Russland verfügt immer noch über Fremdwährungsreserven im Wert von etwa 300 Milliarden Dollar, die im Ausland gehalten werden, sagt Zoltan Pozsar, Analyst bei der Credit Suisse Group AG. Diese Summe sei genug, um die Geldmärkte zu stören, etwa wenn der Westen diese Devisen mittels Sanktionen einfriert oder wenn Russland sie plötzlich verschiebt, um Sanktionen des Westens zu umgehen.
Zoltan Pozsar, der wegen seiner Expertise auch als „Guru“ des Repo-Markts bezeichnet wird, hat die Daten der Bank von Russland und der Finanzmärkte analysiert und berechnet, dass Russland einen viel größeren Anteil in Dollar hält, als seine offiziellen Zahlen vermuten lassen. Die Credit Suisse schätzt, dass die Bank of Russia zu etwa 50 Prozent in Dollar investiert ist, während sie selbst nur 20 Prozent angibt.
Die russischen Fremdwährungsreserven sind nach Ansicht von Pozsar genug, um die Finanzierungsmärkte erheblich zu bewegen. "300 Milliarden Dollar können im Extremfall entweder durch Sanktionen blockiert werden oder irgendwie vom Westen in den Osten verschoben werden, um zu vermeiden, dass sie durch Sanktionen blockiert werden", zitiert Bloomberg aus seinem Bericht vom Donnerstag.
Russlands ist seit etwa fünf Jahren dabei, den Einfluss des Dollars auf seine Wirtschaft zu beseitigen. Dies hat bisher erfolgreich dazu beigetragen, die Auswirkungen der Sanktionen durch die USA und ihre Verbündeten abzumildern. Nicht offiziell gemeldete Reserven, falls sie existieren, wären weitaus schwieriger zu verfolgen und mit Sanktionen zu belegen.
Dennoch erwartet der Analyst Pozsar, dass nun auch die von ihm beschriebenen Devisenbestände im Ausland anfällig für Sanktionen sein könnten oder dass sie verschoben werden könnten, was möglicherweise eine weitere Entdollarisierung befördern würde. Russlands Dollarreserven wurden wahrscheinlich in Swaps umgeschichtet, nachdem das Land in den Jahren 2018 und 2017 alle seine US-Staatsanleihen abgestoßen hat.
Die russische Zentralbank und der Privatsektor verfügen über ein liquides Vermögen von fast 1 Billion Dollar, wobei der Anteil der Dollarreserven höher ist, als den meisten bewusst ist, schreibt Pozsar. Er schätzt, dass etwa 200 Milliarden Dollar in Devisenswaps und weitere 100 Milliarden Dollar in Einlagen bei ausländischen Banken gehalten werden.
Russlands seit Jahren betriebene Abkehr vom Dollar macht die Sanktionen des Westens nun weniger wirksam. Die USA haben im Zuge der Eskalation der Ukraine-Krise gerade geschworen, dass sie der russischen Wirtschaft "schwere Kosten" auferlegen wollen, um deren Geschäfte in ausländischen Währungen zu beeinträchtigen.
Die Aktienkurse und Anleiherenditen sind in dieser Woche stark eingebrochen. Am späten Donnerstag belebte sich die Risikostimmung in den USA, nachdem die Sanktionen der Biden-Administration die russischen Ölexporte verschont und auch eine Sperrung des Zugangs zum globalen Zahlungsnetzwerk Swift vermieden hatten.
"Wenn sich die Handelsströme ändern, können sich die Spreads ausweiten", schreibt Pozsar. "Wenn die Dinge eskalieren, ist es schwer, angesichts der enormen Finanzüberschüsse Russlands und der Frage, wo diese Überschüsse eingesetzt werden, keine direkten Auswirkungen auf Devisenswaps und US-Dollar-Libor-Fixings zu sehen."