Letzten Donnerstag wurde wieder deutlich, wie schnell sich in Moldawien ein ähnlicher Konflikt wie in der Ukraine entwickeln könnte. Die russische Außenministersprecherin Maria Zacharowa beklagte auf einer Pressekonferenz in Moskau, Rumänien würde die Ukraine militärisch unterstützen, wie die rumänische Nachrichtenzeitung Adevarul berichtete.
Zacharowa wirft Rumänien vor, ein falsches Spiel zu spielen und Kleinwaffen, Munition und Komponenten für militärische Ausrüstung an die Ukraine zu senden. Weiterhin habe man Granaten rumänischer Herstellung geschickt, was durch Videos in den Sozialen Medien belegbar sei.
Vorwurf des Propagandakriegs
Der rumänische Verteidigungsminister Vasile Dincu ging auf dem Schwarzmeer- und Balkan- Sicherheitsforum auf Moskaus Vorwürfe ein: „Dies ist alles Teil des ,hybriden Krieges', den Russland mit den Ländern führt, die die Ukraine unterstützen. Russland führt derzeit gegen alle Länder Mittel- und Osteuropas einen Informationskrieg, der schon vor langer Zeit begonnen hat und in dem ab und zu, etwa alle 30 Tage, ein Sprecher auftritt und Rumänien verschiedene Dinge vorwirft. Wir behandeln solche Versuche, die öffentliche Meinung zu manipulieren, als was sie sind: Teil von Russlands Manipulations- und Propagandakrieg.“
Mehrere Explosionen in Transnistrien
In der separatistischen Republik Transnistrien, im Osten Moldawiens, gab es zuletzt Ende April mehrere Explosionen. Das Ministerium für Staatsicherheit in der Separatistenhauptstadt Tiraspol wurde mit Granatwerfern beschossen und bei einem zweiten Anschlag sollen von einer Drohne aus zwei Bomben auf den Flughafen von Tiraspol geworfen worden sein, wie die Friedrich Naumann Stiftung berichtete.
Moskau und die separatistische Führung in Transnistrien machten die Ukraine verantwortlich. Die Ukraine beschuldigte Moskau absichtlich separatistische Tendenzen zu provozieren, um Moldawien zu destabilisieren.
Transnistrien ist seit 1992 unabhängig, völkerrechtlich gehört es jedoch weiterhin zu Moldawien. Von März bis August 1992 kam es zwischen der moldawischen Armee und Separatisten in Transnistrien zu Kampfhandlungen. Die moldawische Zentralregierung macht Russland immer wieder den Vorwurf, man habe aktiv mit der russischen Armee in diesen Kampfhandlungen teilgenommen.
Sehr unangenehm für Rest-Moldawien: Der Großteil der Industrie des Landes befindet sich in Transnistrien. Umso schwieriger ist es für das Land bei der Autonomie Transnistriens eine gute Lösung zu finden, ohne sich selbst zu schaden.
Lawrow warnt Moldawien vor Einmischung
Am 1. September 2022 richtete Sergej Lawrow eine Warnung an Moldawien sich in Transnistrien einzumischen. Laut adevarul war es die 2. Warnung in 48 Stunden. Der russische Außenminister warnt, dass eine „bedrohliche Situation“ für die Sicherheit der russischen Truppen in Transnistrien eine militärische Konfrontation mit Moskau auslösen könnte: „Jeder sollte verstehen, dass jede Aktion, die die Sicherheit unserer Truppen in Transnistrien bedroht, nach internationalem Recht als Angriff auf Russland gewertet wird.“ Moldawien erwartet, dass Russland sein in Transnistrien stationiertes Militär zurückzieht. Das russische Militär ist in Transnistrien seit 1992 offiziell zur Friedenssicherung stationiert.
Die russische Regierung ist seit langer Zeit kritisch auf die Regierung Moldawiens zu sprechen. Moldawien unterstützt eine Öffnung zur EU und hat Interesse an einer Mitgliedschaft bekundet. Seit dem 23. Juni ist Moldawien EU-Beitrittskandidat. Das Land hat sich wie die Ukraine immer mehr aus dem Machtbereich Moskaus entfernt, sehr zum Missfallen Russlands.
Massive Anti-Regierungs-Proteste
Die Angst der moldawischen Regierung ist groß, dass es in der autonomen Republik Gagausien zu ähnlichen Separatismus-Bestrebungen wie in Transnistrien kommt. Gagausien liegt im Süden von Moldawien. Im Sommer gab es dort Proteste gegen die moldawische Zentralregierung. Grund: Man kritisiert die Regierung dafür, dass man nicht enger mit Russland arbeitet und bessere Gasverträge mit der russischen Regierung abschließt.
Moldawiens Präsidentin Maia Sandu vermeidet den Kontakt zum Oberhaupt der Gagausen, Irina Vlah. Vlah kritisierte diesen Zustand laut adevarul: „Die Präsidentin war nie in der Lage, persönliche Antipathien zu überwinden und hat sich als unfähig erwiesen, einen Dialog aufzubauen. Der fehlende Dialog ist nicht nur eine unnötige Barriere zwischen Chisinau und uns Gagausen, sondern auch die falsche Taktik der Regierungspartei. Wenn Maia Sandu es vermeidet, mich persönlich zu treffen, dann vermeidet sie es, das vom Volk gewählte Oberhaupt der autonomen Region zu treffen.“
Referendum wie auf der Krim möglich
Russland hingegen hat Sorgen vor einem möglichen Referendum in Moldawien über eine Wiedervereinigung des Landes mit Rumänien. Moldawien gehörte bis 1940 zum damaligen Großrumänien und hat enge Verbindungen zum Nachbarland. Man hätte praktisch keine Einflussmöglichkeit mehr, da der Staat automatisch sich Rumänien anschließen würde und dann EU-Gebiet wäre.
Die sich zu Rumänien zugehörig fühlenden Moldawier machen laut Carnegie-Stiftung mit 80% eine deutliche Mehrheit aller Staatsbürger Moldawiens aus. Ein mögliches Referendum würde wegen dem Zugehörigkeitsgefühl zu Rumänien höchstwahrscheinlich zur Wiedervereinigung führen. Umso mehr hat man in Moskau die Befürchtung, dass nach dem Beitritt Finnlands und Schweden zur Nato, mit Moldawien ein wichtiger Staat über ein Referendum in die EU eingegliedert werden würde.
In Rumänien gibt es laut Adevarul eine Mehrheit von 74,5% für die Wiedervereinigung. Maia Sandu betonte in einer Pressekonferenz im Sommer dieses Jahr, dass ein Referendum realistisch ist, wenn die Bevölkerung Moldawiens es mehrheitlich wünscht.
Ähnliche Situation wie in der Ukraine
Die Lage in Moldawien ist vergleichbar mit der Ukraine. Die Regierung des Landes hat sich der EU angenähert und die separatistische Republik Transnistrien bleibt bei ihrer Nähe zu Russland. Die Autonomie Transnistriens ist auch das große Problem. Völkerrechtlich ist sie nicht anerkannt.
Es bleiben drei mögliche Lösungen des Konfliktes. Lösung 1: Ein Referendum auf dem kompletten Moldawischen Staatsgebiet für die Wiedervereinigung Rumäniens ab dem Zeitpunkt, ab dem sich die Bevölkerung das wünscht. Lösung 2: Eine Art Doppelreferendum in Transnistrien und Restmoldawien. Lösung 3: Die moldawische Regierung sichert Transnistrien weitere Garantien zu und unterstützt die westlich orientierteren Rumänisch sprechenden Moldawier mit einer engen Zusammenarbeit zur EU und dem mit dem Beitrittsstatus verknüpften Versprechen eines möglichen EU-Beitritts.
Durch den Krieg in der Ukraine und die Gefahr, dass Moskau über Odessa einen Weg nach Transnistrien freikämpfen könnte, bleibt die Lage in Moldawien sehr brisant. Es ist zu hoffen, dass die EU und Russland aus dem derzeitigen Ukrainekrieg nicht in die nächste Eskalation geraten. Sollte Russland militärisch gegen Moldawien vorgehen, dann müsste sich auch Rumänien als Schutzmacht seiner Diaspora in Moldawien positionieren. Eine Konfrontation, die man im Sinne Europas vermeiden sollte.