Politik

Die Türkei und Israel schmieden ein effizientes Bündnis

Lesezeit: 3 min
03.12.2021 13:41  Aktualisiert: 03.12.2021 13:41
Es ist eine eindeutige Annäherung zwischen der Türkei und Israel zu beobachten. Doch in Wirklichkeit waren beide Länder aus wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Gründen schon immer unzertrennlich.
Die Türkei und Israel schmieden ein effizientes Bündnis
Kommt es zu einer Normalisierung der türkisch-israelischen Beziehungen? (Foto: Brookings Institution)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Äußerlich betrachtet kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Verstimmungen zwischen Jerusalem und Ankara. Doch auffällig war, dass trotz einer gegenseitigen offensiven Rhetorik die außenpolitischen Manöver und die Handelsdaten eine andere Realität aufwiesen.

Aus einer Grafik von „Trading Economics“ geht hervor, dass die türkischen Exporte nach Israel seit 2015 im Trend massiv gestiegen sind. Im Jahr 2019 exportierte die Türkei Waren und Güter im Wert von 4,43 Milliarden US-Dollar nach Israel. Der größte Nutznießer war die türkische Automobilindustrie. Es wurden Autos im Wert von 635 Millionen US-Dollar exportiert. Israel exportierte Waren und Güter im Wert von 1,5 Milliarden US-Dollar in die Türkei. Es wurde vor allem raffiniertes Erdöl im Wert von 591 Millionen US-Dollar exportiert, so das „Observatory of Economic Complexity“.

Im Bereich der Außenpolitik befinden sich beide Länder im Berg Karabach-Konflikt aufseiten Aserbaidschans. Ankara und Jerusalem leisten massive Militärhilfe für Baku, damit die aserbaidschanischen Streitkräfte die besetzten Gebiete in Berg Karabach von den armenischen Truppen befreien. Währenddessen unterstützt der Iran die Regierung in Jerewan. Ein ähnliches Bild lässt sich in Syrien beobachten. Die Türkei und Israel unterstützen die oppositionellen Kräfte in Syrien. Beide Länder – aber auch Russland – haben kein Interesse daran, dass der Iran seinen Einfluss in Syrien über die Hisbollah-Milizen und weiteren pro-iranischen Gruppen ausbaut.

Top-Diplomaten aus Israel und der Türkei unternehmen aktuell Schritte, um die Beziehungen auch auf der Botschafterebene erneut herzustellen. „Die Staats- und Regierungschefs beider Länder sollten diese Gelegenheit nicht ungenutzt lassen und versuchen, die positive Stimmung in den Beziehungen in konkrete Maßnahmen umzusetzen“, zitiert „Arab News“ Dr. Nimrod Goren, Präsident und Gründer von „Mitvim“, dem israelischen Institut für regionale Außenpolitik.

In einem kürzlich geführten Interview mit der israelischen Tageszeitung „Haaretz“ sagte der Generaldirektor des israelischen Außenministeriums, Alon Ushpiz: „Es besteht Potenzial für eine relative Verbesserung der Beziehungen zwischen Israel und der Türkei.“

Dr. Selin Nasi vom „Ankara Policy Center“ sagt: „Die Türkei und Israel als zwei der drei nichtarabischen Länder in der Region haben viel von der Zusammenarbeit zu profitieren, sei es Handelsbeziehungen, Informationsaustausch, Energiekooperation oder Verteidigung. Tatsächlich ist es den beiden Ländern gelungen, die bilateralen Beziehungen zu trennen, und der bilaterale Handel ist in den letzten zehn Jahren trotz politischer Auseinandersetzungen weiter gewachsen.“

Am 18. November 2021 führten der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und sein israelischer Amtskollege Isaac Herzog ein wichtiges Telefonat. „The Daily Sabah“ wörtlich: „Erdoğan vermittelte seinem israelischen Amtskollegen, dass die Beziehungen zwischen den beiden Ländern für die Sicherheit und Stabilität des Nahen Ostens wichtig seien und Meinungsverschiedenheiten minimiert werden könnten, wenn gegenseitiges Verständnis sowohl in bilateralen als auch in regionalen Fragen bestehe (…) Das Telefonat zwischen Erdoğan und Herzog verlief nach Aussage der israelischen Präsidentschaft positiv.“

Kürzlich wurde in der Türkei ein israelisches Ehepaar wegen des Verdachts der Spionage festgenommen. Es wurde zunächst erwartet, dass es zu schweren Störungen der Beziehungen zwischen der Türkei und Israel kommen wird. Doch das Gegenteil passierte. Durch diplomatische Konsultationen konnte die Freilassung des Ehepaares erwirkt werden. Der israelischen Zeitung „ynet“ zufolge dankte der israelische Premierminister Naftali Bennett dem türkischen Präsidenten. „Ich bedanke mich für sein persönliches Engagement bei der Rückkehr des Ehepaares Oknin nach Israel“, so Bennett. Zwischen Ankara und Jerusalem habe eine „effiziente und diskrete Kommunikation“ stattgefunden. Bennett weiter: „Das gute Ende der Affäre kann dazu beitragen, einen Dialog mit der Türkei aufzunehmen – der ein wichtiger Faktor im Kampf gegen den Iran ist.“

Diese Aussage des israelischen Premierministers dürfte entscheidend sein. Denn es ist zu beobachten, dass sich in der Region ein neues Geflecht herausbildet, das dem Iran kritisch gegenübersteht. Es fällt auf, dass die Türkei auch politische Schritte unternimmt, um ihre Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) auszubauen. Die VAE ist ein enger Verbündeter Israels und hat ein Interesse daran, den Einfluss des Irans in der Region einzudämmen.

Der israelische Top-Diplomat Alon Pinkas führt in einem Beitrag der Zeitung „Haaretz“, der auf den 16. November 2021 datiert ist, aus: „Trotz neuer Spannungen wegen der Verhaftung eines israelischen Paares bleibt die Türkei ein strategischer regionaler Akteur, mit dem Israel eine gemeinsame Basis finden muss. Die Reduzierung der Feindseligkeit liegt im Interesse beider Seiten.“

Sein Beitrag trägt den Titel: „Am Rande politischer Turbulenzen wird sich die Türkei wahrscheinlich in naher Zukunft mit Israel verbünden.“

Nach der offiziellen Wiederherstellung der nachrichtendienstlichen und politischen Beziehungen zwischen der Türkei und Israel, dürften die gemeinsamen Aktivitäten dieser beiden Länder sich über den Nahen Osten hinaus erstrecken.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Konfliktlösung ohne Gericht: Verbraucherschlichtung als Chance für Ihr Business
27.04.2024

Verabschieden Sie sich von langwierigen Gerichtsverfahren! Mit dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) senken Sie Ihre Kosten,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Krieg in der Ukraine: So ist die Lage
27.04.2024

Wegen Waffenknappheit setzt der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskyj, auf Ausbau der heimischen Rüstungsindustrie, um sein Land...

DWN
Finanzen
Finanzen Hohes Shiller-KGV: Sind die Aktienmärkte überbewertet?
27.04.2024

Bestimmte Welt-Aktienmärkte sind derzeit sehr teuer. Diese sind auch in Indizes wie dem MSCI World hoch gewichtet. Manche Experten sehen...

DWN
Finanzen
Finanzen EM 2024 Ticketpreise explodieren: Die Hintergründe
27.04.2024

Fußball-Enthusiasten haben Grund zur Freude: Es besteht immer noch die Chance, Tickets für die EM 2024 zu erwerben. Allerdings handelt es...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland als Unternehmensstandort: Zwischen Herausforderungen und Chancen
27.04.2024

Trotz seines Rufes als europäischer Wirtschaftsmotor kämpft Deutschland mit einer Vielzahl von Standortnachteilen. Der Staat muss...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands herrenlose Häuser: Eine Chance für den Markt?
27.04.2024

Herrenlose Immobilien - ein kurioses Phänomen in Deutschland. Es handelt sich hier um Gebäude oder Grundstücke, die keinen...

DWN
Finanzen
Finanzen Reich werden an der Börse: Ist das realistisch?
27.04.2024

Viele Anleger wollen an der Börse vermögend werden. Doch ist das wahrscheinlich - oder wie wird man tatsächlich reich?

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...