Unternehmen

Vier Insolvenzen bei Traditionsunternehmen in einem Monat

Lesezeit: 3 min
19.10.2022 17:00  Aktualisiert: 19.10.2022 17:14
Die Energiekrise wird für deutsche Firmen zu einer schweren Belastung. Innerhalb eines Monats mussten vier große Traditionsunternehmen Insolvenz anmelden.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Energiekrise bringt immer mehr deutsche Unternehmen in große Schwierigkeiten. Alleine im laufenden Monat Oktober ist es bei vier Traditionsunternehmen mit über 100 Jahren Unternehmensgeschichte zu Insolvenzen gekommen. Die neuesten Fälle sind Autozulieferer Borgers, Seifenhersteller Kappus und das Bauunternehmen Wolff Hoch- und Ingenieurbau.

156 Jahre Unternehmensgeschichte

Der Autozulieferer Borgers aus dem nordrhein-westfälischen Bocholt wurde 1866 gegründet und hat 156 Jahre Unternehmensgeschichte hinter sich. Am 17. Oktober bestätigte die Kanzlei des Düsseldorfer Rechtsanwalts Frank Kebekus, er sei zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden. Die Firma steckt nach Angaben des Handelsblatts seit Jahren in der Krise. Das Unternehmen hat 6000 Mitarbeiter und produziert Verkleidungen, Dämpfungen und Isolationen aus Naturfasern und Kunststoffen. Zu den größten Kunden des Unternehmens zählt Volkswagen.

Im Jahr 2020 hatte Borgers bei einem Umsatz von 660 Millionen Euro 68 Millionen Euro Verlust erwirtschaftet. Nach Angaben der Firma hatte man 2019 noch einen Umsatz von 864 Millionen Euro. Die Borgers Gruppe besteht aus der Borgers SE & Co KGaA als Holdinggesellschaft und operativ tätigen Gesellschaften in Europa, China und den USA. Noch im Sommer hatte Borgers das Maschinenbau-Segment mit den Unternehmen Olbrich GmbH und R+S Automotive GmbH an die US-Firma Matthews International Corporation verkauft. Im größten Geschäftsbereich Automotive werden laut dpa rund 80 Prozent des Gruppenumsatzes insbesondere mit textilen Produkten für Pkw und Nutzfahrzeuge getätigt.

Kosten für Material und Personal

Anfang Oktober war bekannt geworden, dass der Seifenhersteller Kappus am 30. September seinen Insolvenzantrag in Eigenverwaltung beim Amtsgericht Freiburg im Breisgau gestellt hat. Laut der Lebensmittelzeitung will sich das Unternehmen aus dem baden-württembergischen Heitersheim mit seinen 181 Mitarbeitern selbst sanieren.

Das Unternehmen wurde im Jahr 1848 gegründet und kommt auf stolze 170 Unternehmensjahre. Der Grund für die Insolvenz sollen die Kosten für Material und Personal sowie Versorgungsengpässe und gestiegene Logistikpreise sein. Bis Jahresende sind die Löhne der Mitarbeiter über die Bundesagentur für Arbeit gesichert, wie die Lebensmittelzeitung schreibt. Für Kappus ist es die zweite Insolvenz innerhalb von fünf Jahren. Im September 2018 hatte das Unternehmen wegen steigender Rohstoffpreise schon einmal Insolvenz anmelden müssen und war nach eineinhalb Jahren saniert.

Anfang Oktober musste auch der 130 Jahre-alte Traditionskonzern Bodeta Insolvenz anmelden. Der Süßwarenhersteller mit seinen 120 Mitarbeitern wurde 1892 in Oschersleben gegründet. Grund sind laut einem Sprecher des Unternehmens die steigenden Energiepreise für die energieintensive Produktion gewesen, so habe sich der Zucker um über 100 Prozent verteuert und die Glukosepreise seien um 200 Prozent hochgegangen. Ein weiterer Punkt sei die Anhebung des Mindestlohns seit 1. Oktober 2022 gewesen. Die Produktion soll während des Sanierungsprozesses zunächst wie gewohnt weiterlaufen. Die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter sind bis Ende November durch die Bundesagentur für Arbeit gesichert. Bodeta ist insbesondere durch die grün verpackten Eukalyptus-Menthol-Bonbons bekannt.

Preisexplosionen bei Holz, Stahl und Kunststoff

Am 12. Oktober wurde auch die Insolvenz des Saarbrücker Bauunternehmens Wolff Hoch- und Ingenieurbau bekannt. Das Unternehmen wurde 1892 gegründet und hat 105 Mitarbeiter. Grund für die Insolvenz sind Engpässe beim Personal und in der Lieferung auf den Baustellen. Für das Unternehmen kam alles auf einmal, wie Geschäftsführer Martin Hermann gegenüber dem saarländischen Rundfunk berichtete. Personalausfälle wegen Corona, eine Preisexplosion bei Holz, Stahl und Kunststoff, ein wochenlanges Warten auf Baumateriallieferungen und Handwerker aus der Ukraine, die in den Krieg eingezogen wurden, waren für das Unternehmen zu viel. Dadurch sei man an vielen Baustellen in Verzug geraten, die Auftraggeber hätten nicht mehr bezahlt und es sei zu hohen Vertragsstrafen gekommen.

Aktuell fehlen dem Unternehmen 20 Millionen Euro, was ungefähr ein Drittel des jährlichen Bauvolumens von circa 60 Millionen ausmacht. Die Geschäfte sollen trotz der Insolvenz mit allen Beschäftigten weiterlaufen. Momentan sei laut Insolvenzverwalter Marc Herbert nicht genügend Geld vorhanden, um ohne ein Insolvenzverfahren das Unternehmen weiterführen zu können. Eine positive Nachricht ist, dass das Unternehmen genug Aufträge bekommt. Man bearbeitet 30 Großprojekte. Der kurzfristige Plan ist eine Sanierung, damit Wolff Hoch- und Ingenieurbau auf lange Sicht konkurrenzfähig ist.

 


Mehr zum Thema:  

 

DWN
Politik
Politik AfD-Verbotsantrag? Ex-SPD-Chef Gabriel favorisiert ein anderes Vorgehen
08.10.2024

Soll der Bundestag einen AfD-Verbotsantrag vor das Bundesverfassungsgericht bringen? Die Meinungen über diesen parteiübergreifenden...

DWN
Politik
Politik Ramstein-Treffen: Selenskyj fordert vor mehr Waffen und will Siegesplan präsentieren
08.10.2024

Vor dem anstehenden Ramstein-Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Verbündeten des...

DWN
Politik
Politik Migrationsabkommen gegen den Fachkräftemangel: Wer profitiert wirklich?
08.10.2024

Das jüngst unterzeichnete Migrationsabkommen zwischen der Bundesrepublik und Kenia soll für beide Länder gewinnbringend sein. Doch was...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Commerzbank warnt vor Risiken bei Übernahme durch Unicredit
07.10.2024

Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp sieht bei einer Übernahme durch die italienische Großbank Unicredit große Risiken. Auch der...

DWN
Politik
Politik Kranken- und Pflegeversicherung: Milliardenschweres Finanzloch - Beiträge könnten noch stärker steigen
07.10.2024

Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung könnten im kommenden Jahr stärker steigen als bisher befürchtet. Es fehlen Milliarden...

DWN
Politik
Politik BRICS-Alternative zu SWIFT vorerst auf Eis gelegt: Differenzen bremsen Fortschritt
07.10.2024

Die BRICS-Währung bleibt vorerst ein Fernziel. Doch der wachsende Handel in nationalen Währungen und das Interesse neuer Länder wie der...

DWN
Technologie
Technologie Medizin-Nobelpreis an Genregulations-Forscher
07.10.2024

Heute hat in Stockholm die Bekanntgabe der diesjährigen Nobelpreisträger begonnen. Für den Medizin-Nobelpreis steht die Entscheidung...

DWN
Immobilien
Immobilien Zweitimmobilien: Diese steuerlichen Aspekte müssen Sie beachten - Fachanwalt Martin Kahllund im DWN-Interview
07.10.2024

Viele Eigentümer von Immobilien sind sich nicht vollständig über die steuerlichen Auswirkungen bewusst, die ihr Besitz mit sich bringt....