Weltwirtschaft

USA: Kleinkrieg mit Opec+ kaschiert verfehlte Energiepolitik

Lesezeit: 5 min
14.10.2022 09:00
Die Produktionsdrosselung durch die Opec+ wird für die USA zum Problem. Die Auseinandersetzung mit dem Ölkartell kaschiert die energiepolitischen Fehler der Regierung.
USA: Kleinkrieg mit Opec+ kaschiert verfehlte Energiepolitik
US-Präsident Biden und seine Regierung befinden sich in einem Machtkampf mit Opec+. (Foto: dpa)

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Der absolute Worst-Case für die Demokraten vor den Midterm-Elections ist eingetreten. Die Opec+ beschloss die Ölproduktion zu drosseln und löste damit bei der US-Regierungspartei Entsetzen aus. Obwohl die US-Regierung eine Erhöhung der Ölförderung forderte, blieb das Ölkartell bei seiner Entscheidung. Die Opec+ genehmigte Produktionskürzungen von zwei Millionen Barrel pro Tag - obwohl die US-Regierung in den Wochen vor der Entscheidung mit allen Mitteln gegen sie vorgegangen war - und erhöhte den Ölpreis für die USA, senkte ihn für Europa und ließ ihn für Asien unverändert.

Die Forderung von hochrangigen US-Politikern nach Konsequenzen intensivieren sich nun. Nicht nur Politiker wurden unterwartet harsch, auch Journalisten befeuerten den Konflikt. Ein Reuters-Journalist behauptete, Russland und Saudi-Arabien hätten sich gegen die USA verschworen, um den Ölpreis auf 100 Dollar pro Barrel zu erhöhen. Der saudische Energieminister Abdulaziz bin Salman wies die Vorwürfe zurück. Er erklärte, die Opec+ habe proaktiv gehandelt, da der Westen die Inflation mit höheren Zinssätzen bekämpfe, was wiederum eine Rezession auslösen und die Ölnachfrage (und damit den Ölpreis) senken könnte.

Wiederaufleben von Nopec im Gespräch

Kritiker der US-Regierung forderten nun, Saudi-Arabien die Wartungsverträge für von den USA gelieferte militärische Ausrüstung zu kündigen, und Tage später brachten drei demokratische Kongressabgeordnete einen Gesetzesentwurf ein, der den Abzug von US-Truppen und Luftabwehrsystemen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Königreich vorsieht. Zwei weitere demokratische Abgeordnete brachten einen Gesetzentwurf ein, der alle Waffenverkäufe an Riad stoppen würde.

Im Gespräch ist auch, dass der US-Kongress den No Oil Producing and Exporting Cartels Act (Nopec) wieder aufleben lassen könnte, der die souveräne Immunität der Opec+ als Gruppe und ihrer einzelnen Mitgliedsstaaten vor US-Gerichten aufheben würde, so dass sie im Rahmen der US-Kartellgesetzgebung strafrechtlich verfolgt oder zur Untersuchung an die Welthandelsorganisation verwiesen werden könnten. Was würde Nopec, sollte es tatsächlich dazu kommen, bewirken? Es könnte die Ölpreise in die Höhe treiben und die Vorherrschaft des Petrodollars beenden, insbesondere wenn Saudi-Arabien seine Ölverkäufe an China, seinen größten Kunden, in Yuan bepreist und das Öl damit faktisch vom Dollar abkoppelt.

Die Opec+-Entscheidung zur Drosselung der Öl-Produktion basierte, wie es der saudische Energieminister sagte, auch auf den Fundamentaldaten des Marktes. Die Tatsache, dass US-Präsident Joe Biden Saudi-Arabien und seinen Kronprinzen Mohammed Bin Salman wegen der Ermordung Jamal Kashoggis als „Paria“ bezeichnete, dürfte jedoch seinen Teil dazu beigetragen haben. Im Wahlkampf klingt sowas gut, aber im Umgang der USA mit dem Königreich kommt man um den Kronprinzen nicht herum. Der OPEC+ wurde von westlichen Medien nachgesagt, sie habe sich auf die Seite der Russen geschlagen. Die US-Nachrichtensender nahmen diese Haltung gerne auf und so entwickelte sich die letzten Wochen eine anti-saudische Stimmung in den US-Medien.

Verfehlte US-Energiepolitik

Deutlich wurde in den letzten Tagen, wie isoliert die USA in der OPEC+ sind und dass es nicht mehr viele verlässliche Verbündete in der Region zu geben scheint, die dem Land bei Seite stehen. Zusätzlich wird immer klarer, dass der Versuch Bidens, einige der berüchtigsten Diktatoren der Welt anzuflehen, nach mehr Öl zu bohren, fehlschlägt. Diese Energiestrategie wurde als „Not In My Backyard“- oder NIMBY-Energiepolitik bezeichnet. Anstatt das reichlich vorhandene Erdöl und Erdgas aus den heimatlichen US-Böden zu fördern, plante die Regierung Biden den Bau unzuverlässiger Solarparks und die Einfuhr fossiler Brennstoffe aus Ländern, die die Umwelt stärker belasten.

Dazu passt auch, dass die US-Regierung im September darauf verzichtet hat, ein zweites Mal im Jahr die eigenen Erdölreserven anzufassen. Im März genehmigte man die Freigabe von 1 Million Barrel pro Tag aus dem SPR (Notfallreservoir) über einen Zeitraum von sechs Monaten, um die Ölpreise zu senken und die inländische Produktion durch Verträge mit Unternehmen über den Kauf von Öl zu festen Preisen anzukurbeln. Diese Sturheit könnte den Demokraten und Joe Biden bei den Wahlen jetzt zum Verhängnis werden. Schon Mitte September wurde vor einem globalen Ölversorgungsengpass gewarnt, die US-Regierung nahm die Warnungen nicht ernst und steht nun drei Wochen vor den Parlamentswahlen, vor einem ernsthaften Problem.

So hofft die Biden-Regierung darauf, dass die Wähler diese Politik und damit die Versäumnisse der Regierung vergessen. Die USA haben der OPEC+ selbst die Oberhand verschafft und sich dadurch in eine unangenehme Position gebracht. Zu den Versäumnissen gehört auch, dass die Regierung mit dem Amtsantritt Bidens den Bau der Öl-Pipeline Keystone XL stornierte und im Jahr 2021 neue Öl- und Gaspachtverträge für die Bundestaaten festgelegt hatte.

Zudem hat man im Sommer 2021 die „sozialen Kosten des Kohlenstoffs“ erhöht, eine Maßnahme, die es den Bundesbehörden erschweren wird, neue Öl- und Erdgasprojekte zu genehmigen und welche Kreditentscheidungen von Investoren wie Goldman Sachs beeinflusst, die zuvor angekündigt hatten, keine Kredite mehr für neue Ölbohrungen in der Arktis zu vergeben. Joe Bidens Umfragewerte haben sich (abzulesen auf der Nachrichtenseite realclearpolitics.com) von -20,7% auf -10,2% verbessert und könnten zum ersten Mal seit Dezember 2021 wieder im einstelligen Minusbereich landen.

US-Benzinpreise gestiegen

Dass laut der New York Times die Benzinpreise in den USA Anfang Oktober wieder angestiegen waren zeigt, warum die Biden-Administration so einen Druck auf die Opec+-Staaten ausübte, die Ölproduktion zu erhöhen. Dieser Versuch ist nun fehlgeschlagen und es stellt sich die Frage, ob Joe Biden angesichts der Problematik doch von seiner Haltung, die Erdölreserven nicht aufzufüllen, Abstand nimmt, um einen kurzfristigen Effekt zu erzielen und die Benzinpreise im eigenen Land zu senken. So könnte er sein Wahlversprechen, die Benzinpreise niedrig zu halten, einhalten.

Bezüglich Opec+ stellt sich die Frage, wie die Zukunft der USA auf den Energiemärkten nun aussieht. Biden wird wahrscheinlich beiseite stehen, während der US-Kongress Gesetzesentwürfe vorantreibt, die OPEC+ angreifen und den Abzug von US-Truppen und Ausrüstung aus den VAE und dem Königreich fordern.

Dann wäre da noch die Zivilklage gegen Mohammed Bin Salman wegen der Ermordung von Jamal Khashoggi. Der vorsitzende Richter hat die US-Regierung aufgefordert, sich dazu zu äußern, ob Bin Salman Immunität genießt oder nicht. Saudi-Arabiens König Salman ibn Abd al-Aziz hat Mohammed Bin Salman zum Premierminister des Landes gemacht, um ihm vor dem Prozess Immunität als „Regierungschef“ zu gewähren, aber wenn Bidens Justizministerium Mohammed Bin Salman oder die OPEC+ verfolgt, könnten das Ende der Beziehungen zwischen dem saudischen Königshaus und den USA folgen.

Nopec würde USA wirtschaftlich schaden

Sollte es zum Ende der Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien und damit zu Nopec kommen, steht ein Nachfolger schon in den Startlöchern. China hat in den letzten Jahren die Beziehungen zu seinem wichtigsten Öllieferanten immer mehr intensiviert. Gleichzeitig hat Peking seine Präsenz im Energiebereich der Region ausgebaut und seine Investitionen in den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Königreich (sowie im Iran) erhöht. Riad könnte sich über die Beziehungen mit China den Weg in die BRICS-Staaten erleichtern und nebenbei noch Geld verdienen, indem es verbilligtes russisches Rohöl für die heimische Stromerzeugung kauft und so sein hochwertiges Arab-Light-Öl exportieren kann, das sich mit einem Aufschlag verkaufen lässt.

Ein Ende der Beziehung zu Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten wäre für die USA allerdings zu riskant. Zu sehr ist das Land abhängig vom Ölriesen und die amerikanische Rüstungsindustrie wird sich gegen jede Maßnahme wehren, die die Verkäufe an zwei ihrer besten Kunden, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, einschränkt. Weiterhin würde China nur darauf warten, die Rolle der USA als enger Verbündeter Riads einzunehmen, was nicht im Interesse Washingtons sein kann. Wahrscheinlicher ist also, dass man mit der im Wahlkampf fruchtbaren Stimmung gegen Opec+ weitermacht und Maßnahmen, die die Beziehung Riad-Washington beenden würden, nicht ernsthaft erwägt.


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