gemeinsame Berücksichtigung grundlegender Faktoren. Theologisch gesehen wäre das spirituelle Miteinander von Gott, Welt und Ich im Selbstbewusstsein konstitutiv für einen tragfähigen Gewissensbefund. Hingegen wären einseitig aufgenommenes „Wissen“, vorsortierte Erkenntnis oder reduktionistische Berücksichtigung von „Fakten“ Anzeichen für ein korrumpiertes Gewissen.
Sollen Abgeordnete in Kürze über eine wichtige ethische Frage frei nach ihrem Gewissen entscheiden, so wäre dafür zu fordern, dass sie möglichst umfassend und keinesfalls einseitig über den betreffenden Sachverhalt informiert sind. Das aber ist offenbar in Sachen allgemeiner Impfpflicht keineswegs selbstverständlich. Denn nicht nur die Gesellschaft erweist sich in dieser Frage als gespalten, sondern auch die Wissenslage – und beides hat miteinander zu tun. Drei Parteiungen lassen sich ausmachen: Zum ersten sind da die Impfpflicht-Befürworter, die mittlerweile die dominante Mehrheit ausmachen. Deren Argumente bekommt man in den öffentlichen Medien laufend zu hören – insbesondere das Stichwort „Solidarität“ als moralisierendes Argument, wie es sich beispielsweise auch die neue EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus zu eigen gemacht hat. Zweitens gibt es die sogenannten Impf-Skeptiker, die ihrerseits sachlich zu argumentieren pflegen, aber in den öffentlichen Medien deutlich weniger zu Worte kommen, wie etwa der Medizinethiker Prof. Axel Bauer. Und drittens machen die radikalen, mitunter verschwörungstheoretisch gepolten Impfgegner von sich reden; sie bewegen sich argumentativ fast ausschließlich in ihren eigenen Zirkeln. Zu ihren teils recht abstrusen „Erzählungen“ oder „Mythen“ zählt neuerdings sogar ein Buch von Thomas Mayer mit dem Titel „Corona-Impfungen aus spiritueller Sicht“, demzufolge die Auswirkungen bis hinein in „das nachtodliche Leben“ reichen! Damit wird mit hochproblematischen Argumenten Angst verbreitet.
Inzwischen aber wird kaum noch gefragt, wie es sein konnte, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel einst im Einklang mit anderen führenden Politikern ausdrücklich garantiert hat, in dieser Pandemie werde keine generelle Impfpflicht kommen. Wohlgemerkt, sie hatte das uneingeschränkt erklärt, weil sie sich einen entsprechend harten Eingriff in die Grundrechte offenbar überhaupt nicht vorzustellen wagte – auch nicht unter kaum von vornherein auszuschließenden epidemiologischen Zuspitzungen! Wie konnte es also geschehen, dass die Wahrheit und das Gewissensempfinden von gestern heute offenbar mehrheitlich Makulatur ist? Dass man sich noch vor zwei Monaten überwiegend kaum ausmalen wollte, das Bundesverfassungsgericht werde zu einer allgemeinen Impfpflicht Ja sagen, während inzwischen die Stimmung – nicht zuletzt unter dem Einfluss von meist auffällig einseitig besetzten und geleiteten Talkshows in ungefähr allen großen Sendern – weithin gekippt ist? Schützt denn das Grundgesetz nicht gerade Minderheiten? Würde eine hochgradige indirekte Impfpflicht nicht genügen? Warum müssen ausgerechnet Deutschland und Österreich die ersten Länder in Europa sein, die eine generelle Impfpflicht verordnen wollen, obwohl namentlich Deutschland keineswegs im Spitzenfeld der europäischen Inzidenzen liegt? Nicht einmal in der so strengen Volksrepublik China besteht eine allgemeine Impfpflicht!
In den USA stürmt derzeit ein Buch von Robert F. Kennedy Jr. die Bestsellerlisten: Es zeigt detailliert auf, wie Anthony Fauci, Bill Gates und andere einflussreiche Größen ihre Kontrolle über Medien, wissenschaftliche Fachzeitschriften und wichtige staatliche Einrichtungen nutzten, um Kritiker einer rigorosen Impfpolitik zum Schweigen zu bringen. In Deutschland, wo jenes Buch im Februar erscheinen wird, hat der Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, betont, es gelte für die an Entscheidungen Beteiligten, die Karten auf den Tisch zu legen und für Transparenz hinsichtlich bestehender und kommender Problemstellungen zu sorgen[i].
Steht im Bundestag bis Weihnachten eine Abstimmung über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht, ja einer Wiederholungsimpfpflicht, also über einen sehr schweren Eingriff in die Grundrechte an, so ist Transparenz und breite Wissensorientierung in der Sache die eigentlich unabdingbare Voraussetzung für wirklich gewissenhafte Entscheidungen. Nicht Verschwörungs-Mythen dürfen da von Einfluss sein, aber auch keine Monopolauskünfte bestimmter Wissenschaftler, während politisch eher unwillkommene Resultate aus universitärer Forschung unter den Tisch gekehrt werden. Darum ist es jetzt enorm wichtig, neuere, wissenschaftlich seriöse Studienergebnisse öffentlich und auch im Bundestag mit zu bedenken, die gerade deshalb im Interesse der Allgemeinheit Gehör verdienen, weil sie Kernprobleme der bisherigen Impfstoffe kritisch benennen. Denn eine vielleicht anderslautende Mehrheitsmeinung in der Wissenschaft ist noch keine Garantie auf Wahrheit – zumal in Zeiten immer offenkundigerer Fremdeinflüsse auf viele wissenschaftliche Forschungsergebnisse.
Im Oktober haben Hui Jiang und Ya-Fang Mei mit einer von Geldgebern explizit unbeeinflussten Corona-Studie nachgewiesen, dass die DNA-Reparatur im Zellkern durch das vollständige Spike-Protein – und zwar auch durch künstlich erzeugte Spike-Proteine – gehemmt wird[ii]. Zu ihrer Überraschung fanden die Forscher das Spike-Protein nicht nur im Zellinneren, sondern auch im Zellkern selbst – sogar mehr als in der Zellmembran. Sie unterstreichen von daher die Möglichkeit von Nebenwirkungen und bedenklichen Folgen solcher Impfstoffe. Allerdings belegt ihre lediglich im Labor (in-vitro) erfolgte Forschung keineswegs eindeutig, dass mRNA-Gentherapien im menschlichen Körper zwangsläufig die DNA-Reparaturfunktion stören und zu Immunschwäche oder Krebserkrankungen führen[iii]. Doch ist damit eben diese düstere Möglichkeit durchaus eröffnet, weshalb tatsächlich erst die Langzeitperspektive mehr Klarheit bringen kann.
In ähnliche, noch bedenklichere Richtung weist jetzt ein Forschungsergebnis aus der Universität Stockholm: Eine peer-review-überprüfte Studie zeigt auf, dass das Spike-Protein von SARS-CoV-2 in den Zellkern eindringen und dort die Fähigkeit der DNA zur Selbstreparatur schädigen kann[iv]. Darin sehen die Wissenschaftler nicht nur eine mögliche Erklärung für schwere COVID-19-Infektionen, sondern auch für eventuelle Nebenwirkungen der aktuellen Impfstoffe, die die Produktion von Spike-Proteinen anregen. Von daher schlagen sie vor, bei Impfstoffen anstelle des vollständigen Proteins nur noch bestimmte Teile des Spike-Proteins zu verwenden. So könnten neue Strategien für Impfungen entwickelt werden, die wirksamer und sicherer sein dürften.
Diese Forschungsresultate und Perspektiven sollten Bundestagsabgeordnete gewissenhaft zur Kenntnis nehmen und abwägend einbeziehen, wenn sie demnächst über die Frage einer allgemeinen Impfpflicht abzustimmen haben. Schließlich geht es dann nicht darum, Impfgegner um die von ihnen angeblich beanspruchten „Sonderrechte“ – so der Grünen-Politiker Cem Özdemir in unsachlicher Polemik – zu bringen, sondern Impfskeptikern ihre Grundrechte möglichst weiterhin zuzugestehen und im Miteinander darum zu ringen, die Allgemeinheit vor falschen Wegen zu bewahren. Zurecht warnt aktuell der Ökonom Marcel Fratzscher, die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht würde unsere Gesellschaft noch stärker polarisieren, und eine Impf-Kampagne, die ausschließlich auf mehr Druck und Zwang setze, könnte ihre Ziele verfehlen[v]. Ähnlich mahnte bereits in der „Tagesschau“ am 23. November ein Kommentar von Thomas Berbner: „Ausgrenzung und Zwang sind der falsche Weg.“[vi] Und der Jurist und einstige Innenminister Otto Schily (SPD) betonte am 2. Dezember: „In einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie darf sich der Staat nicht anmaßen, dem einzelnen Menschen eine bestimmte ärztliche Behandlung aufzuzwingen, das gilt umso mehr angesichts der Tatsache, dass es sich um neu entwickelte Impfmethoden handelt, deren Langzeitfolgen nach einem relativ kurzen Zeitabschnitt der Anwendung keineswegs abschließend verlässlich beurteilt werden können. Eine allgemeine Impfpflicht ist schlicht verfassungswidrig.“[vii] Gleichwohl bleibt zu berücksichtigen, dass von Seiten des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte keine Einwände gegen die nationale Einführung einer eigenen Impfpflicht bestehen[viii].
Und es sieht ganz so aus, als würde dieser Weg jetzt in Deutschland radikal eingeschlagen – wobei nicht zuletzt psychologische Faktoren eine kaum zu verkennende Rolle spielen. Mittels keineswegs klarer Zahlen werden Ungeimpfte pauschal zum Sündenbock für die anhaltende Pandemie erklärt. Wäre aber eine Impfpflicht, die mit Strafandrohungen gegen die auf ihre Grundrechte Bestehenden durchgesetzt wird, wirklich moralisch gut zu heißen? Würde sie nicht Millionen Bürgerinnen und Bürger ihrem Staat entfremden und, ihre Meinungsfreiheit missachtend, in die Verzweiflung, ja zum Teil vielleicht in die Armut treiben? Und womöglich vermehrt auch in die politische Radikalität? Der Theologe Joachim Cochlovius mahnt: „Christen müssen wachsam sein, wenn der Staat beginnt, die ihnen durch das Grundgesetz zustehenden Freiheitsrechte einzuschränken.“[ix]
Rechtfertigt denn der Wunsch nach Vermeidung eines neuen Lockdowns, wie der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft behauptet, die Einschränkung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit? Geht es insgeheim um finanzielle Interessen?[x] Wäre nicht vielmehr der breite Nutzen der Impfung mit ihrem womöglich doch breiten Schaden auf längere Sicht noch gewissenhafter abzuwägen? Ich meine, es sind noch keineswegs alle Argumente ausgetauscht, und man müsste erst noch intensiver darüber forschen, ob nicht vielleicht die Kombination von ständig zu erneuernder Impf-Immunflucht und dominanter Zirkulation hochinfektiöser Varianten eine ungewollte Beschleunigung der Virus-Resistenzen zur Folge haben könnte. Politische Entscheider wären gut beraten, sich mit der eventuellen Einführung einer allgemeinen Impfpflicht noch Zeit zu lassen – zumal klar ist, dass die derzeitige vierte Corona-Welle ohnehin durch eine Impfpflicht, deren eilige Umsetzung sowieso unrealistisch wäre, nicht mehr gestoppt werden kann. Bekanntlich flaut eine Corona-Welle in der warmen Jahreszeit ab: Auch deshalb wäre es einigermaßen abwegig, um den Beginn des neuen Jahres eine Impfpflicht zu etablieren. Wenn überhaupt, dann könnte das für den Sommer mit Blick auf den nächsten Herbst und Winter ratsam sein. Und bis dahin dürften auch andere, nach traditionellen Prinzipien hergestellte Impfstoffe auf dem Markt sein, was es vielen Impfskeptikern enorm erleichtern würde, zu einer Impfung "Ja" zu sagen.
Jedenfalls sind zu solidarischer Nachdenklichkeit und wissenschaftlicher Offenheit nicht nur Impfskeptiker aufgerufen, sondern desgleichen die Impfbefürworter. Seriöse Argumente unterschiedlicher Seiten wahrzunehmen und in die je eigene Entscheidungsfindung aufzunehmen, gehört zu jener Gewissenhaftigkeit, die den Abgeordneten gerade bei der Impfpflicht-Debatte im Interesse des Gemeinwohls und eines nach wie vor freiheitlichen Rechtsstaats zu wünschen ist. Wenn im Bundestag demnächst mehrere Modelle zur Abstimmung kommen, sollte übrigens unbedingt darauf geachtet werden, ob „Kompromiss-Vorschläge“ wie etwa die Verpflichtung einer bestimmten Altersgruppe aus medizinisch-epidemiologischer Sicht wirklich sinnvoll oder nur Ausdruck eines möglichst kompromissfähigen politischen Agitationswillens wären. Das Gewissen lässt sich leider allzu leicht korrumpieren. Umso mehr bleibt an die klare Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 27. Januar zu erinnern, die laut Resolution 2361 allen Wert darauf legt, „dass die Impfung NICHT verpflichtend ist und dass niemand politisch, gesellschaftlich oder anderweitig unter Druck gesetzt wird, sich impfen zu lassen, wenn er dies nicht selbst möchte.“ Ich halte es von daher und aus den genannten aktuellen Gründen mit all jenen Staatsrechtlern und Ethikern, die eine allgemeine Impfpflicht nach wie vor als einem freiheitlichen Rechtsstaat unangemessen empfinden.
[i] Hans-Jürgen Papier: Freiheit in Gefahr. Warum unsere Freiheitsrechte bedroht sind und wie wir sie schützen können, München 2021, 279.
[iii] sciencefiles.org/2021/11/18/krebs-und-immunschwaeche-durch-covid-19-impfung-eine-reale-gefahr-wie-neue-forschung-zeigt/
[iv] www.epochtimes.de/wissen/uni-stockholm-spike-proteine-im-zellkern-und-schaedigung-bei-der-dna-reperatur-nachgewiesen-a3646340.html
[vii] Otto Schily: Impfpflicht, eine verfassungswidrige Anmaßung, in: DIE WELT vom 2.12.2021, 7.
[viii] www.haufe.de/recht/weitere-rechtsgebiete/strafrecht-oeffentl-recht/der-egmr-haelt-nationalen-impfpflicht-fuer-zulaessig_204_540662.html
[ix] Joachim Cochlovius: Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt. Christsein in Coronazeiten, Walsrode 2021, 11.
[x] Vgl. Walter van Rossum: Die Intensiv-Mafia. Die Hirten der Pandemie und ihre Profite, München 2021.