Politik

USA raten Ukraine von Angriff auf Krim ab

Die Ukraine hält weiterhin an dem Ziel fest, die Krim zurückzuerobern. Doch die USA raten offenbar derzeit davon ab, da es ein aussichtsloses Unterfangen wäre.
Autor
16.02.2023 18:20
Aktualisiert: 16.02.2023 18:20
Lesezeit: 2 min

Ein ukrainischer Versuch, die Krim zurückzuerobern, wäre für den russischen Präsidenten Wladimir Putin eine rote Linie, die zu einer umfassenderen russischen Reaktion führen könnte, sagte US-Außenminister Antony Blinken am Mittwoch in einer vertraulichen Videokonferenz mit einer Gruppe von Experten. Damit beantwortete der Minister die Frage, ob die USA bereit seien, der Ukraine bei Rückeroberung der Halbinsel von Russland zu unterstützen. Dies berichtet Politico unter Berufung auf vier Insider.

Dem Bericht zufolge sagte Blinken, dass die USA die Ukraine nicht aktiv zur Rückeroberung der Krim ermutigen und dass die Entscheidung allein bei Kiew liegt. Das Hauptaugenmerk der US-Regierung liege darauf, der Ukraine dort zu helfen, wo der Kampf stattfindet, vor allem im Osten. Diese Einschätzung deckt sich mit den Aussagen hochrangiger Pentagon-Beamter vor zwei Wochen im Ausschuss für Streitkräfte des Repräsentantenhauses, sie glaubten nicht, dass die Ukraine die Halbinsel in naher Zukunft zurückerobern könne.

Zwei der Insider sagen, dass Blinken den Eindruck vermittelte, die USA würden einen Vorstoß zur Rückeroberung der Krim zum jetzigen Zeitpunkt nicht für klug halten. Auch Außenstaatssekretärin Victoria Nuland nahm an der Videokonferenz teil. Am 20. Januar bei einem Treffen der Ukraine Defense Contact Group in Deutschland hatte US-Generalstabschefs Mark Milley bereits gesagt, "dass es in diesem Jahr sehr, sehr schwierig sein wird, die russischen Streitkräfte militärisch aus jedem Zentimeter der russisch besetzten Ukraine zu vertreiben".

Während Diplomaten und Militärs der USA und der Nato stets öffentlich erklären, dass die Krim Teil der Ukraine ist, haben sie seit 2014 anscheinend kaum etwas getan, um Russlands Eroberung der Halbinsel anzufechten. Eine Rückeroberung der Krim wäre extrem schwierig, weil die Halbinsel überLuftabwehrsysteme, Munitionsdepots und Zehntausenden von Truppen verfügt. Stattdessen könnte die Ukraine Experten zufolge aber versuchen, die Halbinsel von Russland abzutrennen.

"Es gibt drei kritische Punkte: die Landbrücke zu Russland, die Brücke über die Straße von Kertsch und den Marinestützpunkt in Sewastopol. Sie sollten alle drei ausschalten", zitiert Politico Kurt Volker, den ehemaligen US-Sonderbeauftragte für die Ukraine, der nicht an der Videokonferenz am Mittwoch teilnahm. "Dies würde viele russische Streitkräfte ohne angemessene Unterstützung zurücklassen, ohne dass die Ukraine tatsächlich versuchen würde, die Krim zu überrennen, und es wäre dennoch ein schwerer Schlag für Russlands militärische Bemühungen."

Viele der russischen Infanterietruppen auf der Krim haben sich in befestigten Stellungen verschanzt, die sich über Hunderte von Kilometern erstrecken und den ukrainischen Truppen entlang des Flusses Dnipro gegenüberstehen. Für die ukrainischen Truppen wäre es schwierig, diese russischen Linien zu durchbrechen. Daran würde auch der vom Westen versprochene Zustrom von Artillerie und gepanzerten Fahrzeugen nichts ändern - selbst wenn ausreichende Munition verfügbar wäre.

Die ukrainische Regierung fordert seit Monaten Langstreckenartillerie, um damit russische Stellungen hinter den Frontlinien anzugreifen - auch auf der Krim. Denn hierher haben die russischen Streitkräfte ihr Hauptquartier und wichtige Depots verlegt, damit die von den USA gelieferten Raketen mit einer Reichweite von 50 Meilen sie nicht erreichen können. Die US-Regierung weigert sich aber bisher, diese Systeme zur Verfügung zu stellen. US-Beamte haben kürzlich erklärt, dass die USA nicht genügend ATACMS hätten, um welche abgeben zu können.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Europa vor dem Zerfall? Ex-Premier Letta warnt vor fatalem Fehler der EU
02.07.2025

Europa droht, zum Museum zu verkommen – oder zum Spielball von Trump und China. Italiens Ex-Premier Letta rechnet ab und warnt vor dem...

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...