Wirtschaft

Zugunglück in den USA droht zur Umweltkatastrophe zu werden

Im US-Bundesstaat Ohio ist ein Zug entgleist. Die dabei freigesetzten giftigen Chemikalien haben inzwischen wohl auch den Ohio River verseucht. Der Fluss versorgt Millionen Menschen mit Trinkwasser.
Autor
15.02.2023 17:51
Aktualisiert: 15.02.2023 17:51
Lesezeit: 3 min

Im Norden der USA weitet sich ein Zugunglück zu einer Umweltkatastrophe mit landesweiten Folgen aus. In der Nähe der Kleinstadt East Palestine im Bundesstaat Ohio verunfallte am 3. Februar ein mit Chemikalien beladener Zug der Eisenbahngesellschaft Norfolk Southern Corp., bei dem etwa 50 der 150 Waggons entgleisten.

Dabei entzündeten sich einige der Chemikalien und sorgten für eine über Hunderte Kilometer sichtbare, giftige Wolke. Die Ermittlungen zur Unfallursache dauern an, doch erste Indizien deuten darauf hin, dass ein Radlager eines Waggons überhitzt war und vor der Entgleisung versagte.

Zugunglück mit Chemikalien wird zur Umweltkatastrophe

Die Behörden begannen daraufhin mit der Evakuierung der Umgebung, wie das Wall Street Journal berichtet. Laut US-Umweltschutzbehörde waren in den entgleisten Waggons giftige Chemikalien enthalten, die ein Gesundheitsrisiko darstellen, darunter Isobutylen, ein brennbares Gas, und Butylacrylat, das zur Herstellung von Beschichtungen und Dichtungsmitteln verwendet wird. Beamte mussten außerdem Vinylchlorid – ein farbloses Gas, das leicht entzündlich ist und zur Herstellung von Hartplastik verwendet wird – aus fünf Tankwagen ablassen, um eine Explosion zu verhindern

Inzwischen weitet sich der Unfall zu einer Umweltkatastrophe mit weitreichenden Folgen aus, da die Chemikalien in den nahegelegenen Ohio River gelangten. Der Ohio-River versorgt nicht nur etwa 10 Prozent der USA mit Trinkwasser, sondern ist auch eine wichtige Wasserquelle für die umliegende Landwirtschaft – was potenziell verheerende Folgen für die Nahrungsmittelproduktion in der Region haben könnte.

Auf einer Pressekonferenz am Dienstag erklärten staatliche Umwelt- und Gesundheitsbehörden, dass die Chemikalien in die örtlichen Wasserwege gelangt sei und dort zum Tod von etwa 3.500 Fischen geführt habe. Laut einer Sprecherin der Umweltschutzbehörde bewege sich eine Giftwolke, die mittlerweile auch Chemikalien aus der Brandbekämpfung enthalte, mit etwa einer Meile pro Stunde den Ohio River hinunter und werde von den Behörden beobachtet.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Behörde beeilte sich jedoch zu versichern, dass die Wasseraufbereitungsanlagen das Wasser im Fluss effektiv sicher für die Bewohnen machen würden. Der Direktor des Gesundheitsamtes von Ohio forderte die Bewohner des betroffenen Gebiets dennoch dazu auf, ihr Brunnenwasser vor dem Trinken überprüfen zu lassen und empfahl ihnen, Wasser in Flaschen zu trinken, bis ihr Wasser von den Behörden als sicher eingestuft werde.

Erste Klagen gegen Eisenbahngesellschaft eingereicht

Der Gouverneur von Ohio erklärte letzte Woche trotz der nach wie vor angespannten Lage, dass die Einwohner nach der Entgleisung nach East Palestine und in die umliegenden Gebiete zurückkehren können. Bei ihrer Rückkehr stellten viele Anwohner fest, dass ihre Tiere an den Folgen der Chemikalienfreisetzung massenhaft verstorben waren.

Die Kritik der Anwohner sowie Umweltschutzverbände an der Regierung, der Eisenbahngesellschaft sowie der Aufsichtsbehörden im Umgang mit der Katastrophe nimmt derweil zu. Viele Anwohner äußerten das Gefühl, sich von der Regierung im Stich gelassen zu fühlen und warfen US-Medien vor, lieber über vermeintliche UFOs zu berichten statt über einen Chemikalienunfall, der sich als die größte Umweltkatastrophe in den USA seit Jahrzehnten herausstellen könnte.

Der US-Umweltbehörde EPA und der Eisenbahngesellschaft Norfolk Southern werfen sie Vertuschung des Unglücks vor. Mehrere Klagen gegen Norfolk Southern wurden bereits eingereicht, die sich auf Fahrlässigkeit und den Kontakt mit giftigen Stoffen nach der Freisetzung der Chemikalien beziehen. Ein Beweisstück könnte dabei ein Überwachungsvideo eines Unternehmens in Salem, Ohio, sein, das zeigt, wie ein Waggon bereits Meilen vor der Entgleisung in Brand geraten war.

Weder die EPA noch Norfolk Southern haben Einzelheiten über die Gesamtmenge der Chemikalien veröffentlicht, die nach der Entgleisung und dem Brand freigesetzt wurden. Die US-Umweltbehörde teilte in einer Erklärung mit, dass die Eisenbahngesellschaft nach US-Bundesrecht dazu verpflichtet ist, die Schäden zu beseitigen und für die Sanierung des betroffenen Geländes aufzukommen.

Die Eisenbahngesellschaft wiederum erklärte, dass man in enger Abstimmung mit den Bundesbehörden auf das Zugunglück reagiere. So würden etwa Wasserproben aus Brunnen in der Region sowie Bodenproben des Unglücksorts für Tests entnommen. Die Ergebnisse werden im Laufe der nächsten Woche erwartet.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik EU plant Ukraine-Hilfe: Kann Russlands eingefrorenes Vermögen helfen?
13.11.2025

Die Europäische Union steht vor einer heiklen Entscheidung: Sie will die Ukraine weiterhin finanziell unterstützen, sucht jedoch nach...

DWN
Politik
Politik Zollfreigrenze in der EU: Billigwaren künftig ab dem ersten Euro zollpflichtig
13.11.2025

Billige Online-Waren aus Asien könnten bald teurer werden. Die EU plant, die 150-Euro-Freigrenze für Sendungen aus Drittländern...

DWN
Politik
Politik EU-Politik: Fall der Brandmauer öffnet Tür für Konzernentlastungen
13.11.2025

Das EU-Parlament hat das Lieferkettengesetz deutlich abgeschwächt. Künftig sollen nur noch sehr große Unternehmen verpflichtet sein,...

DWN
Politik
Politik Wehrdienst-Reform: Union und SPD einigen sich auf Kompromiss
13.11.2025

Union und SPD haben ihren Streit über den Wehrdienst beigelegt – und ein Modell beschlossen, das auf Freiwilligkeit setzt, aber eine...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Google: Milliardenstreits um Marktmissbrauch
13.11.2025

Google steht erneut unter Druck: Die Preissuchmaschine Idealo verlangt Milliarden, weil der US-Konzern angeblich seit Jahren seine...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs aktuell: Stabilisierungsversuch nach Kursverlusten
13.11.2025

Nach der kräftigen Korrektur in den vergangenen Tagen zeigt sich der Bitcoin-Kurs aktuell moderat erholt – was steckt hinter dieser...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gender Pay Gap in der EU: Was die neue Richtlinie wirklich fordert
13.11.2025

Die EU hat mit der Richtlinie 2023/970 zur Gehaltstransparenz die Gender Pay Gap im Fokus. Unternehmen stehen vor neuen Pflichten bei...

DWN
Finanzen
Finanzen Telekom-Aktie: US-Geschäft treibt Umsatz trotz schwachem Heimatmarkt
13.11.2025

Die Telekom-Aktie profitiert weiter vom starken US-Geschäft und einer angehobenen Jahresprognose. Während T-Mobile US kräftig wächst,...