Finanzen

Warum der Dollar unter Druck immer stärker wird

Trotz zügelloser Inflation und gebremstem Wachstum wird der US-Dollar immer stärker. Das verblüfft sogar viele Experten.
03.10.2022 08:52
Aktualisiert: 03.10.2022 08:52
Lesezeit: 3 min
Warum der Dollar unter Druck immer stärker wird
Trotz Inflation und verlangsamten Wachstum wird der US-Dollar immer stärker. (Foto: iStock.com/John Blottman) Foto: John Blottman

Trotz zügelloser Inflation und gebremstem Wachstum wird der US-Dollar immer stärker. Seit Mai letzten Jahres ist er gegenüber dem Yen um 28% und gegenüber dem Pfund um 20% gestiegen. Und im Vergleich zum Euro hat er um 19% aufgewertet und damit erstmals seit 2002 die Parität erreicht.

Auf dem höchsten Stand seit 20 Jahren

Auf Basis eines gewichteten Mittelwerts ist der Dollar auf dem höchsten Stand seit 20 Jahren. Gegenüber einem breiten Korb ausländischer Währungen steht er sogar noch höher als 2002. Um eine Zeit zu finden, in der der Dollar eindeutig noch stärker war, muss man in die Jahre 1983-85 zurückblicken.

In gewisser Hinsicht ist der aktuelle Dollaraufschwung verblüffend: Immerhin sollten steigende Inflation und anhaltende wirtschaftliche Schwäche die Nachfrage nach der Währung eigentlich bremsen. Aber die aktuelle Stärke des Greenback kann dadurch erklärt werden, dass die US-Wirtschaft relativ robust ist und die Federal Reserve die Zinsen immer mehr erhöht.

Sicherlich hat sich die US-Wirtschaft in diesem Jahr deutlich verlangsamt: Nach einem Wachstum von 5,7% im Jahr 2021 ist das BIP im ersten Quartal 2022 auf Jahresbasis um 1,6% und im zweiten Quartal um 0,6% gesunken, was viele zu der Meinung veranlasst, die Vereinigten Staaten befänden sich in einer Rezession.

Inflation fast überall gestiegen

Aber die Beschäftigung und andere wichtige Indikatoren legen nahe, dass die US-Wirtschaft weiterhin ungewöhnlich stark ist. Entscheidend ist, dass sie stärker ist als die ihrer größten Handelspartner. Großbritannien und die Europäische Union beispielsweise leiden aufgrund des Kriegs in der Ukraine und den Verlusten an russischem Erdgas unter einer Energiekrise. In China ist das Wachstum fast zum Erliegen gekommen, da das Land mit den Folgen einer platzenden Immobilienblase beschäftigt ist und eine vergebliche Null-COVID-Politik verfolgt. Und Japans BIP hat immer noch nicht wieder das Niveau von vor 2020 erreicht.

Die Inflation ist fast überall gestiegen. Werden die Importe und Verbrauchsgüter eines Landes teurer als seine selbst hergestellten Waren und Exporte, kann die Inflation einen negativen Effekt auf das dortige Gesamtrealeinkommen haben. Die europäischen und ostasiatischen Staaten, die von importierten fossilen Energien, Mineralien und landwirtschaftlichen Produkten abhängig sind, leiden unter einer negativen Veränderung der Handelsbedingungen, die an die Angebotsschocks der 1970er erinnert. Diese größere Empfindlichkeit gegenüber den Handelsbedingungen ist ein Faktor, der die Aufwertung des Dollars im Vergleich zu anderen Währungen erklärt: Die USA, die traditionell bereits Rohstoffe und Landwirtschaftsprodukte exportieren, sind nun auch ein Nettoenergieexporteur – unter anderem aufgrund von Fracking.

Die wichtigste Erklärung für die Aufwertung des Greenback ist wahrscheinlich der immer größere Zinsunterschied zwischen den USA und anderen großen Ländern. So werden Dollaranlagen für globale Investoren attraktiver. Als Antwort auf die Inflation hat die Fed die Zinsen in den USA schneller erhöht als die Europäische Zentralbank in Europa – und tat dies erneut auf dem Treffen ihres Offenmarktausschusses in dieser Woche. Die Japanische Zentralbank scheut hingegen davor zurück, ihre ultralockere Geldpolitik zu beenden. Sie belässt nicht nur die Kurzfristzinsen in der Nähe von Null, sondern auch die Langfristzinsen.

Vor- und Nachteile eines steigenden Dollars

Darüber hinaus bleibt der Dollar angesichts der hohen weltweiten Risiken für nervöse Investoren ein sicherer Hafen. Was das Volumen im Währungshandel und die Zusammensetzung der Auslandswährungsreserven betrifft, ist der Dollar immer noch die führende globale Währung. Der Euro, der Yen, das Pfund und der Yuan bleiben weit hinter ihm zurück.

Ein steigender Dollar hat für die USA und andere Länder Vor- und Nachteile: Den USA kann er helfen, die Inflation zu senken, aber er schränkt dort auch die Wettbewerbsfähigkeit der Exporte ein. Für andere Industriestaaten bedeutet ein steigender Dollar mehr Wettbewerbsfähigkeit im Außenhandel, aber auch höhere Inflation.

Entwicklungsländer müssen sich Währungsdiskrepanz stellen

Unterdessen müssen sich viele Entwicklungsländer – unter ihnen sogar Rohstoffexporteure, die normalerweise von höheren weltweiten Rohstoffpreisen profitieren – nun der Herausforderung einer Währungsdiskrepanz stellen. Für jene, die in Dollar verschuldet sind, bedeutet dies höhere Kreditkosten in ihrer eigenen Währung.

Außerdem könnte ein stärkerer US-Dollar andere Länder zu dem Versuch ermutigen, auch ihre eigenen Währungen zu stärken. Dies würde einen weltweiten „umgekehrten Währungskrieg“ bedeuten. Vielleicht würde sogar von den Regierungen erwartet, auf den Währungsmärkten zu intervenieren, um den Dollar wieder nach unten zu bringen, wie es die USA, Großbritannien, Frankreich, Westdeutschland und Japan getan haben, als sie 1985 das Plaza-Abkommen verabschiedeten.

Trotzdem ist der momentane Anstieg des Dollars fundamental gerechtfertigt. So lange die US-Wirtschaft besser mit der globalen Inflation zurechtkommt als ihre Handelspartner, und so lange die Fed weiterhin die Zinsen stärker erhöht als andere Zentralbanken, dürfte der Dollar stark bleiben.

Zur Person: Jeffrey Frankel, Professor für Kapitalbildung und Wachstum an der Harvard University, diente früher als Mitglied des wirtschaftlichen Beraterstabs von Präsident Bill Clinton. Er ist Forschungsmitarbeiter beim US-Nationalbüro für Wirtschaftsforschung.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

Copyright: Project Syndicate, 2022.

www.project-syndicate.org

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Politik
Politik Wahlrecht 2025: Kleinerer Bundestag, größere Auswirkungen – Das ändert sich für Wähler und Parteien
23.02.2025

Am Wahltag selbst werden die meisten Wählerinnen und Wähler keinen Unterschied bemerken. Doch hinter den Kulissen verändert sich...

DWN
Finanzen
Finanzen ROI: Return on Investment und warum eine hohe Kapitalrendite wichtig ist
23.02.2025

Eine hohe Kapitalrendite entscheidet über den finanziellen Erfolg von Unternehmen und Investoren. Erfahren Sie, warum sie so wichtig ist...

DWN
Finanzen
Finanzen BlackRock: Die unsichtbare Macht eines Finanzgiganten
23.02.2025

BlackRock ist der weltweit größte Vermögensverwalter – doch wie groß ist sein Einfluss wirklich? Buchautor Werner Rügemer erklärt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wirtschaft in der Krise – Welche Pläne haben die Parteien für Deutschland?
23.02.2025

Deutschland steckt in der Wirtschaftskrise – und die Bundestagswahl steht bevor. Wie wollen die Parteien Wachstum fördern, Steuern...

DWN
Politik
Politik Bundeswehr verstärkt Heimatschutz – neue Truppe startet im März
23.02.2025

Die Bundeswehr richtet ihre Verteidigung neu aus: Mit der Heimatschutzdivision will sie kritische Infrastruktur schützen und auf mögliche...

DWN
Politik
Politik Wahlkampf 2025: CDU/CSU zwischen Neustart und Tabubruch
23.02.2025

CDU und CSU setzen auf Steuererleichterungen, das Ende des Bürgergeldes und eine härtere Migrationspolitik. Doch wie realistisch sind die...

DWN
Politik
Politik Wie wähle ich bei der Bundestagswahl? Deutschland verweigert wahlberechtigten Auslandsdeutschen ihre Stimme abzugeben
22.02.2025

Mehrere Auslandsdeutsche berichten, zu spät oder bislang noch gar keine Wahlunterlagen erhalten zu haben. Nun drohen die Stimmen dieser...

DWN
Politik
Politik Rente mit 63: Wer wirklich von der abschlagsfreien Rente profitiert
22.02.2025

Die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren ist für Menschen gedacht, die beruflich sehr stark belastet sind. Doch aktuelle DIW-Zahlen...