In Großbritannien hat eine spürbare Verhaltensänderung der Bürger in Bezug auf die Nutzung von Bargeld eingesetzt. Wie der Guardian berichtet, registrierte das Post Office im Juli eine drastische Zunahme von Abhebungen.
801 Millionen Pfund haben die Briten demnach im vergangenen Monat in Banknoten von ihren Konten beim Post Office abgehoben – ein 8-prozentiger Anstieg gegenüber dem Juni. Verglichen mit dem Juli des Vorjahres lag die Auszahlungssumme sogar mehr als 20 Prozent höher, damals wurden 665 Millionen abgehoben.
Es wurde sogar ein Rekord aufgestellt: 3,32 Milliarden Pfund wurden an den mehr als 11.500 Filialen und Geldautomaten des Post Office im Juli eingezahlt oder abgehoben – der höchste Umsatz seit Gründung des Post Office vor 360 Jahren.
Besserer Überblick über die Finanzen
„Wir beobachten, dass immer mehr Leute auf Bargeld als ein bewährtes Mittel zurückgreifen, um ihre persönlichen Finanzen zu verwalten“, zitiert der Guardian den Bankenchef des Unternehmens, Martin Kearsley. „Ob es sich dabei um einen Aufenthalt im Vereinigten Königreich handelt oder um Vorbereitungen für die im Herbst zu erwartenden finanziellen Belastungen – der Zugang zu Bargeld ist in jeder Gemeinde kritisch.“
Mit den im Herbst zu erwartenden finanziellen Belastungen spielt Kearsley auf die drastisch steigenden Energiekosten an, die im Oktober und dann im Januar 2023 voll auf die Haushalte durchschlagen werden.
Auch der Guardian verweist darauf, dass die Bürger mithilfe von Münzen und Scheinen ihre Ausgaben offenbar besser kontrollieren können: „Die zunehmende Inflation und die steigenden Rechnungen haben eine wachsende Zahl an Bürger dazu bewogen, ihre Ausgaben mithilfe von Bargeld zu planen.“
Daneben spielt offenbar auch eine Rolle, dass viele Bürger im laufenden Sommer nicht mehr im Ausland Urlaub machten, sondern diesen in Großbritannien verbrachten.
An Filialen und Automaten des Post Office können Kunden von über 30 Banken und anderen Gesellschaften Geld einzahlen oder abheben.
Der drastisch gestiegene Bargeld-Bezug stellt eine Korrektur des langjährigen Trends zu verstärkter Nutzung von bargeldlosen Bezahldiensten dar. Im Zuge der Corona-Pandemie und der von der Regierung verfügten Lockdowns hatte die Nutzung digitaler Dienste in Großbritannien noch einmal starken Zulauf erfahren. Die Nutzung von Münzen und Scheinen brach parallel dazu im Corona-Jahr 2020 um 35 Prozent ein.
Kaum kontaktloses Bezahlen
Die Menschen in Deutschland setzen beim Bezahlen an der Ladenkasse einer Umfrage zufolge weiterhin vor allem auf Bargeld oder physische Bank- und Kreditkarten. Bei einer Yougov-Befragung gaben lediglich 12 Prozent an, in den vergangenen drei Monaten eine Zahlung kontaktlos mit einer digitalen Geldbörse zum Beispiel mit dem Smartphone in einem Geschäft erledigt zu haben, und nicht mit einer physischen Karte. Im Nachbarland Frankreich waren es ebenfalls 12 Prozent. Spitzenreiter in Europa war hier Dänemark (31 Prozent). Anders ist das Bild demnach in vielen asiatischen Ländern.
Am häufigsten gaben Befragte aus Hongkong (53 Prozent), aus Indien (43 Prozent) sowie aus China und Singapur (jeweils 42 Prozent) an, innerhalb der vergangenen drei Monate einmal kontaktlos mobil mit einer digitalen Geldbörse gezahlt zu haben.
In Deutschland sagten 69 Prozent der mehr als 1.000 Befragten, dass sie im selben Zeitraum eine Zahlung mit Bargeld geleistet hätten. Angeführt wird hier die Liste der 18 untersuchten Märkte von Verbraucherinnen und Verbrauchern aus Singapur (73 Prozent) und Spanien (71 Prozent). In Großbritannien waren es ebenfalls 69 Prozent. Yougov befragte im Dezember mehr als 20 000 Personen ab 18 Jahren in 18 Märkten weltweit.
Insgesamt hatte das Bezahlen ohne Scheine und Münzen im zweiten Jahr der Corona-Pandemie in Deutschland und im Euroraum einen weiteren Schub erhalten. Im vergangenen Jahr wurden 114,2 Milliarden Zahlungen im gemeinsamen Währungsraum bargeldlos abgewickelt und damit 12,5 Prozent mehr als 2020, wie die Europäische Zentralbank (EZB) am Freitag in Frankfurt mitteilte. Der Gesamtwert der Transaktionen stieg im Jahresvergleich um 18,6 Prozent auf 197 Billionen Euro.
Ziemlich genau die Hälfte (49 Prozent) der bargeldlosen Geschäfte waren nach EZB-Angaben Kartenzahlungen, jeweils fast ein Viertel machten Überweisungen (22 Prozent) und Lastschriften (20 Prozent) aus.
In Deutschland wurden nach Angaben der Bundesbank im vergangenen Jahr 27 Milliarden Zahlungsvorgänge im Gesamtwert von 65 Billionen Euro bargeldlos abgewickelt. Im Vergleich zum Vorjahr entspreche dies bei der Anzahl einer Steigerung um fünf Prozent, beim Wert gab es ein Plus um acht Prozent. Acht Milliarden Zahlungen in Deutschland wurden 2021 demnach per Karte abgewickelt und damit zehn Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
Händler hatten wegen der Ausbreitung des Coronavirus aus hygienischen Gründen für das bargeldlose Bezahlen geworben. Beim kontaktlosen Bezahlen müssen Kunden ihre Girocard sogar nur an das Lesegerät an der Ladenkasse halten, die Daten werden dann verschlüsselt übermittelt. Bei geringen Beträgen ist bei diesem Verfahren nicht einmal die Eingabe der Geheimnummer (PIN) nötig. (ND/dpa)