Es waren zuletzt turbulente Wochen und Monate an den Goldmärkten. Infolge der Zinswende fiel Gold zwischenzeitlich unter 1.600 Dollar, um dann in relativ kurzer Zeit wieder Preise von über 1.900 Dollar zu erreichen. Erfahrene Goldanleger lassen sich von den kurzfristigen Schwankungen nicht beunruhigen. In den letzten zwanzig Jahren war Gold ein besserer Inflationsschutz als jede andere Anlageform. Das gelbe Edelmetall ist aber in erster Linie gar keine Geldanlage, die Rendite erzielen soll, sondern ein Wertspeicher und als solcher ist der aktuelle Marktpreis eine Randnotiz, die nur dann relevant ist, wenn man gerade Gold kaufen will oder verkaufen muss.
So wie etwa für zahlreiche Notenbanken, die zurzeit soviel Gold aufkaufen wie selten zuvor in der Geschichte. Im Sommer 2022 wurden in Simbabwe Goldmünzen eingeführt, um der dramatischen Inflation im Land und dem rapiden Wertverfall des Simbabwe-Dollars entgegenzuwirken – bisher war die Maßnahme erfolgreich, wenn man lokalen Quellen Glauben schenkt. Weitere Staaten, die mit ihren instabilen Währungen zu kämpfen haben, dürften dem Beispiel folgen. So manche Marktbeobachter spekulieren schon lange, dass eine Zeitenwende im globalen Währungssystem bevorsteht. Demnach würde Gold bald wieder zur Deckung der wichtigsten Papierwährungen zum Einsatz kommen, so wie es bis zum Ende des Dollar-Gold-Standards von Bretton Woods (1971) in verwässerter Form noch der Fall war.
Dass Gold über die Jahrtausende wohl das am universellsten eingesetzte Tauschgut der Welt war, erkennt man alleine daran, dass der altdeutsche Begriff „Gelt“ vermutlich von „Gold“ abgeleitet ist. Oftmals als „ultimative Währung“ oder „ultimatives Geld“ bezeichnet, konnte das gelbe Edelmetall seine Kaufkraft über Jahrtausende erhalten. Gold hat schon sehr viele Papier-Währungen kommen und gehen sehen. Doch woher kommt dieser legendäre Status?
Das beste indirekte Tauschmittel
Dafür müssen wir in die frühe Wirtschaftsgeschichte zurückgehen. Genauer gesagt in die Zeit, als es noch gar keine Währungen gab und die Menschen in einer reinen Tauschwirtschaft lebten. Der Naturaltausch stieß dabei schnell an gewisse Grenzen. Eine Grundproblematik war, dass die Tauschwilligen untereinander oftmals nicht die Güter haben wollten, die andere potentielle Tauschpartner gerade am Marktplatz feilboten. Hier schafften noch Quittungsscheine Abhilfe, die bestimmte Ansprüche an Gütern verbrieften und rege in der Bevölkerung zirkulierten.
Das führte allerdings zu einer komplizierten Zettelwirtschaft, da Anzahl und Lieferzeitpunkt der zu tauschenden Einheiten nicht immer den Wünschen der möglichen Käufer und Verkäufer entsprachen. Außerdem musste man stets darauf vertrauen können, dass der Schuldschein in vollem Umfang einlösbar war. Zudem gab es ohne einheitlichen Wert- und Verrechnungsstandard einen gigantischen Wirrwarr an Wechselkursen. Geld als indirektes Tauschgut vereinfachte den Tauschvorgang erheblich und machte alles soviel effizienter, dass eine moderne industrialisierte Wirtschaft ohne Geld überhaupt nicht denkbar wäre.
Damit etwas als Geld – also als das allgemein akzeptierte Tauschmittel – verwendet wird, muss es bestimmte Eigenschaften besitzen: Es muss knapp sein, homogen (also von gleicher Art und Güte), haltbar, transportabel, teilbar und prägbar, es muss einen hohen Wert pro Einheit aufweisen und in der breiten Masse wertgeschätzt sein. Im Wettbewerb um die Geldfunktion haben sich in der Vergangenheit immer wieder die Edelmetalle Gold und Silber durchgesetzt, weil sie am besten die für gutes Geld notwendigen Eigenschaften erfüllen. Gold kam dabei in der frühen Wirtschaftsgeschichte häufiger zum Einsatz als Silber, weil es einfacher zu gewinnen war. Silber kam nur selten in Reinform vor und musste daher erst von anderen Metallen wie etwa Blei getrennt werden.
Allgemeines Vertrauen in die zukünftige Kaufkraft des Geldes ist die zentrale Voraussetzung, damit es als praktikables Zahlungsmittel dienen kann. Das „Regressionstheorem“ des österreichischen Ökonomen Ludwig von Mises (1881 – 1973) liefert eine logische Erklärung für die Kaufkraft des Geldes. Ausgangspunkt ist die Gegenwart, in der es ein bestimmtes Geld – etwa Goldmünzen – gibt. Dass die Goldmünzen zum aktuellen Zeitpunkt als Geld akzeptiert werden, liegt daran, dass alle sie als Geld akzeptieren. Warum sind Goldmünzen allseits anerkannt? Weil es gestern auch so war. Mit dieser Denkweise kann man so weit in die Vergangenheit zurückrechnen, bis man den Zeitpunkt erreicht, an dem Gold zum ersten mal als Tauschmittel verwendet wurde. Damals gab es noch gar keine in höherem Volumen zirkulierenden Goldmünzen und somit muss Gold ursprünglich im Rahmen eines reinen Naturaltausches zum Einsatz gekommen sein.
Gold setze sich vermutlich ganz von selbst am Markt durch
Mises folgert daraus: Damit „etwas“ zu Geld werden kann, muss es bereits einen Marktwert besitzen. Und zwar einen Marktwert, der sich allein aufgrund der nicht-monetären Eigenschaften dieses „etwas“ erklärt. Es muss also ursprünglich ein reines Sachgut gewesen sein.
Das ist eine plausible Erklärung für die Entstehung von Metallgeld. An dieser Stelle sei erwähnt, dass es noch andere Theorien gibt, die den Ursprung des Geldes nicht im Warenhandel, sondern etwa in dem Bedürfnis nach einheitlichen Grabbeigaben, Opfergaben für Götter und Vergütungen für Priester begründet sehen. Demnach kam den Verwaltern von Glaubensstätten eine zentrale Rolle in der Bestimmung des Geldwertes zu. Die Theorien schließen sich nicht unbedingt gegenseitig aus und je nach Kultur mag das eine oder das andere der ausschlaggebende Faktor gewesen sein.
Gilt noch zu klären, wie genau Gold und auch Silber (für kleinere Beträge) sowie teilweise Kupfer (für Kleinstbeträge) zu allseits akzeptierten indirekten Tauschmitteln wurden.
Die Antwort von Mises Warenursprungsthese: Ganz natürlich im Zeitablauf am freien Markt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass Könige oder sonstige herrschende Instanzen aus dem Nichts auf die Idee kamen, Hartgeld einzuführen. Plausibler ist die Erklärung, dass sich Edelmetalle als ganz besonders marktgängige und liquide Tauschgüter bewährten, weil sie im Gegensatz zu Brot und anderen Nahrungsmitteln nicht verderblich sind und weil sie von der breiten Masse als Schmuck, Verzierungen und darüber hinaus als hochwertige, äußerst haltbare und stabile Schmiedemetalle geschätzt wurden. Die Menge der beliebten Schmuckmetalle war zudem begrenzt und konnte nur unter relativ hohem Förderaufwand erhöht werden. Der Bevölkerung entging nicht, dass der (Tausch-)Wert ihrer Kostbarkeiten ziemlich stabil blieb.
Eines Tages begannen erste Dorfbewohner damit, manche ihrer Einkäufe mit Gold- und Silberschmuck zu bezahlen. Im Gegensatz zu Gütern des täglichen Bedarfs und den immer noch weit verbreiteten Schuldzetteln gab es bei Gold und Silber keinerlei Probleme mehr mit der Verderblichkeit des Tauschgutes oder der Durchsetzung von Zahlungsansprüchen. Diese Praxis verbreitete sich also schnell und immer mehr Marktverkäufer und Ladeninhaber akzeptierten Zahlungen in Schmuckmetall.
Irgendwann kamen dann wahrscheinlich findige Kaufleute auf die Idee, einheitliche Stückelungen der in unterschiedlichsten Formen im Umlauf befindlichen Edelmetalle zu definieren – das dürfte die Geburtsstunde der ersten Gold- und Silbermünzen gewesen sein. Nach aktuellem Stand der Geschichtswissenschaft prägte das Volk der Lyder in Kleinasien vor rund 2.700 Jahren das erste Münzgeld. Die frühen lydischen Münzen bestanden aus Elektrum (Legierung aus Gold und Silber mit einem geringen Kupferanteil), was bis zur frühen Antike üblich bleiben sollte. Goldgeld gab es jedoch nicht nur in Münzform, sondern zum Beispiel auch als kleine Würfel im alten China oder als Puder im alten Japan.
Andere werthaltige und ebenfalls nicht verderbende oder zumindest sehr lange haltbare Sachgüter entwickelten sich auch zu beliebten lokalen Tauschmitteln, ohne den universellen Status von Gold und Silber zu erreichen. Beispiele sind Kupferplatten, Pelze, Getreide, Reis, Kakaobohnen und Salz. Vieh genoss schon vor der Entstehung des Münzgeldes in zahlreichen Kulturen eine hohe Akzeptanz als Warengeld.
Vom Viehstandard zum Goldstandard?
Schilderungen von der Existenz des Edelmetall-Geldes und womöglich Gerüchte, dass es das dortige Wirtschaften massiv vereinfachte und effizienter machte, haben sich dann natürlich auch in anderen Wirtschaftsräumen verbreitet und zum Nachahmen angeregt, zumal das fremde Münzgeld nicht selten über Handelswege ins Reich gelangte. Die Goldmünzen-Standards antiker Völker – von den Griechen über die Ägypter bis zu den Persern – weisen ein auffallend ähnliches Gewicht auf, die Schwankung reicht nur von 120 bis 135 Gramm.
Laut Recherchen von Stephen Zarlenga wurde im alten Griechenland schon im 9. Jahrhundert vor Christus, also vor der Prägung der ersten Münzen durch die Lyder, der Wert eines Rinds auf 130 Gramm Gold festgelegt. Im Mittelmeer-Raum gefundener Goldschmuck (überwiegend Ringe), der auf grob 800 bis 600 vor Christus datiert wird, weist häufig ein nahezu identisches Gewicht auf. Der Wirtschaftshistoriker interpretiert diese Tatsache dahingehend, dass der in der Antike weit verbreitete Goldgewichtsstandard aus so etwas wie einem Viehstandard hervorgegangen ist (siehe Zarlengas Buch „Der Mythos vom Geld“ und seine Studie „A Refutation of Menger’s Theory of the Origin of Money“).
Zarlenga sieht zudem in der Festlegung eines festen Wertverhältnisses zwischen Vieh und Gold einen starken Anhaltspunkt dafür, dass Goldgeld eben nicht im Markt entstanden ist, sondern institutionelle Ursprünge hat. Aus Gründen der Praktikabilität hätten die griechischen Stadtstaaten irgendwann Viehgeld durch Gold ersetzen lassen. Letzteres wäre oftmals im Überfluss in den Tempeln vorhanden gewesen.
Der Ökonom Victor Aguilar widerspricht Zarlengas Argumentation. Das Goldgeld sei höchstwahrscheinlich von lokalen Rinderbaronen herausgegeben worden. 130 Gramm Gold verbriefte den Anspruch auf eine Kuh beziehungsweise einen Ochsen (Zarlenga zufolge könnte das Gewicht übrigens nur deshalb so gewählt worden sein, weil es gut auf eine Hand passte). Nicht jeder Mensch wollte oder konnte sich die Bewirtschaftung eines Rinds leisten und die Großbesitzer waren durch die Herausgabe von Gold in der Lage, höhere Ausgaben vorzustrecken, solange sie ihre Nutztiere noch brauchten. So konnten auch Kleinbauern und Hirten ihr Vieh oder ihre Arbeitsleistung problemlos im Austausch gegen Gold an Großbesitzer verkaufen.
Im lokalen Wirtschaftsraum wurde das Goldgeld der Rinderbarone als Zahlungsmittel anerkannt, weil man wusste, dass man damit jederzeit Vieh erwerben konnte. Als Verbriefungs-Methode wurde wohl speziell Gold gewählt, weil es als Schmuck eine solch große Akzeptanz in der Bevölkerung genoss. Gold dürfte also schon vorher als beliebtes Tauschgut gedient und seinen Status nicht erst durch diese Wertfestsetzung erhalten haben.
Notiz am Rande: Es ist davon auszugehen, dass schon die Goldquittungen der antiken Rinderbarone im Überfluss zirkulierten. Aguilar vermutet, dass es daher zu regelmäßigen Abrechnungs-Treffen unter den Viehbesitzern kam. Wer zu viel Goldgeld herausgegeben hatte, als er in Gegenwert von Rind einlösen konnte, dem wurde in Zukunft das Verbriefungsrecht verwehrt.
Auch für das Münzgeld kamen dann im Laufe der Zeit Zertifikate in Umlauf, die man als Vorläufer des Papiergeldes bezeichnen kann. Das erhöhte die Effektivität von Transaktionen weiter, eröffnete aber zugleich die Möglichkeit des inflationären Missbrauchs – etwa durch hinterlegende Gold- und Silberschmiede oder verschwenderische Herrscher, die das Währungsmonopol für sich beanspruchten. Bevor es Papiergeld gab, entstand Inflation in erster Linie durch Münzverschlechterung (Verringerung des Feingehalts, vor allem durch Beimischung minderwertiger Metalle).
Byzanz florierte unter Goldmünzen-Standard
Ob das Goldgeld nun rein am Markt entstanden ist, oder ob es auch rituelle/ institutionelle Einflüsse gab. Eines steht fest: Gold verdrängte alle bisherigen Geldformen – im späten 19. Jahrhundert auch zunehmend Silber – und hat bis heute den Ruf der Solidität, des ultimativen Wertspeichers und Inflationsschutzes. Apropos solide – das Wort geht zurück auf die berühmte Währung des Oströmischen Reiches (491-1453). Byzanz erlebte mit dem Goldmünzen-Standard „Solidus“ seine Blütezeit. In den ersten 500 Jahren wurde der Solidus mit einem Feingehalt von 95 Prozent hergestellt. Byzanz Goldwährung hatte ein derart hohes Ansehen, dass sie problemlos weit über die Reichsgrenzen hinaus akzeptiert wurde – auch in China und Britannien war der Solidus noch stark verbreitet.
Man kann die byzantinische Goldmünze durchaus als damalige Weltleitwährung bezeichnen. Historiker sehen einen klaren Zusammenhang zwischen der im 11. Jahrhundert langsam beginnenden Inflationierung des einstmals so wertstabilen Solidus mit dem schleichenden Niedergang des byzantinischen Reiches. Die Prosperität, die Byzanz für viele Jahrhunderte mit dem Solidus-Goldstandard erlebte, wird sicher erheblich zum heutigen Status des gelben Edelmetalls als ultimatives Geld beigetragen haben.