Der moderne Fortschrittsdrang macht selbst vor dem Himmel nicht halt. Zigtausende Satelliten sollen es am Ende werden, die unserem Planeten überall Internet und Funkverbindungen liefern können. Bis 2027 bestehen befristete Genehmigungen für den Start von rund 12.000 Satelliten sowie obendrein Anträge von SpaceX, dem berühmten Unternehmen von Elon Musk, für weitere 30.000 Stück.
Entwicklung im Orbit wird begrüßt
Auf diese Weise soll überall auf der Erde etwa die Steuerung selbstlenkender Autos und Video-Streaming möglich werden, von militärischen Optionen und anderen Dingen ganz zu schweigen. Es geht hier um technische Innovationen und Investitionen, die sich ziemlich schnell bezahlt machen dürften. Allenthalben wird diese Entwicklung im Orbit als segensreich und sehr praktisch begrüßt – unter anderem auch politisch, weil da beispielsweise die Ukraine vor einer russisch gewollten Abtrennung vom Netz bewahrt wird. Mitunter wird das Ganze jedoch mit Besorgnis wahrgenommen, und zwar aus sieben guten Gründen, die im Folgenden zu erläutern sind.
Erstens: Es sind annähernd ein Dutzend Firmen, die sich seit wenigen Jahren anheischig machen, den Weltraum technologisch und zum Teil auch in militärischem Auftrag in Besitz zu nehmen. Unter anderem forciert Amazon seine Pläne für Internetverbindungen über tausende Satelliten in einer rund 600 Kilometer über dem Erdboden befindlichen Umlaufbahn. Eine Firma sticht ganz besonders hervor, nämlich die schon erwähnte SpaceX: Sie ist laut US-Raumfahrtjournalist Eric Berger „das innovativste Raumfahrt-Unternehmen der Welt und der wichtigste Auftragnehmer der NASA für Raumfahrtgerät.“ Auf eigenes Risiko baut Musk als reichster Mann der Welt eine gigantische Satellitenflotte zur Internet-Versorgung selbst entlegenster Teile des Planeten auf.
Im Auftrag der US-Weltraumbehörde befördert er zudem Fracht und Menschen zur Internationalen Raumstation ISS. Mit seinen „Starlink“-Satelliten betreibt SpaceX auf die Dauer weit mehr solcher Weltraummaschinen als jedes andere Unternehmen oder Land. Das Problem: Musk diktiert in der Folge zunehmend die Spielregeln im Orbit.
So kritisiert Josef Aschbacher als Chef von Europas Weltraumagentur ESA Europas stete Bereitschaft, bei dem Ausbau des Satelliten-Internets Starlink zu helfen: Damit drohe eine „Musk-Souveränität im All“. Zudem könnte der erdnahe Weltraum bald zu voll sein, denn der Platz in den erdnahen Umlaufbahnen ist tatsächlich begrenzt, und er wird ja derzeit immer mehr besetzt. Das führt schließlich zu einer sehr einseitigen, jedenfalls nicht eben demokratisch anmutenden Machtfülle des Milliardärs Musk.
Internet kann überall hingelangen
Zweitens: Der reizvolle Vorteil, dass durch die Satellitentechnik das Internet potentiell an jeden Ort der Erde gelangen kann, hat eine Kehrseite. Auf diese Weise nämlich lässt sich die bereits weltweit mehr oder weniger in Gang gesetzte Überwachungskultur perfektionieren. Nicht nur die international agierenden Geheimdienste, sondern auch die mächtigen Konzerne – und zwar just an erster Stelle diejenigen, die das Satelliten-Internet aufbauen – sind an Überwachung hochinteressiert. Diese dient insbesondere dazu, die Menschen zu einem bestimmten Verhalten zu erziehen, wie Armin Grunwald als Professor für Technikphilosophie und Technikethik erläutert: „Sobald Menschen wissen, dass ihre Daten und Bewegungsprofile flächendeckend erfasst werden, verhalten sie sich anders, als wenn sie sich frei fühlen. Das wird auch als Panoptikum-Effekt bezeichnet.“
Shoshanna Zuboff hat den umfangreichen Weltbestseller „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“ verfasst: Sie hält es für vernünftig, sich über die neue 5G-Funkvernetzung, die ja allenthalben auf Flächendeckung aus, grundsätzlich Sorgen zu machen. Denn damit werde „Tür und Tor für jene Form der Datenextraktion und des Datenflusses öffnen, die wir in einem extremen Überwachungskapitalismus finden…“ Stefan Aust und Thomas Ammann erklären in ihrem Buch „Digitale Diktatur. Totalüberwachung, Datenmissbrauch, Cyberkrieg“: „Big Brother muss kein politischer Diktator sein: Er kommt im Gewand des freundlichen Helfers für den Alltag. Die Diktatur folgt dann ganz leise von selbst.“
Der mit dem Whistle-Blower Edward Snowden befreundete Journalist und Anwalt Glenn Greenwald warnt in dem Buch „Die globale Überwachung“, die Umwandlung des Internets in ein Überwachungssystem mache es zu einem Instrument der Unterdrückung und drohe, „die schrecklichste und repressivste Waffe staatlicher Einmischung zu werden, die es in der Geschichte der Menschheit je gegeben hat.“ Durch die Verankerung dieses Überwachungssystems im Orbit, die insbesondere trans- humanistische Ambitionen stärken dürfte, verschärft sich diese Problematik enorm.
Himmel voller Satelliten
Drittens: Die so zahlreichen Satelliten vermüllen auf die Dauer den Orbit und erhöhen durch ihre Dichte die Kollisionsgefahr. Stoßen sie zusammen, würden sie in zahllose Einzelteile gespalten, die wiederum auf andere Teile treffen könnten – was eine Kettenreaktion auslösen müsste. „Starlink“ und andere Satelliten-Konstellationen sind geeignet, den Nachthimmel noch mehr zu verfremden: Zeitweise leuchtende Satelliten verleiden nicht nur dem Laien-Himmelsbeobachter den sky, sondern beeinträchtigen wohl mehr noch professionelle Astronomen.
Der Amateur-Astronom und Autor Stuart Atkinson fasste seine Eindrücke auf Twitter mit den Worten zusammen: „Früher war der Himmel friedlich, ein Ort von ruhiger Schönheit. Jetzt ist es dort oben so voll mit Satelliten, die wie Einkaufswagen an Heiligabend durch einen Supermarkt huschen. Es fühlt sich … anders an.“ Man bedenke: Bevor im Herbst 2019 die Welle der Internet-Satelliten startete, umkreisten die Erde lediglich rund 2000 aktive Satelliten – neben einigen Tausend ausrangierten Satelliten und Weltraumschrott.
Viertens: Schon nach dem Start der ersten Internet-Satelliten mahnte die Internationale Astronomische Union (IAU) das „Prinzip eines dunklen und funkstillen Himmels“ an – nicht zuletzt als „Ressource für die gesamte Menschheit und auch zum Schutz nachtaktiver Tiere“. Tatsächlich befinden sich all die Satelliten noch im Erdmagnetfeld und nehmen so auch Einfluss auf die natürliche Elektrizität der Atmosphäre. Zumal die biologischen Rhythmen von Menschen, Tieren und Pflanzen unter anderem vom natürlichen elektromagnetischen Umfeld gesteuert oder zumindest potenziell beeinflusst werden, dürfte ihr Wohlergehen mit der Stabilität dieses Umfelds zusammenhängen.
Satellitenstrahlung verursacht Schäden
Fünftens: Technisch gesehen könnte zunächst einmal die von den vielen Satelliten ausgehende Strahlung aus dem Orbit diverse Schäden verursachen. Schon vor zwei Jahren warnten Radioastronomen, nämlich die Betreiber des geplanten Riesenteleskops SKA (Square Kilometre Array), vor möglicher Beeinträchtigung ihrer Arbeit durch die Satellitennetze. Fast zeitgleich titelte futurezone.de: „Überraschende Warnung der NASA: 5G hat ein Problem, das uns alle töten könnte“! Denn der neue Mobilfunkstandard wäre womöglich imstande, die technologischen Möglichkeiten der Wettervorhersage für viele Jahre zu beeinträchtigen, ja in Notfällen die Fähigkeit zu stören, tödliche Hurrikans vorauszusehen, also Menschen rechtzeitig zu evakuieren und so ihr Leben zu retten.
Das 24-GHz-Band von 5G liegt nämlich ganz nahe an jenen Frequenzen, mit denen Mikrowellen-Satelliten Wasserdampf beobachten und Wetterveränderungen zu erkennen vermögen, so dass sich die Schwingungszahlen gegenseitig stören könnten. Wie zu hören war, arbeitete man an dem Problem. Doch ein weiteres kommt hinzu: Von 49 durch SpaceX am 3. Februar 2022 ins All beförderten Starlink-Satelliten sind 40 wegen eines Sonnensturms wieder abgestürzt und in der Erdatmosphäre verglüht.
Nun bestanden sie vor allem aus Aluminium, weil dieses bekanntlich leicht und stabil ist. Und hier lauert die ernste Gefahr, dass Unfälle dieser Art die Chemie der oberen Atmosphäre – also dort, wo sie verglühen – nachteilig verändern. Das meinen jedenfalls Forschende der Universität von British Columbia in Vancouver: Durch die Verbrennung von Aluminium entsteht Aluminiumoxid, dessen Auswirkungen auf die Atmosphäre noch ungeklärt ist. Das Aluminium könnte sich nicht zuletzt auf die Ozonschicht negativ auswirken.
Funkstrahlung belästigt Menschen Tiere und Pflanzen
Sechstens: Die sich immer mehr ausbreitende Funkstrahlung vom Himmel herunter ist geeignet, Menschen, Tiere und Pflanzen nahezu unmerklich zu belästigen. Zwar kommt sie nicht mit so starker Immission auf der Erde an wie bei den Mobilfunkmasten; aber ihre Effekte dürften ja nicht nur in der geringen Leistungsstärke als solcher liegen, sondern auch in der Art der Modulation und Information, die sie künstlich gepulst vermittelt. Jedenfalls ist die gängige, behördlich meist unterstützte Behauptung, die Strahlung richte biologisch keinen Schaden an, keineswegs unumstritten. So legte der kürzlich hochbetagt verstorbene Berliner Arzt und Medizinprofessor
Karl Hecht von der Berliner Universitätsklinik Charité in einer brieflichen, inzwischen online veröffentlichten Auseinandersetzung mit dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) dar, dass es bei der Funkfrage um eine ganzheitliche und nicht nur physikalische Betrachtung von biologischen Wesen gehen müsse: „Zur Festlegung eines Grenzwerts zur Wirkung von elektromagnetischen Funkwellenstrahlungen aller Art müssten andere Faktoren herangezogen werden, zum Beispiel die elektrophysiologischen Funktionen des Menschen (EEG, EMG, EKG, EDA) sowie die Einwirkungsdauer täglich und für Wochen, Monate und Jahre. Außerdem müssen besondere Grenzwerte für schwangere Frauen, Kinder, Kranke und Senioren berücksichtigt werden.“
Schon zwei Jahre zuvor hatte er in einer Broschüre vor dem 5G-Funk von Satelliten gewarnt: „Die thermischen Wirkungen dieses Systems bewirken ein sanftes Vergrillen des Lebens auf der Erde. Mensch, Tiere, Pflanzen. Es ist eine Erwärmung der Hülle der mit 5G-Funknetzen bestückten Erde zu erwarten.“ Tatsächlich bleibt zu fragen: Was macht es mit der Erdatmosphäre, wenn die neuen elektromagnetischen Wirkungsfelder zusätzlich auf sie und damit auf alle Lebewesen einwirken? Hingewiesen sei hierzu auf den Internationalen Appell „Stopp von 5G auf der Erde und im Weltraum“, der über 300.000 Unterschriften gefunden hat.
Er kritisiert die Internet-Satelliten unter anderem mit dem Argument, dass sie sich im Erdmagnetfeld befinden und dadurch einen bedeutenden Einfluss auf die natürliche Elektrizität der Atmosphäre haben: „Die damit einhergehende Veränderung des elektromagnetischen ‚Klimas‘ der Erde wird möglicherweise eine noch größere Bedrohung für das Leben darstellen als die Strahlung der bodengestützten Antennen.“ Eindringlich wird gewarnt: „Der Einsatz zehntausender Satelliten in der Ionosphäre und in der Magnetosphäre, welche modulierte Signale mit Millionen von Watt Leistung und in Millionen unterschiedlichen Frequenzen aussenden, wird voraussichtlich unsere elektromagnetische Umwelt über unsere Anpassungsfähigkeit hinaus verändern.“
Im Übrigen ist grundsätzlich zu bedenken, was in dem kürzlich erschienenen „Weißbuch Elektromagnetische Felder“ von Professor Wilfried Kühling zu lesen ist: „Aus sehr verschiedenen Gründen steht die heutige mobile Kommunikations-Infrastruktur (MKIS) bei Verwendung nicht ionisierender Strahlung (NIS) im Widerspruch zu den Anforderungen eines ausreichenden Gesundheits-, Klima- und Umweltschutzes. Insbesondere trägt die bisherige Regulierung der NIS den bekannten Wirkungen auf Lebewesen nicht genügend Rechnung.“
Keine Institution zur Regulierung von Satellitenstarts
Siebtens: Schließlich gilt es die rechtlichen Dimensionen der laufenden Orbit-Unternehmungen in den Blick zu nehmen. Josef Aschbacher, der bereits erwähnte Chef von Europas Weltraumagentur ESA, kritisiert, dass es keine Institution zur weltweiten Regulation von Satellitenstarts gibt. 2018 formulierten die United Nations Guidelines for the Long-Term Sustainability of Outer Space Activities: Staaten und internationale zwischenstaatliche Organisationen sollten sich mit „Risiken für Menschen, Eigentum, die öffentliche Gesundheit und die Umwelt befassen, die mit dem Start, dem Betrieb in der Erdumlaufbahn und dem Wiedereintritt von Weltraumobjekten einhergehen“ (Leitlinie 2.2c).
Der bereits zitierte, an die UNO, die WHO, die EU, den Europarat und die Regierungen aller Nationen gerichtete Internationale Appell gab im selben Jahr zu bedenken: „Der Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper (1967) schreibt vor, dass die Nutzung des Weltraums so beschaffen sein muss, ‚dass deren Kontamination vermieden und in der irdischen Umwelt jede ungünstige Veränderung infolge des Einbringens außerirdischer Stoffe verhindert wird‘ (Art. IX).“ Im Frühjahr 2020 machte Daniel Lingenhöhl in der Zeitschrift „Spektrum der Wissenschaft“ darauf aufmerksam, dass die Freisetzung der Starlink-Satelliten womöglich rechtswidrig war: „Weitere Startgenehmigungen könnten damit unwahrscheinlich werden, sofern zuvor keine Umweltprüfung durchgeführt wurde.“ Doch zwischenzeitliche Startgenehmigungen gab es – und vermutlich war das Interesse am sogenannten technischen Fortschritt dabei immer noch größer gewesen sein als das am Schutz fürs Klima und für die Lebewesen dieser Erde.
Schlussüberlegung
Es kann nicht nur um den Segen gehen, der mit den zigtausenden Satelliten über uns zweifellos verbunden sein dürfte, sondern auch um deren möglichen Fluch. Das vielleicht größte Problem dabei ist, dass real wenig Möglichkeiten bestehen, die Entwicklung durch demokratische Kräfte mitzugestalten. Das einzige, was wohl getan werden kann, ist im Grunde die Verbreitung von Informationen und die Schaffung von kritischem Bewusstsein hinsichtlich jener neuen „himmlischen“ Kräfte. Freilich dürfte es genug „irdische“ Kräfte geben, die aus verschiedenen Gründen daran interessiert sind, dass solche Kritik nicht zum Zuge kommt oder jedenfalls effektlos bleibt. Der Fortschritt wird gerade auch auf diesem besonderen Gebiet seine Ambivalenz beweisen. Baut sich am Himmel eine regelrechte Fortschrittsfalle auf?
Literaturhinweise:
Werner Thiede: Mythos Mobilfunk. Kritik der strahlenden Vernunft, 2012
Ursula Niggli: Land im Strahlenmeer. Über die gesundheitlichen Auswirkungen von Funkstrahlungen bei Mensch und Tier – eine europäische Diskussion, 2017
Werner Thiede: Die digitale Fortschrittsfalle. Warum der Gigabit-Gesellschaft mit 5G-Mobilfunk freiheitliche und gesundheitliche Rückschritte drohen, 2. Aufl. 2019
Karl Hecht: Gesundheitsschädigende Effekte der Strahlung von Smartphone, Radar, 5G und WLAN. Wissenschaftlich begründete Warnung eines Arztes vor den Todsünden der digitalisierten Menschheit, 2019 (Online-Publikation)
Renate Haidlauf: Die unerlaubte Krankheit. Wenn Funk das Leben beeinträchtigt, 2022
Wilfried Kühling/Peter Ludwig: Weißbuch ‚Elektromagnetische Felder‘. Impulse für die gesundheits- und umweltverträgliche Gestaltung des technologischen Fortschritts im Bereich Mobilfunk/5G, 2022 ([kompetenzinitiative.com])