Politik

Midterm-Wahlen in den USA: Was sich ändert, wenn die Republikaner gewinnen

Lesezeit: 5 min
06.11.2022 09:00
Eine Mehrheit für die Republikaner im Senat und im Repräsentantenhaus ist greifbar nah. Was würde sich ändern, wenn die Partei beide Kammern dominiert?
Midterm-Wahlen in den USA: Was sich ändert, wenn die Republikaner gewinnen
Am 8. November wählen die US-Bürger den Senat und das Repräsentantenhaus. (Foto: dpa)

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Die Umfragewerte für die Republikaner sehen sehr gut aus. Sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat könnte die Great Old Party (GOP) auf eine Mehrheit kommen. In der Zusammenfassung aller aktuellen Umfragen für das Repräsentantenhaus vom Umfragedaten-Aggregator realclearpolitics haben die Republikaner derzeit einen Vorsprung von drei Prozent.

GOP könnte auch Senatsmehrheit winken

In den letzten Wochen sind aber auch die entscheidenden Senatsrennen enger geworden. In Pennsylvania hatte Senatskandidat John Fetterman im direkten Duell mit dem ehemaligen Leibarzt von Donald Trump, Dr. Mehmet Oz, zu kämpfen und machte gesundheitlich nicht den fittesten Eindruck. Fetterman hatte im Mai dieses Jahr einen Schlaganfall erlitten und das Team von Oz versuchte diese Schwäche des Kandidaten der Demokraten für sich zu nutzen. Der Vorsprung von Fetterman liegt bei der Zusammenfassung aller Umfragen bei realclearpolitics nur noch bei 0,4 Prozent.

In der Vorhersage von realclearpolitics würden die Republikaner vier Senatssitze hinzugewinnen, was mit einer krachenden Niederlage der Demokraten gleichzusetzen wäre. Auch die Vorhersage vom Umfrage Aggregator fivethirtyeight sieht die Wahrscheinlichkeit für eine Mehrheit der Republikaner bei 53 Prozent. Hohe Kriminalitätsraten in entscheidenden Bundestaaten, Inflation und die Energiekrise haben den Demokraten im Wahlkampf geschadet. Entsprechend sieht es für die Wahl am 8. November sehr düster aus.

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Forcieren von Ermittlungen

Was würde eine Mehrheit der Republikaner in beiden Kammern für die Politik bedeuten? Was würde es für Europa bedeuten und für die Energiekrise oder den Krieg Russlands in der Ukraine?

Womit man im Fall einer Mehrheit für die Republikaner auf jeden Fall innenpolitisch rechnen kann, ist ein Regierungsstillstand, wie das Internet-Magazin Salon erklärt. In vielen Rennen um das Repräsentantenhaus und den Senat haben die Republikaner Wunschkandidaten von Donald Trump aufgestellt. Viele darunter glauben an einen Betrug bei der letzten US-Präsidentschaftswahl und sind laut Salon auf Rache aus. Die Abgeordnete des Repräsentantenhaus Maryjorie Taylor Greene ist ihre prominenteste Unterstützerin.

Ein zentrales Ziel vieler Mitglieder dieser Bewegung ist laut Salon gegen Politiker der Demokraten wie Kamala Harris, Joe Biden, Anthony Blinken, Hunter Biden, aber auch gegen Generalstaatsanwalt und den Leiter des Heimatschutzes vorzugehen und zu versuchen, Ermittlungen einzuleiten. Kevin McCarthy, voraussichtlicher Sprecher der Republikaner im Repräsentantenhaus, versucht laut Salon, den Eifer der Ermittlungen zu entschärfen, aber wie Greene dem Reporter der New York Times, Robert Draper, mehr oder weniger erklärte, wird er entweder tun, was sie will, oder sie wird die wütende GOP-Basis auf ihn hetzen.

Sie reichte am Tag nach seiner Amtseinführung ein Amtsenthebungsverfahren gegen Biden ein. Tatsächlich hat sie bereits fünf davon eingereicht. Draper hatte im Oktober ein Buch über den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 und den Aufstieg von Greene geschrieben.

Für Steuersenkungen und gegen Medicare

Eine der ersten Handlungen bei einer Mehrheit der GOP im Senat und im Repräsentantenhaus wird es laut Salon auch sein, die Steuersenkungen von Donald Trump zu verlängern und Unternehmen mehr zu bieten. Joe Biden wird gegen jeden Versuch ein Veto einlegen und damit entsteht wieder die Blockadepolitik, die es auch in der Amtszeit von Donald Trump gegeben hatte. Es ist also davon auszugehen, dass die Republikaner die Kopie der Politik der Demokraten während Trumps-Amtszeit anpeilen werden.

Ein umstrittenes Thema dürfte dann auch wieder die Sozialversicherung und Medicare sein. Viele Republikaner haben ein Interesse an der Abschaffung von Medicare und der Sozialversicherung und McCarthy bestätigte laut Salon, dass es dieses Vorhaben gibt. Wie so ein Vorhaben bei den Wählern im Land ankommt, wird abzuwarten sein. Parteiübergreifend gibt es Amerikaner, die von der Versicherung und Medicare profitieren. Donald Trump betonte zwar, man wolle die Sozialversicherung schützen, ob er sich aber im Zweifelsfall wirklich gegen seine Unterstützer stellen würde, ist fraglich.

Spiel mit der Zahlungsfähigkeit

Angedeutet wurde auch von vielen Kandidaten der Republikaner für den Senat und das Repräsentantenhaus, dass man die Schuldenobergrenze der Regierung im Falle eines Sieges blockieren würde. Die Kolumnistin der Washington Post, Catherine Rampell, befasste sich laut Salon kürzlich mit den wahrscheinlichen Folgen eines Spiels mit der Zahlungsunfähigkeit der Regierung unter den derzeitigen wirtschaftlichen Bedingungen.

Ein solcher Schritt könnte nicht nur die Kreditwürdigkeit des US-Finanzministeriums zerstören, sondern laut Rampell auch „versehentlich jeden anderen Finanzmarkt der Welt in die Luft jagen“. So ein Vorgehen der Republikaner wäre ein drastischer Schritt angesichts der Lage, in der sich die Weltwirtschaft befindet. Laut Rampell gehört dies zu einer Strategie, die beide führenden Parteien in den USA in den letzten Jahren gefahren sind. Man torpediert die Handlungsfähigkeit der Konkurrenz.

Für Europa könnte eine Mehrheit der Republikaner im Senat und im Repräsentantenhaus vor allem bedeuten, dass man mehr auf sich allein gestellt ist, sowohl außenpolitisch als auch in Energiefragen. Die Republikaner und Demokraten werden dann weniger Zeit und Bedeutung auf Europa legen. Im Fokus werden dann mehr innenpolitische Themen sein.

Militärhilfen für die Ukraine als Erpressung

McCarthy brachte auch eine Änderung der Ukraine-Politik der USA ins Spiel. Einige Republikaner haben die Absicht, der Ukraine weitere Militärhilfe zu verweigern. McCarthy sagte laut der Nachrichtenagentur AP am 18. Oktober, dass es keinen Blankocheck für die Ukraine gibt in Sachen Militärhilfe, sollten die Republikaner die Midterm-Elections gewinnen: „ Ich glaube, die Leute werden in einer Rezession sitzen und keinen Blankoscheck für die Ukraine ausstellen. Sie werden es nicht tun. Es ist kein kostenloser Blankoscheck.“

Die Reaktionen innerhalb der GOP ließen nicht lange auf sich warten. Mitch McConnell, wichtiger Entscheidungsträger bei den Republikanern und der zukünftige Sprecher des Senats, wenn die Republikaner die Mehrheit bekommen würden, schob McCarthy’s Plänen laut der Financial Times direkt einen Riegel vor und rief zu mehr Militärhilfe für die Ukraine auf. McConnell versprach, dass sich bei einer Mehrheit der Republikaner im Senat die Militärhilfe für die Ukraine erhöhen würde und auch der ehemalige Vizepräsident Mike Pence warnte seine Partei, dass es kein Ende der Militärhilfen für die Ukraine geben darf.

Auch bei den Demokraten entstand eine Debatte darüber, wie man mit der Hilfe für die Ukraine umgehen sollte. Einzelne Parteimitglieder schrieben einen Offenen Brief an Präsident Biden, um diesen von einer strategischen Kursänderung in der Ukraine-Politik zu überzeugen. Einen Tag später zogen die Politiker ihren Brief wieder zurück.

Wissenschaftler Gregory Magarian von der Washinton University in St. Louis sieht im Gespräch mit der dpa in der Vorgehensweise von McCarthy eine Doppelstrategie: „McCarthy versucht zum einen, einige der Trump-Unterstützer anzusprechen und zum anderen, die Drohung bezüglich der Militärhilfen als Druckmittel einzusetzen, um in anderen politischen Fragen mehr von dem zu bekommen, was er will. Wenn die Republikaner das Repräsentantenhaus erobern, kann er sagen: Okay, wenn Biden uns in Sachen XYZ nicht das gibt, was wir wollen, dann werden wir unsere Bereitschaft, die Hilfe für die Ukraine zu unterstützen, überdenken.“ Laut Salon ist Kevin McCarthys Drohung, die Hilfe für die Ukraine einzustellen, nicht wirklich ein Produkt der Trumpschen „America First“-Philosophie. Es ist der GOP-Isolationismus, dessen politischer Vater der ehemalige Sprecher des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich ist.

Überparteilichkeit der GOP nichts neues

Die reflexartige Überparteilichkeit der GOP gibt es schon seit langem, wie Amanda Marcotte von Salon in ihrem Mitte Oktober erschienenen Interview mit der Historikerin Nicole Hemmer darlegt. Trump hat das alles nicht erfunden. Eine geteilte Regierung gibt den Republikanern die Möglichkeit, das zu tun, was sie wirklich gerne tun und was ihre Wähler fordern: Die Liberalen zu besiegen.

Die letzten Jahre seit Trumps Wahlsieg 2016 haben gezeigt, dass beide Parteien das Spiel mit der Blockadepolitik zum Schaden des Landes perfekt beherrschen. Bei einer Mehrheit im Senat und Repräsentantenhaus wären die Republikaner am Zug - während die Demokraten während Trumps Amtszeit eifrig dabei waren, gegen die damalige US-Regierung zu arbeiten. Die entscheidende Frage dabei ist: Wie weit geht die GOP im Falle einer Mehrheit in beiden Kammern?


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