Politik

Alarmstufe Rot: Russland will ukrainisches Atomkraftwerk vom Netz nehmen

Russland will offenbar das Atomkraftwerk Saporischschja vom Netz nehmen. Mit dem Strom soll anschließend die Krim versorgt werden. Die Ukraine warnt vor diesem Schritt.
Autor
10.08.2022 15:24
Aktualisiert: 10.08.2022 15:24
Lesezeit: 2 min
Alarmstufe Rot: Russland will ukrainisches Atomkraftwerk vom Netz nehmen
Ein russischer Soldat bewacht das seit Kriegsbeginn von den Russen besetzte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja. (Foto: dpa) Foto: -

Zufall oder Kalkül: Mit Blick auf die Energiekrise in Europa und dem wachsenden Unmut in Teilen der Bevölkerung aufgrund der gestiegenen Energiekosten, hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Ende des vergangenen Monats der EU eine Unterstützung mit Strom aus seinem Land angeboten. Das Land, das Mitte März an das europäische Stromnetz angeschlossen wurde, lieferte den ersten Strom bereits Anfang Juli über Rumänien in die Europäische Union.

Gleichzeitig bereiten sich die russischen Streitkräfte offenbar darauf vor, das seit Kriegsbeginn besetzte größte europäische Atomkraftwerk Saporischschja im Südosten des Landes mit der im Jahr 2014 annektierten Halbinsel Krim zu verbinden. Dazu muss das Kraftwerk zuerst vom ukrainischen Netz getrennt, um dann an das russische Netz angeschlossen zu werden. „Ein schwieriger Prozess“, meint Petro Kotin, der Präsident des ukrainischen Betreibers Energoatom.

Der Plan der Russen sehe vor, alle Leitungen des Kernkraftwerks zu beschädigen, ohne sie danach wieder an das Stromnetz anzuschließen, so Kotin gegenüber dem ukrainischen Fernsehen und der Nachrichtenagentur Interfax. Dabei setzten die im Kernkraftwerk Saporischschja anwesenden russischen Militärs das Programm von Rosatom, einem russischen Brennstoffunternehmen, um.

Vom 7. bis 9. August sollen die Russen bereits drei Stromleitungen beschädigt haben. Zurzeit ist das Werk nur mit einer Produktionslinie in Betrieb. Sollte diese abgeschaltet werden, müssen die Dieselmotoren anspringen. Alles hängt dann von deren Zuverlässigkeit und den Kraftstoffvorräten ab.

Der Prozess der Stromabschaltung des Kraftwerks zur Vorbereitung des Anschlusses an Russland sei extrem gefährlich, warnt Kotin weiter.

Kraftwerk soll abkoppelt werden

CNN gegenüber betonte er nochmals, dass der vollständige Plan der Russen darin bestehe, das Kraftwerk von der Stromversorgung der Ukraine abzukoppeln und an das russische Netz anzuschließen, um die Krim mit Strom zu versorgen.

Allerdings: Wenn die letzte Produktionslinie des Kraftwerkes abgeschaltet ist, dann kann das Kraftwerk nicht mehr von außen mit Strom versorgt werden, sondern nur mehr von den Generatoren. Sollten diese aber nicht anspringen, könne es zu einer Schmelzung von Kernmaterial kommen. Dabei verglich Kotin die möglichen Auswirkungen mit der Katastrophe von Fukushima in Japan. Auch könne eine große Menge an Radioaktivität freigesetzt werden – und eine radioaktive Wolke entstehen.

Das Kraftwerk liegt unweit der Halbinsel Krim und verfügt über sechs der insgesamt 15 ukrainischen Reaktoren, die vier Millionen Haushalte mit Strom versorgen können.

Zudem schaltete sich jetzt auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres ein, und warnte davor, dass jeder Angriff auf ein Atomkraftwerk „selbstmörderisch“ sei. „Ich hoffe, dass diese Angriffe aufhören und die Internationale Atomenergie Organisation (IAEA) in der Lage sein wird, Zugang zu der Anlage zu erhalten“, so Guterres.

Die jüngsten Kämpfe um die Anlage haben die UN-Atomaufsichtsbehörde IAEA veranlasst, vor dem „sehr realen Risiko einer nuklearen Katastrophe“ zu warnen.

Mit ein Grund für Selenskyj Strom nach Europa zu liefern war der Stillstand vieler ukrainischer Produktionsstätten aufgrund des Krieges. Allerdings: Jedes vom ukrainischen Netz abgekoppelte Atomkraftwerk kann auch keinen Strom mehr nach Europa liefern.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Politik
Politik Musk gegen den Staat: Wie ein Tech-Milliardär den US-Haushalt ruinierte
04.06.2025

Elon Musk wollte den US-Haushalt wie ein Start-up führen – heraus kam ein Desaster aus Kürzungen, Chaos und gescheiterten Sparzielen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Wöchentliche Höchstarbeitszeit geplant: Schub für die Wirtschaft oder kontraproduktiv?
04.06.2025

Steht der 8-Stunden-Arbeitstag auf der Kippe? Die Bundesregierung will statt einer täglichen Höchstarbeitszeit eine wöchentliche...

DWN
Politik
Politik Trump zündet den Handelskrieg – doch Europa hat das bessere Spiel
03.06.2025

Donald Trump droht mit Strafzöllen, doch Europas Antwort steht längst: Mit stabilen Finanzen und strategischem Kurs könnte die EU zum...

DWN
Politik
Politik Vergessener Kontinent: Afrikas Fluchtkrisen- Milliarden fehlen für humanitäre Hilfe
03.06.2025

Fluchtkrisen in Afrika schneiden bei medialer Aufmerksamkeit, Hilfsgeldern und politischem Engagement besonders schlecht ab. Kamerun ist...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell: Rücksetzer nach Kurssprung – was Anleger jetzt wissen müssen
03.06.2025

Der Goldpreis ist auf Richtungssuche – trotz Krisen und Zinssorgen. Was steckt hinter der aktuellen Entwicklung, und wie sollten Anleger...

DWN
Politik
Politik Krim-Brücke: Ukrainischer Geheimdienst SBU meldet Angriff auf Kertsch-Brücke
03.06.2025

Die Krim-Brücke ist erneut Ziel eines spektakulären Angriffs geworden. Doch wie schwer sind die Schäden wirklich – und was bedeutet...

DWN
Politik
Politik Ehemalige US-Generäle zur Operation der Ukraine in Russland: Militärische Leistung, die dem Trojanischen Pferd gleichkommt
03.06.2025

Mitten in die Verhandlungen trifft Russland ein Schlag, der tief sitzt: Eine ukrainische Drohnenoffensive zerstört rund 40 strategische...

DWN
Politik
Politik Brüssels Pensionsflop: Milliardenvision scheitert kläglich
03.06.2025

Mit großem Tamtam gestartet, nun ein Desaster: Der EU-weite Rentenplan PEPP sollte Milliarden mobilisieren – doch kaum jemand macht mit....