Politik

Putin entsendet „Friedenstruppen“ in Separatistengebiete in der Ost-Ukraine

Lesezeit: 3 min
22.02.2022 09:19  Aktualisiert: 22.02.2022 09:19
Russlands Präsident Putin hat Truppen in die Separatistengebiete in der Ost-Ukraine entsandt. Indes leitet der Westen erste Schritte für Sanktionen ein.
Putin entsendet „Friedenstruppen“ in Separatistengebiete in der Ost-Ukraine
Menschen auf einer Straße in Lugansk feiern die Anerkennung der Unabhängigkeit der Volksrepubliken Donezk und Lugansk. (Foto: picture alliance/dpa/TASS | Alexander Reka)
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Der russische Präsident Wladimir Putin hat ungeachtet der Warnungen des Westens die Entsendung von Soldaten in die Ost-Ukraine angeordnet. In den Außenbezirken der Stadt Donezk rollten am frühen Dienstagmorgen Militärfahrzeuge durch die Straßen. Darunter waren auch mehrere nicht gekennzeichnete Panzer, wie ein Reuters-Mitarbeiter berichtete.

Putin hatte die Entsendung von "Friedenstruppen" in die Separatistengebiete im Osten der Ukraine angekündigt, nachdem er die Regionen Donezk und Luhansk als unabhängig anerkannt hatte. Der Westen verurteilte die Anerkennung scharf. US-Präsident Joe Biden setzte erste Sanktionen in Kraft und kündigte weitere Maßnahmen in Abstimmung mit den Verbündeten in Kraft.

Bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats bezeichnete die US-Gesandte Linda Thomas-Greenfield die Behauptung von Putin, es würde sich um Friedenstruppen handeln, als "Unsinn". Putins Anerkennung der Separatistengebiete sei ein Versuch, einen Vorwand für eine weitere Invasion der Ukraine zu schaffen.

In einer knapp einstündigen Rede hatte Putin der Nato schwere Vorwürfe gemacht. Das Militärbündnis habe Russland versprochen, nicht zu expandieren. Geschehen sei das Gegenteil. Ein Beitritt der Ukraine zur Nato sei eine direkte Bedrohung für Russlands Sicherheit. Es sei klar, dass eine weitere Expansion der Nato nur eine Frage der Zeit sei. Das Risiko eines plötzlichen Angriffs werde in einem solchen Fall deutlich steigen. Zudem gehöre die Ukraine historisch zu Russland.

Das russische Staatsfernsehen zeigte, wie Putin ein Dekret zur Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken in der Ost-Ukraine unterzeichnete. "Ich halte es für notwendig, eine Entscheidung zu treffen, die schon vor langer Zeit hätte getroffen werden müssen: die sofortige Anerkennung der Unabhängigkeit und Souveränität der Volksrepubliken Donezk und Luhansk", sagte Putin. Der ukrainischen Führung warf er vor, von Russland nur die für sie vorteilhaften Dinge gefordert zu haben, ohne dafür im Gegenzug Verpflichtungen eingegangen zu sein.

ERSTE SANKTIONEN AUF DEN WEG GEBRACHT

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, sein Land sei weiter dem Weg der Diplomatie verpflichtet und forderte zugleich Unterstützung ein. "Wir erwarten klare und wirksame Schritte der Unterstützung von unseren Partnern.... Es ist sehr wichtig zu sehen, wer unser wirklicher Freund und Partner ist und wer der Russischen Föderation weiterhin mit Worten Angst einjagen wird."

Unmittelbar nach der Rede leitete der Westen Schritte für erste Sanktionen ein. US-Präsident Biden unterzeichnete ein Dekret, das Geschäfte in oder mit den beiden von Russland anerkannten Separatisten-Regionen in der Ost-Ukraine verbietet. Die britische Außenministerin Liz Truss kündigte auf Twitter für Dienstag Sanktionen Großbritanniens gegen Russland an.

Die EU-Staaten verständigten sich dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte zufolge auf ein begrenztes Sanktionspaket. "Ziel sind jene, die für diese Entscheidung verantwortlich sind", sagte Rutte im niederländischen Fernsehen mit Blick auf die Anerkennung der Separatisten-Gebiete durch Russland. Entscheidungen zu Details der Maßnahmen würden vermutlich am Dienstag getroffen.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres sagte, Russland verletze die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warf Putin vor, mit der Anerkennung einen Vorwand für die Invasion der Ukraine geschaffen zu haben.

SANKTIONEN KÖNNTEN RUSSISCHE BANKEN TREFFEN

Bereits zuvor hatte es in den USA und Europa Überlegungen zu möglichen Sanktionen gegeben. Die US-Regierung bereitet Insidern zufolge Maßnahmen vor, die auf den Bankensektor abzielen. Vorgesehen sei, US-Finanzinstituten die Abwicklung von Transaktionen für große russische Banken zu verbieten, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von Insidern. Die Sanktionen sollen demnach nur im Falle einer russischen Invasion der Ukraine umgesetzt werden.

Nach Ansicht der USA stellt die Entsendung russischer Truppen in die abtrünnigen Regionen der Ost-Ukraine einem Insider zufolge nach noch keine Invasion dar, die ein umfassenderes Sanktionspaket auslösen würde. "Dies ist keine weitere Invasion, da es sich um Gebiete handelt, die sie bereits besetzt haben", sagte ein US-Regierungsmitarbeiter in einer Telefonkonferenz mit Reportern. Russland habe bereits seit acht Jahren Truppen im Donbass und "mache das jetzt nur auf eine offensichtlichere Art und Weise. Aber wir machen uns keine Illusionen über das, was als Nächstes kommen wird."

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen drohte, die geplanten Finanzsanktionen seien darauf abgerichtet, dass "Russland im Prinzip abgeschnitten wird von den internationalen Finanzmärkten". Viele Spitzenpolitiker forderten, auch die Ostseepipeline Nord Stream 2 müsse Teil der Sanktionen sein.

Russland hat nach westlichen Angaben weit über 100.000 Soldaten an den ukrainischen Grenzen zusammengezogen. Bislang hat es westliche Befürchtungen zurückgewiesen, die Truppenansammlung dienten der Vorbereitung einer Invasion.

Die Verschärfung des Ukraine-Konfliktes schickte die Märkte in Asien auf Talfahrt und ließ den Ölpreis auf den höchsten Stand seit sieben Jahren steigen.


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