Politik

Lagebericht Ukraine: Russland meldet Einnahme von Soledar

Russische Truppen haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums das schwer umkämpfte Soledar im Osten der Ukraine eingenommen. Nun liegt Bachmut im Fokus.
13.01.2023 11:50
Aktualisiert: 13.01.2023 11:50
Lesezeit: 3 min

Russland hat nach tagelangen schweren Kämpfen die Einnahme von Soledar im Osten der Ukraine gemeldet. Russische Einheiten hätten die Kleinstadt am Donnerstagabend vollständig erobert, teilte Verteidigungsministerium in Moskau am Freitag mit.

Am Freitagmorgen hatte die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar allerdings erklärt, die für beide Seiten verlustreichen Kämpfe würden andauern. Für Russland geht es auch um einen wichtigen propagandistischen Sieg, denn eine Eroberung wäre der größte militärische Erfolg seit einer Serie von Rückschlägen in den vergangenen Monaten. In der Regierung in Kiew wachsen unterdessen Befürchtungen, Belarus könnte in den Krieg eintreten und zusammen mit Russland eine neue Front im Norden der Ukraine eröffnen.

"Die Einnahme von Soledar wurde durch konstanten Beschuss des Feindes durch Stoßtruppen, Luftwaffe, mit Raketen und Artillerie ermöglicht", erklärte das russische Verteidigungsministerium. Zudem seien die Einheiten umgruppiert worden. Es seien damit die Voraussetzungen geschaffen worden, um ukrainische Truppen von der nahe gelegenen Stadt Bachmut abzuschneiden.

Dagegen schrieb die ukrainische Ministerin Maljar auf Telegram: "Die Nacht war hitzig, die Kämpfe gingen weiter." Die ukrainischen Soldaten versuchten, sich gegen die intensiven russischen Angriffe zu stemmen. Der Feind habe alle Hauptkräfte in Richtung Donezk geworfen, seine Offensive sei weiterhin stark. "Dies ist eine schwierige Phase des Krieges, aber wir werden gewinnen."

Außerhalb von Soledar hatten sich ukrainische Soldaten in winterlichen Wäldern in Schützengräben eingegraben. Ein 24-jähriger Soldat mit dem Spitzamen Buk sagte Reuters, die Intensität des Artillerienfeuers habe um etwa 70 Prozent zugenommen. Die Truppen würden aber die Stellungen halten. "Die Lage ist schwierig, aber stabil." Reuters konnte die Situation in der Stadt, die vor dem Krieg etwa 10.000 Einwohner hatte, nicht überprüfen. Nach ukrainischen Angaben sind mehr als 500 Zivilisten in der Stadt eingeschlossen, darunter 15 Kinder.

UKRAINE UND RUSSLAND BEZEICHNEN KÄMPFE ALS FLEISCHWOLF

Der Kampf um Soledar und um das nahe gelegene, gut zehnmal so große Bachmut wird von beiden Seitenwegen der hohen Verluste als "Fleischwolf" beschrieben. Er ist auch von großem symbolischen Wert, nachdem die Frontverläufe sich seit zwei Monaten kaum verändert haben und weder Russland noch die Ukraine einen größeren Erfolg melden konnte. Russische Angaben zu dem Kämpfen um Soledar waren in den vergangenen Tagen widersprüchlich.

Der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, meldete am Mittwoch die Einnahme der Kleinstadt. Die von Russland eingesetzten Behörden erklärten dagegen, es gebe noch "Widerstandsnester". Die USA erwarten von dem Ausgang der Kämpfe keine entscheidende Wendung. Auch wenn Soledar und Bachmut in russische Hände fielen, werde dies keine strategische Auswirkungen haben, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats in den USA, John Kirby.

Prigoschin hat den Vorstoß seiner Söldner auf Bachmut erst kürzlich damit begründet, dass es dort riesige Tunnelsysteme gebe, in denen Truppen und Panzer Unterschlupf finden könnten. Auch von den immensen Salzminen um Soledar könnte die russische Seite profitieren, sobald die Region unter ihrer Kontrolle ist. In der US-Regierung gibt es Mutmaßungen, dass Prigoschin möglicherweise die persönliche Kontrolle über die Bergwerke in der Umgebung erringen und sie ausbeuten will.

In der Ukraine richtet sich die Aufmerksamkeit auch auf die Grenze zu Belarus im Norden des Landes. Der Vertreter des Außenministeriums in Moskau, Alexej Polischtschuk, schloss am Freitag eine Beteiligung von Belarus am Krieg nicht aus. Voraussetzung sei ein Angriff der ukrainischen Armee auf das Nachbarland, sagte er der russischen Nachrichtenagentur Tass. Russland hat Belarus bereits früher als eine Ausgangsbasis für seine am 24. Februar 2022 begonnene Invasion genutzt. Zudem haben Russland und Belarus angekündigt, die militärische Zusammenarbeit auszubauent und eine gemeinsame Kampfeinheit aufgebaut.

Gemeinsame russisch-belarussische Militärübungen sollen nach Darstellung Polischtschuks eine Eskalation der Lage verhindern. Potenzielle Gegner sollten abgeschreckt und von Provokationen abgehalten werden. Die endgültige Entscheidung über militärische Maßnahmen liege bei den Präsidenten Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko. Kommende Woche soll ein gemeinsames Luftwaffen-Manöver beginnen. Am Mittwoch hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gefordert, sein Land müsse sich an der Grenze zu Belarus auf alles gefasst machen.

Die schweren Kämpfe befeuern in Europa die Kontroverse über die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine. Die Bundesregierung hielt sich bedeckt zum polnischen Vorstoß, die Panzer zur Verfügung zu stellen. Es gebe keine offizielle Anfrage aus Polen, sagte eine Regierungssprecherin am Freitag in Berlin. Da die Panzer aus deutscher Produktion sind, muss die Bundesregierung Exporten zustimmen. Mit Spannung wird nun das "Ramstein-Treffen" der Ukraine-Unterstützer am kommenden Freitag erwartet. Dann könnte eine Entscheidung für gemeinsame Leopard-Lieferungen europäischer Staaten an die Ukraine fallen. (Reuters)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft CO2-Zertifikate: Europas Aufschub, der Autofahrer teuer zu stehen kommt
15.11.2025

Europa verschiebt den Start seines neuen CO2-Handelssystems – doch die Benzinpreise werden trotzdem steigen. Während Brüssel von...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt 2030: Diese Fachkräfte werden in fünf Jahren gebraucht
15.11.2025

Automatisierung, KI und Klimawandel verändern den globalen Arbeitsmarkt rasant. Bis 2030 entstehen Millionen neuer Jobs, doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzielles Notfallpaket: So sichern Sie Ihr Vermögen in Krisenzeiten
15.11.2025

In Zeiten wachsender Unsicherheiten rückt neben Notvorräten und Fluchtplänen auch die finanzielle Absicherung in den Fokus. Marek...

DWN
Politik
Politik Für einen Kampfjet braucht es 400 Kilogramm seltene Erden: Europa im Wettbewerb mit China und den USA
15.11.2025

Seltene Erden sind zu einem entscheidenden Faktor in globalen Machtspielen geworden und beeinflussen Industrie, Verteidigung und Hightech....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klassengesellschaft 2.0 – Warum Demokratie ohne soziale Gleichheit zerbricht
15.11.2025

In Deutschland redet kaum jemand über Klassen – als wäre soziale Herkunft heute keine Machtfrage mehr. Doch die Soziologin Prof. Nicole...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzblasen 2025: Wo der nächste große Crash drohen könnte
15.11.2025

An den Finanzmärkten steigt die Nervosität. Künstliche Intelligenz treibt Bewertungen auf Rekordhöhen, Staaten verschulden sich wie nie...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienpreise: Boom zu Neuverträgen – eine Prognose
15.11.2025

Laut ifo sind Neuverträge in Großstädten um 48 Prozent teurer als Bestandsverträge. Das, so Experten, ist nicht nur ein Problem für...

DWN
Finanzen
Finanzen So profitiert Trumps Familie im Kryptosektor: CZ-Deals bringen Milliarden
14.11.2025

Der Fall um Čangpeng Žao und die Trump Familie wirft ein Schlaglicht auf die Verknüpfung von Kryptowährungen, Finanzströmen und...