Russland und die Türkei haben sich am vergangenen Freitag auf einen Ausbau der Beziehungen in den Bereichen Handel, Transport, Bauwirtschaft, Landwirtschaft, der Industrie und im Tourismus geeinigt. Beide Seiten haben darüber hinaus auch vereinbart, dass die Türkei russisches Gas künftig teilweise in Rubel bezahlen werde, wie Russlands Vize-Regierungschef Alexander Nowak der Agentur Tass zufolge sagte.
Wie Eurasia Business News berichtet, äußerte sich Nowak nicht dazu, wie genau die Rubel-Überweisungen ausgeführt werden, welcher Teil der Energielieferungen davon betroffen ist oder ab wann sie beginnen.
Die Bezahlung in Rubel ist bemerkenswert. Denn im Gegensatz zu jenen Ländern, die Sanktionen gegen Russland wegen des Kriegs in der Ukraine erlassen haben, wird die Türkei in Moskau nicht als „unfreundliches“ Land eingestuft und müsste deshalb eigentlich nicht in der russischen Landeswährung bezahlen.
Möglich ist deshalb, dass die Türken freiwillig in Rubel bezahlen – was wiederum mit Blick auf die Mitgliedschaft des Landes in der Nato bemerkenswert wäre. Das Portal Oilprice spekuliert, dass es sich dabei um eine Vorsichtsmaßnahme gegen mögliche Sanktionen handelt – und dass die türkische Regierung damit Entgegenkommen signalisierte, welches sie an anderer Stelle möglicherweise von Russland einfordert.
Turkish Minutes zufolge lobte Erdogan die Rubel-Abmachung auf seinem Rückflug von Sotschi in die Türkei. Der Zeitung zufolge kommt die Umstellung von Dollar auf Rubel bei der Bezahlung des Gases der Regierung in Ankara gelegen, weil sie so Dollars spart. Im Zuge der der Schwäche der Landeswährung Lira musste die Türkei in den vergangenen Jahren mit Dollar-Verkäufen mehrfach weitere Kursverluste stoppen, was die Devisenreserven auszehrte.
Eurasia Business News kommentiert: „Wenn die Türkei tatsächlich damit anfängt, russisches Gas in Rubel zu bezahlen, und nicht mehr in Dollar, würde diese Maßnahme die Währungspolitik Russlands und seines chinesischen Verbündeten massiv stärken. Moskau und Peking arbeiten seit dem Jahr 2014 gemeinsam an einem alternativen Währungssystem ohne Dollars.“
Partnerschaft basierend auf Interessen
Die Türkei und Russland pflegen eine Partnerschaft, die vor allem von strategischen Interessen geprägt ist. Daria Isachenko von der Stiftung Wissenschaft und Politik nennt sie gegenüber der Nachrichtenagentur dpa „ein sehr empfindliches Netz von Verbindungen“. Die Türkei ist von Getreide, Energie und Touristen aus Russland abhängig. 2020 stammten fast 34 Prozent der türkischen Gasimporte von dort. Über die Türkei verlaufen zudem russische Gaspipelines.
Der russische Außenpolitiker Alexej Puschkow etwa lobte Erdogan dafür, dass dieser „im Gegensatz zu den Euro-Politikern“ die Interessen des eigenen Landes vertrete und sich nicht fürchte, dazu auch einmal „dem kollektiven Westen entgegenzutreten.“ Beide Länder stehen zeitgleich in Konflikten wie in Syrien, Libyen oder in Berg-Karabach auf unterschiedlichen Seiten, ohne direkt gegeneinander vorzugehen.
Auch deshalb dürfte die Türkei auf grünes Licht zu einer weiteren Syrien-Offensive angewiesen sein. Hüseyin Bagci, Vorsitzender des türkischen Foreign-Policy-Instituts, sagte der dpa, Erdogan sei nach Russland gereist, weil er bisher nicht das bekommen habe, was er wollte - nämlich ein Einverständnis für eine weitere Offensive in Syrien. Mit der droht der türkische Präsident bereits seit mehreren Wochen. Ohne die Zustimmung Russlands - im syrischen Stellvertreterkrieg auf der Seite der Regierung in Damaskus - dürfte Ankara diesen Schritt jedoch nicht wagen. Nach dem Treffen deutete zunächst nichts darauf hin, dass Russland seine ablehnende Haltung gegenüber dem Vorhaben aufgegeben hatte.
Putin lobte seinen Gast vor Beginn der Gespräche für die türkischen Vermittlungen in der Getreide-Krise - und spielte dabei besonders auf die zusätzlich verfasste Absichtserklärung mit der UN ab, die den Export von russischen Lebens- und Düngemitteln fördern soll. Beide Seiten hätten den Deal zum ukrainischen Getreide-Export bekräftigt, hieß in der Erklärung am Abend.
Agrarexporte über die ukrainischen Schwarzmeerhäfen waren wegen des russischen Angriffskrieges zuletzt monatelang blockiert gewesen. Die Kriegsgegner Ukraine und Russland hatten am 22. Juli unter UN-Vermittlung jeweils getrennt mit der Türkei ein Abkommen unterzeichnet, um von drei Häfen Getreideausfuhren aus der Ukraine zu ermöglichen.
Waffengeschäfte als Klammer
Es ist das zweite persönliche Treffen der beiden Staatschefs innerhalb eines Monats. Ankara pflegt auch zu Kiew enge Beziehungen. Erdogan hat den Einmarsch Russlands zwar scharf kritisiert, aber immer auch betont, keinen der Partner aufgeben zu wollen.
Deshalb hatte besonders ein voraussichtliches Gesprächsthema Aufmerksamkeit erregt. Laut dem Kreml sollte bei dem Treffen auch über militärtechnische Zusammenarbeit gesprochen werden. Moskau hatte kürzlich Interesse an der im Krieg auch von Kiew erfolgreich eingesetzten türkischen Kampfdrohne Bayraktar TB2 gezeigt. Putin habe vorgeschlagen, gemeinsam mit der Türkei an den Drohnen des Unternehmens Baykar zu arbeiten, zitierte der Sender CNN Türk Erdogan. Sollte Russland die Drohnen gemeinsam mit der Türkei entwickeln, bekäme Moskau damit auch Zugriff auf die Technik eines Nato-Mitgliedstaates. Ob das Thema zur Sprache kam, wurde nicht bekannt.
Erdogan hatte bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges gesagt, er schließe Waffengeschäfte mit Russland nicht aus. Der Vorsitzende von Baykar allerdings, Haluk Bayraktar, hatte Mitte Juli dem Sender CNN International gesagt, man habe Russland keine Drohnen geliefert und werde das „nie tun“. „Wir unterstützen die Ukraine“, zitiert die dpa Bayraktar.
Waffengeschäfte mit Russland hatten der Türkei bereits in der Vergangenheit scharfe Kritik eingebracht. 2017 hatte Ankara das russische Raketenabwehrsystem S-400 erworben. Die USA hatten aus dem Grund unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump Sanktionen verhängt. Die Türkei wurde zudem von einem wichtigen Rüstungsvorhaben, der Entwicklung des Kampfjets F-35, ausgeschlossen. (ND/dpa)