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Restrukturierungen: Prestigeträchtiges MAN-Werk in Polen fährt weiter am Abgrund

Ein Geschäftszeig für den traditionsreichen Konzern MAN ist die Produktion von E-Bussen. In Polen, einem europäischen Zentrum für E-Mobilität, steht es massiv unter Druck. Gewerkschaften fürchten sogar einen stillen Abbau des polnischen Standortes.
26.03.2023 10:04
Aktualisiert: 26.03.2023 10:04
Lesezeit: 3 min
Restrukturierungen: Prestigeträchtiges MAN-Werk in Polen fährt weiter am Abgrund
Alexander Vlaskamp, Vorstandsvorsitzender MAN Truck & Bus SE, steht auf der IAA vor einem neuen Elektro-LKW MAN E-Truck. (Foto: dpa) Foto: Julian Stratenschulte

Hohe Inflation, Störung in den Lieferketten und der Ukraine-Krieg: Wohl kaum ein Unternehmen hat in den vergangenen Jahren so viele Belastungen auf einmal ertragen müssen wie der deutsche Traditionshersteller MAN. Besonders hart getroffen wurde das E-Bus-Geschäft: So muss der Hersteller im prestigeträchtigen südostpolnischen Werk in der Stadt Starachowice, das als Kompetenz-Zentrum für E-Mobilität gilt, einen Großteil seiner Belegschaft entlassen.

Absatz im Busgeschäft von MAN eingebrochen

Doch jetzt hat sich der Produzent Mitte März einen nächsten Schritt in der Restrukturierung gemacht: Das Unternehmen hat den erfahrenen türkischen Manager Barbaros Oktay, der bereits seit nahezu einer Generation im Konzern gearbeitet hat, zum Head of Bus (HoB) gemacht, einer neu geschaffenen Position: Hier berichtet Oktay direkt an CEO Alexander Vlaskamp und verantwortet organisatorisch die Leitung der Bereiche Entwicklung, Produktion und Vertrieb Bus. „Oberstes Ziel ist, das Geschäft mit Bussen wieder nachhaltig profitabel zu machen“, erklärte Sprecher Sebastian Lindner den Deutschen Wirtschafts Nachrichten (DWN).

Hintergrund: Gerade die Bussparte hat dem Konzern massive Sorgen gemacht. Der Absatz im Busgeschäft hat sich seit 2019, dem Jahr vor Ausbruch der Pandemie, von rund 7.400 auf etwa 4.600 Einheiten im Jahr 2021 verringert. Darüber hinaus blieben im abgelaufenen Geschäftsjahr 2022 die Geschäfte weiter angespannt. Zwar legten hier die Verkäufe gegenüber 2021 um rund 180 auf rund 4.800 Fahrzeuge zu. Doch verzögert sich die Erholung vor allem im Reisebusmarkt weiter, der durch die Corona-Krise besonders hart betroffen war. Zusätzlich haben der Krieg in der Ukraine und die steigenden Material- und Energiekosten das Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen.

Ein Werk, das besonders darunter gelitten hat, war die Fabrik in der südostpolnischen Stadt Starachowice, die MAN mittlerweile zu einem Zentrum für E-Mobilität ausgebaut hat. Laut Presseberichten vom Ende des vergangenen Jahres wollte das Unternehmen 860 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen und damit an diesem Standort fast ein Viertel seiner Belegschaft von 3.500 dort abbauen.

Zur Einordnung: Insgesamt beschäftigt der Hersteller weltweit 36.000 Menschen. Fast zehn Prozent aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren demnach dort in Polen beschäftigt, eine riesige Hausnummer. „Der Standort in Starachowice ist aber nach wie vor das MAN eBus Kompetenzzentrum. Hier werden alle Modelle der vollelektrischen MAN Lion’s City E Reihe gefertigt“, betonte Lindner, dass auch nach den Entlassungen das Werk weiterhin für den Konzern dieselbe Funktion wie bisher hat.

MAN hält Konflikt mit Politik und Gewerkschaften klein

Gerade dieser Betrieb gilt als Aushängeschild für die deutsch-polnische Wirtschaftszusammenarbeit, weil hier ein deutsches Traditionsunternehmen bewusst eine Fabrik ausgebaut hat, um dort mit der E-Mobilität eine Zukunftstechnologie zu produzieren. Damit wäre der Betrieb dafür geeignet, dazu beizutragen, das Image des Standortes Polen zu verändern, der bislang immer noch als eine Art verlängerte Werkbank für Deutschland gilt.

Deswegen hat diese Entscheidung Ende vergangenen Jahres auch einigen Wirbel in der einheimischen Presse gemacht. „Gigantische Entlassungen“, titelte beispielsweise das Portal „Onet“, das zu den größten in Polen gehört. Und eine lokale Politikerin, die die Region im polnischen Parlament vertritt, bat sogar Premierminister Mateusz Morawiecki um Unterstützung. Doch waren die Deutschen insgesamt in der Lage, den Konflikt kleinzuhalten:

„Wir konnten mit der Arbeitnehmerseite tragfähige und zukunftsorientierte Lösungen für Unternehmen und Belegschaft vereinbaren. Insbesondere freut mich, dass wir den von der Restrukturierung betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fast allen ein alternatives Jobangebot vermitteln können – entweder bei MAN oder einem anderen externen Unternehmen in direkter räumlicher Nähe zum MAN-Werk in Starachowice,“ sagte Michael Kobriger, ein Vorstandsmitglied, Ende Dezember.

Trotzdem sind die Gewerkschaften in Polen weiterhin unzufrieden. „Die Entlassungen dauern weiter an, und die entlassenen Mitarbeiter haben gar kein Interesse daran, auf den angebotenen Arbeitsstellen zu arbeiten, weil diese zu weit von ihrem Zuhause weg und die finanziellen Bedingungen nicht gerade sensationell sind“, sagte Jan Seweryn, der Vertreter der Gewerkschaft „Solidarität“ in Starachowice, den DWN.

„MAN sichert zwar jedem Entlassenen eine Arbeit zu, doch ist dies nur Propaganda“, fügte der Gewerkschaftsvertreter hinzu. „Für mich ist beunruhigend, dass man die Bus- von der LKW-Sparte getrennt hat, und beide jetzt eine gesonderten Bereich darstellen, der jeweils seinen eigenen Chef hat. Vielleicht ist dies ein Kurs, um die Produktion in Starachowice zu liquidieren oder um sie bedeutend zum Vorteil des türkischen Standortes einzuschränken“, so der Funktionär. „Wir hoffen, dass die Zusicherungen von MAN eingehalten werden, doch begegne ich diesen Zusicherungen mit einer großen Vorsicht“, so Seweryn, der weiterhin sehr skeptisch zeigt: „Die Zukunft wird zeigen, wie die Wahrheit aussieht.“

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