Die geldpolitische Straffung begann bereits im Frühjahr 2021, als eine Handvoll von Zentralbanken in Lateinamerika und Mitteleuropa damit begann, ihre Zinssätze zu erhöhen. Damit wollten sie ihre schwankenden Währungen stützen und die beginnende Inflation eindämmen. Bis Ende letzten Jahres schlossen sich dann auch einige reiche Länder wie Norwegen und Südkorea der Zinswende an.
Im Laufe dieses Jahres haben nun fast alle großen Notenbanken der Welt damit begonnen, ihre Zinsen zu erhöhen. Die weltweiten Zinserhöhungen sind so zahlreich und deutlich, wie es in den letzten fünf Jahrzehnten nicht mehr vorgekommen ist, so das Ergebnis einer aktuellen Zusammenstellung der Zinsschritte von 38 großen Zentralbanken durch den Economist. Das Tempo der Straffung hat demnach zuletzt sogar zugenommen.
Jeder Zinsanstieg hat globale Folgen
Diese Zinserhöhungen der verschiedenen Notenbanken laufen weitgehend unkoordiniert. Daher warnt Maurice Obstfeld, ein ehemaliger Chefvolkswirt beim IWF, dass das Versäumnis der Zentralbanken, die globalen Auswirkungen ihrer Politik zu berücksichtigen, die Gefahr eines „historischen“ Abschwungs der Weltwirtschaft birgt. Auch wenn jede einzelne Zinserhöhung vertretbar sein mag, könnten sie in ihrer Gesamtheit eine größere Wirkung haben als erwartet.
Die Zentralbanken haben der Inflation den Kampf angesagt. Sie erhöhen die Zinsen, um auf diese Weise die Geldmenge zu verringern und damit die Nachfrage zu drosseln. Doch eine gedrosselte Nachfrage wirkt sich auch auf die Nachfrage nach ausländischen Waren aus. So hilft eine Notenbank der anderen im Kampf gegen die Inflation. Wenn aber solche Effekte nicht berücksichtigt werden, könnte sich die Weltwirtschaft stärker abschwächen als beabsichtigt.
Auch die globalen Finanzströme müssen berücksichtigt werden. Denn eine Zinserhöhung in einem Land kann Geld von Anlegern aus anderen Ländern anlocken, was zu einer Aufwertung der Währung führt. Dies bedeutet eine Senkung der Importkosten, was dazu beitragen kann, die inländische Inflation zu dämpfen. Andere Staaten hingegen sehen sich dadurch mit höheren Importrechnungen konfrontiert, was ihre Inflationsprobleme verschärft.
Umgekehrter Währungskrieg
Dieser Mechanismus könnte einem umgekehrten Währungskrieg führen, bei dem jede Notenbank die eigene Währung immer weiter stärkt, um ihre Importe billiger zu machen und sozusagen ihre Inflation zu exportieren. Bei einem herkömmlichen Währungskrieg schwächen die Staaten die eigenen Währungen, um ihre Exporte billiger zu machen und dadurch ihre Wirtschaft anzukurbeln.
Die amerikanische Federal Reserve ist weiterhin die unangefochten dominierende Zentralbank, der die anderen Zentralbanken folgen müssen, ob sie wollen oder nicht. Und das erklärte Ziel, dass die Fed unnachgiebig verfolgt, nämlich die Inflation in den USA wieder auf 2 Prozent herunter zu bringen, lässt ihr wenig Spielraum, um anderen Staaten entgegen zu kommen.
Die Fed könnte Zinserhöhungen in anderen Ländern als hilfreichen Beitrag zur eigenen Inflationsbekämpfung begrüßen, selbst wenn diese Länder eins nach dem anderen in die Rezession stürzen. Denn in der Folge sinkt nicht nur die Nachfrage in diesen von einer Rezession betroffenen Staaten, sondern auch der globale Preisdruck insgesamt. Dies bedeutet, dass die Fed ihrem eigenen Inflationsziel näher kommt.
Seit 1971, als der damalige Finanzminister John Connally den Vertretern der anderen großen Volkswirtschaften der Welt sagte: „Der Dollar ist unsere Währung, aber er ist euer Problem“, hat sich die Welt finanziell noch viel stärker integriert. In dem Maße, wie die Zinssätze weltweit unkoordiniert in die Höhe schießen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass irgendein Staat der Welt unbeschadet daraus hervorgehen könnte.