Politik
Anzeige

Energiekrise bedroht massiv den Zusammenhalt der EU

Wird die EU die nächsten zwanzig Jahre in ihrer jetzigen Form überleben? Sollten die Spannungen mit Russland anhalten, die Energiepreise weiter steigen und sich der Kontinent infolgedessen weiter de-industrialisieren, spricht wenig dafür.
04.07.2022 15:18
Aktualisiert: 04.07.2022 15:18
Lesezeit: 2 min
Energiekrise bedroht massiv den Zusammenhalt der EU
Bekommt die EU ihre Konflikte nicht bald in den Griff, könnte sie zwischen den großen Machtblöcken zerrieben werden. (Foto: dpa) Foto: Lintao Zhang / Pool

Bisher verfügen die meisten Länder der EU über einen hohen Industrialisierungsgrad, insbesondere Deutschland mit seinen zahlreichen „Hidden Champions“, also meist inhabergeführten Betrieben, die in ihrer jeweiligen Branche unter den Top drei weltweit rangieren. Die meisten von ihnen sind auf bezahlbare Energie angewiesen. Die konnte Deutschland, wie viele andere europäische Länder auch, bisher aus Russland beziehen. Gerade gegenüber asiatischen Konkurrenten war dies ein beachtlicher Wettbewerbsvorteil, der nun voraussichtlich dauerhaft verloren geht.

Zudem stellt Erdgas nicht nur einen grundlastfähigen Energieträger dar, sondern ist auch für die petrochemische und Kunstdünger-Industrie essenziell. Insgesamt hängen bis zu sechs Millionen Arbeitsplätze in Deutschland an der Verfügbarkeit von Gas – welches das Land bisher zu ziemlich genau der Hälfte (51 Prozent) seines Bedarfs aus Russland bezieht. Sollten die Lieferungen von dort ausfallen, droht eine De-Industrialisierung in großem Maßstab. Gepaart mit einer galoppierenden Inflation und einer sich abzeichnenden weiteren Flüchtlingskrise könnte dieser Prozess zu einer Destabilisierung des Landes führen, zumindest aber zu großen Wohlstandsverlusten.

Damit wäre auch der Zusammenhalt der EU gefährdet, als dessen ökonomischer Motor und Hauptfinanzier Deutschland noch immer agiert. Mit seiner wirtschaftlichen Kraft konnte Deutschland bisher auch das Überleben des Euro sichern, doch auch dieses Unterfangen dürfte sich zunehmend schwierig gestalten, sollte seine realwirtschaftliche Basis aufgrund hoher Energiepreise und weltweiter Sanktions- und Wirtschaftskriege weiter bröckeln.

Ein Geschäftsmodell, wie es in Großbritannien und den USA (noch) weit verbreitet ist, nämlich über Finanzprodukte und Spekulationen vermeintlichen Wohlstand zu generieren, dürfte sich zunehmend als nicht praktikabel erweisen und für die Länder Kontinentaleuropas keine sinnvolle Alternative darstellen. Vielmehr dürfte die Bedeutung eines Landes oder Staatenbundes in Zukunft von seinen Ressourcen und wettbewerbsfähigen Industrien abhängen. Beraubt sich die EU, nicht zuletzt durch ihren wirtschaftlichen Abnutzungskrieg gegen Russland, ihrer industriellen Grundlage, wird sie im Konzert der Mächte nicht mehr mitspielen, sondern zwischen den USA und China zerrieben werden. Der aktuelle Ukraine-Konflikt dürfte den Niedergang der EU beschleunigen, denn gerade sie leidet unter den Sanktionen gegen Russland, vor allem im Energiesektor. Auch wenn die militärischen Schlachten zurzeit nur in der Ukraine selbst geschlagen werden, sind die Auswirkungen des Krieges doch weltweit spürbar – und dürften sich für die EU als geopolitischer Albtraum erweisen.


DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....

DWN
Panorama
Panorama EU-Klimapolitik: Soviel Spielraum lässt das 90-Prozent-Ziel
02.07.2025

Die EU-Kommission hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 sollen die Emissionen massiv sinken, ein großer Schritt Richtung...

DWN
Technologie
Technologie DeepSeek zerstört Milliardenwerte: China-KI soll aus Europa verschwinden
02.07.2025

Ein chinesisches Start-up bringt Nvidia ins Wanken, Milliarden verschwinden in Stunden. Doch für Europa ist das erst der Anfang: Die...

DWN
Politik
Politik Gasförderung Borkum: Kabinett billigt Abkommen mit den Niederlanden
02.07.2025

Die Bundesregierung will mehr Gas vor Borkum fördern und stößt damit auf heftigen Widerstand von Umweltschützern. Das Vorhaben soll...

DWN
Immobilien
Immobilien Klimaanlage einbauen: Was Sie vor dem Kauf wissen müssen
02.07.2025

Die Sommer werden heißer – und die Nachfrage nach Klimaanlagen steigt. Doch der Einbau ist komplizierter, als viele denken. Wer nicht in...

DWN
Technologie
Technologie Balkonkraftwerke: 220.000 neue Anlagen binnen sechs Monaten
02.07.2025

Mehr als 220.000 neue Balkonkraftwerke sind in Deutschland binnen sechs Monaten ans Netz gegangen. Während Niedersachsen glänzt, fallen...