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Auswandern nach Bulgarien: Leben im Steuerparadies ohne staatliche Gängelung

Lesezeit: 10 min
01.05.2023 09:14  Aktualisiert: 01.05.2023 09:14
Das „Armenhaus Europas“ lockt deutsche Auswanderer mit niedrigen Steuern und einem günstigen Leben am Meer. Es gibt aber auch massive Nachteile. Die DWN können aus erster Hand berichten, denn unser Redakteur hat ein Jahr in Bulgarien gelebt.
Auswandern nach Bulgarien: Leben im Steuerparadies ohne staatliche Gängelung
In Bulgarien gibt es viele einsame Ecken und Strände mit traumhaftem Ausblick. (Foto: DWN privat)

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Bulgarien gilt als das „Armenhaus Europas“. Deutsche Auswanderer (vor allem Rentner), die zwar in Europa bleiben möchten, aber denen typische Zielländer wie Spanien, Italien und Griechenland zu teuer sind, schätzen das niedrige lokale Preisniveau, die ruhige Lebensart der Einheimischen und die Nähe zum Schwarzen Meer. In der Hochphase der Corona-Maßnahmen kam für manche Auswanderungswilligen als weiterer Pluspunkt eine relativ laxe Coronapolitik hinzu.

Aber ist Bulgarien auf Dauer wirklich ein lohnendes Ziel für Auswanderer? Der Autor dieser Zeilen hat ein Jahr lang in Bulgarien gelebt und schildert hier seine Erfahrungen

Ambivalenter erster Eindruck

Der Ersteindruck, den man im Reisebus von der Landschaft und Architektur Bulgariens bekommt, ist ein sehr ambivalenter. Einerseits ist da die vielerorts recht trostlose und karge Pflanzenwelt. Auch die zahlreichen Dörfer, die man passiert, haben auf den ersten Blick mit ihrem Ostblock-Ambiente und den teils heruntergekommenen Straßen keinerlei Schönheit an sich. Der Müll sowie die Masse an Straßenhunden und -katzen und die von ihren Besitzern völlig vernachlässigten Köter trüben den Eindruck nur noch mehr.

Andererseits ist da die wunderbare Leere in der Landschaft, die fast überall einen schönen Panoramablick ermöglicht. Hier gibt es noch viele unberührte Ecken. Bulgarien ist mit seinen knapp 7 Millionen Einwohnern ein sehr dünn besiedeltes Land (62,6 Einwohner pro Quadratkilometer), wenn man es etwa mit Deutschland (232) vergleicht. Die Städte und Dörfer sind nur auf den ersten Blick hässlich. Wer genauer hinschaut, kann an vielen Orten doch einen gewissen Charme entdecken. Die einsamen Strände sind zwar bisweilen verwahrlost, aber genau das macht einen Teil des Reizes ist. So karg die Landschaft in weiten Teilen auch ist, so wunderschöne Flecken hat sie doch zu bieten – man muss dafür aber ein bisschen auf die Suche gehen. Von der Küste, über Wanderwege im Landesinneren bis ins tiefste Gebirge. Bulgariens Landschaft ist sehr vielseitig.

Mit 300 Sonnentagen und gemäßigtem Klima ist Bulgarien die meiste Zeit des Jahres ein angenehmer Wohnort. Lediglich von Ende Dezember bis Ende März ist es kalt und regnerisch, wobei die Temperaturen fast nie null Grad Celsius erreichen. Die Unterschiede zwischen Nord und Süd sind dabei markant. Die Winter in Varna können durchaus hart sein, während es in Burgas doch recht milde zugeht.

Bei der Erkundung der Landschaft braucht man sich um die eigene Sicherheit wenig Sorgen zu machen. Die Kriminalität ist sehr gering. Abseits der Hauptstadt Sofia und Varna kommt es nur äußerst selten zu Verbrechen.

Bulgaren sind in ihrer Natur freundlich, aber zurückhaltend. Das Land ist bekannt dafür, dass seine Einwohner nur selten lächeln. Die Einstellung gegenüber Deutschen und Ausländern allgemein ist grundsätzlich positiv. Gerade an den touristischen Küstenorten reagiert so mancher Verkäufer, Fahrer oder Beamte aber abweisend auf die englischen Verständigungsversuche. Verständlicherweise ist nicht jeder begeistert von den zahlreichen Urlaubern und teils auch Auswanderern, die sich weigern auch nur ein paar Worte bulgarisch zu lernen. Wenn man ein wenig bulgarisch spricht oder es zumindest versucht, tauen sie merklich auf. In den Dörfern im Landesinneren zeigt sich dann ein gänzlich anderes Bild. Hier hat man kaum mit Ausländern zu tun und ist dementsprechend nicht genervt, sondern interessiert an den Neuankömmlingen. Hier lernt man auch noch die bulgarische Volksseele so herzlich und freundlich kennen, wie sie wirklich ist.

Wirtschaft leidet unter Entvölkerung

Als Deutscher wird man eines schnell merken: Vor allem für jüngere Bulgaren gilt unser Land als das Ziel schlechthin. Jeder erzählt begeistert von Verwandten oder Freunden, die eine gute Arbeit in Deutschland gefunden haben. Und implizieren damit: Die haben es geschafft. Wer dann erzählt, Deutschland verlassen zu haben, wird eher verwirrte Reaktionen ernten.

Bulgarien ist ein nicht unwichtiges Transitland der neuen Seidenstraße zwischen Asien und Europa. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind durch die niedrige Steuerlast und überschaubare Bürokratie eigentlich gut. Der Staat ist nur mit 25 Prozent des BIP verschuldet. Aber Korruption und Schattenwirtschaft sind weit verbreitet, viele Branchen leiden unter Oligopol-ähnlichen Strukturen und das Land ist auf Energieträger aus dem Ausland angewiesen. Wie viele Länder des ehemaligen Ostblocks leidet Bulgarien zudem immer noch unter den Spätfolgen der sowjetischen Planwirtschaft. Das größte Problem ist aber die Demografie: Ein Medianalter von 45 Jahren macht die Wirtschaft undynamisch.

Trotz des großen Aufholpotenzials enttäuschen die Wachstumsraten seit Jahrzehnten. Wie in Schwellenländern üblich, besteht eine große Kluft zwischen der reicheren städtischen Bevölkerung und den armen Dorfbürgern. Junge Bulgare zieht es in Scharen ins wirtschaftlich attraktivere Ausland, weshalb die Bevölkerung Jahr für Jahr schrumpft. 2022 war seit Ewigkeiten mal wieder ein Jahr mit einem positiven Wanderungssaldo.

Gutes Bussystem, holprige Straßen, schlechte Gesundheitsversorgung

Das Bussystem deckt ein weites Netz an Orten ab und die Tickets sind preiswert. Man muss sich aber daran gewöhnen, dass die Buslinien nur vage und keine fixen Zeiten wie in Deutschland haben. Wer eine größere Reise plant, sollte entsprechend Puffer einbauen und sich niemals auf einen einzelnen Bus verlassen. Noch günstiger sind die Züge, welche die größeren Städte miteinander verbinden, aber nicht ansatzweise jedes Dorf abdecken. Von Burgas und Varna aus kann man gut, wenn auch in gemächlichem Tempo, Richtung Plovdiv und Sofia fahren. Auf dem Weg dorthin sind zum Beispiel Stara Sagora und die historische Hauptstadt Veliko Tarnovo erreichbar.

Der Zustand der Straßen ist schlechter als in Deutschland. Es gibt wenige (dafür sehr gute) Autobahnen. Die zahlreichen Schnellstraßen sind holprig und modernisierungsbedürftig. In den Dörfern gibt es teilweise katastrophale Straßen voller Schlaglöcher und viele Schotterpisten. Taxis kosten für Ausländer deutlich mehr als für Einheimische, sind aber immerhin noch grob ein Drittel günstiger als in Deutschland.

Der Bulgare liebt es, am Straßenrand innezuhalten, eine Kleinigkeit zu trinken und einen Plausch zu halten. Entsprechend gibt es kaum eine Ecke ohne kleines Cafe oder Kneipe mit Außenbereich. Obwohl sich große Supermarktketten wie Lidl und Kaufland erfolgreich etabliert haben, sind Kioske zahlreich vorhanden und beliebt.

Das Internet macht keine Probleme, denn in Bulgarien ist ein gute Netzabdeckung gegeben. Die drei großen Mobilfunkbetreiber (A1, Yettel, Vivacom) liefern abseits sehr abgelegener Regionen schnelles mobiles Internet, das qualitativ besser und insgesamt stabiler ist als in Deutschland. Außerdem ist es günstiger und es gibt auch zahlreiche Prepaid-Optionen. Das vor allem durch Kohlekraftwerke gespeiste Stromnetz ist zwar im Kern stabil, aber nach heftigen Stürmen kann es insbesondere an der Küste gelegentlich zu Stromausfällen von wenigen Stunden bis zu zwei Tagen kommen.

Das Gesundheitssystem gilt hingegen als eines der schlechtesten in Europa. Im „Euro Health Consumer Index“ ist Bulgarien eines der Schlusslichter. Die staatliche medizinische Versorgung ist flächendeckend in keiner Weise vergleichbar mit Deutschland. Die Bezirks-Krankenhäuser sind (mit Ausnahme der großen Universitätskliniken in den Großstädten) chronisch finanziell wie auch personell unterversorgt und die hygienischen Zustände im europäischen Vergleich katastrophal. Die privaten Kliniken sind dafür in aller Regel sehr gut.

Keine Gängelung durch den Staat

Wie in vielen ehemaligen Sowjet-Republiken des Balkanraums sind Bulgaren gegenüber dem Staat sehr skeptisch eingestellt. Die Beteiligung bei den letzten Regierungswahlen lag nur bei circa 50 Prozent, die Menschen sind offensichtlich politikverdrossen. Die Parteienlandschaft ist in einen pro-EU und einen pro-russischen Block gespalten. Die Regierungskoalitionen sind chronisch instabil und Präsident Radev sieht sich in aller Regelmäßigkeit dazu gezwungen, Neuwahlen einzuberufen. Zuletzt gab es bei der fünften Wahl innerhalb von nur zwei Jahren wieder keinen klaren Sieger.

Der Staat greift kaum in das Leben der Bürger ein. Sozialleistungen gibt es so gut wie nicht und schon gar nicht für Ausländer. Im Gegensatz zu Deutschland kümmert es die Behörden wenig, was man in seinen eigenen vier Wänden so anstellt. Und wenn man es doch versucht, dann hapert es an der Umsetzung. Vor einigen Jahren scheiterte zum Beispiel ein geplantes Verbot der Schwarzbrennerei des Volksschnaps „Rakia“. Eine Vorschrift, wie man zu heizen hat, ist in Bulgarien nahezu unvorstellbar. Für (angehende) Selbstversorger macht es das zu einem beliebten Zielort. Die Versorgung mit Brunnen-Wasser und eigenem Strom ist ohne weiteres möglich. Auch der Lebensmittelanbau ist kaum reglementiert. Interessant für Familien: Es besteht keine Schulpflicht.

Die Kehrseite dessen zeigt sich zum Beispiel am Baustandard. „Hauptsache schnell fertig“ und „Solange es irgendwie funktioniert, passt es schon“ ist das Motto vieler heimischer Bau- und Handwerksbetriebe, was auch zu dem oberflächlich hässlichen architektonischen Erscheinungsbild des Landes beiträgt. Wer längere Zeit in schlecht gedämmten bulgarischen Wohnungen oder Häusern verbracht hat, der wird vor allem bei niedrigen Temperaturen oder starker Lärmkulisse die deutschen Standards durchaus zu schätzen wissen.

Die Polizei wird respektiert, aber Denunziantentum ist verpönt. Konflikte werden bevorzugt privat geregelt. Wenn es doch zur Anzeige und Strafgerichtsverhandlung kommt, gilt eine spezielle Wiedergutmachungsregel. Falls die Schuld eingestanden und der Schaden umgehend beglichen wird, kann der Angeklagte mit einer erheblichen Strafminderung rechnen.

Die Skepsis gegenüber staatlicher Autorität, die ganz besonders stark bei den älteren Dorfmenschen vorhanden ist, sorgte dafür, dass die Corona-Impfung nie so wirklich Fuß fassen konnte. Mit einer Impfquote von rund 30 Prozent (Erstimpfung) ist Bulgarien mit großem Abstand Letztplatzierter in Europa. Es war auch in den Dörfern, wo die offiziellen Corona-Maßnahmen schlichtweg nicht umgesetzt wurden. Die Schulen waren fast durchgehend offen und immer ohne Maskenzwang. Das Tragen von Masken im kleinen Supermarkt war trotz Regierungsvorgabe und deutlichen Hinweisschildern auch zu den winterlichen Hochzeiten der Pandemie nicht die Regel, sondern die Ausnahme.

In größeren Märkten und Einkaufszentren sowie in den großen Städten wurde nicht so lasch vorgegangen. 3G-Regeln in der Öffentlichkeit gab es aber nur von Herbst 2021 bis Februar 2022. Und genau hingeschaut wurde selten. Es war wichtiger, vor den Kontrolleuren guten Willen zu zeigen, als die Maske vorschriftsmäßig zu tragen oder ein hochoffizielles Impfzertifikat vorzuweisen. Als Rebell zog man im Gegensatz zu Deutschland nicht den Zorn der Mitmenschen auf sich. „Leben und leben lassen“ ist zentral in der bulgarischen Kultur verankert.

Unkomplizierter Anmeldeprozess

Bulgarien ist seit 2007 in der Europäischen Union. Allerdings ist es noch kein Teil des Schengenraums und das dürfte auch bis auf Weiteres so bleiben, nachdem jüngst die Aufnahme von Bulgarien und Rumänien an einem Veto Österreichs gescheitert ist. Für potentielle Auswanderer bedeutet dies, dass sie sich im Gegensatz zu anderen EU-Ländern bei einem Aufenthalt von mehr als 90 Tagen am Stück und mehr als 180 Tagen im Jahr offiziell anmelden müssen.

Die Anmeldung ist eine unkomplizierte Angelegenheit. Man muss das für den Wohnort zuständige Migrationsamt aufsuchen und eine Aufenthaltsgenehmigung („Litchna-Karte“) beantragen. Hierzu ist im Prinzip nur eine Bescheinigung des Wohnortes und ein Kontoauszug vonnöten. Auf dem Bankkonto reichen derzeit in der Regel 1.000 bulgarische Lev (umgerechnet grob 500 Euro) aus, um nachweisen zu können, dass man dem bulgarischen Staat nicht zur Last fallen wird. Je nach Amt und Sachbearbeiter können auch größere Summen oder in seltenen Fällen ein Einkommensnachweis gefordert werden.

Wer nicht mehr in Deutschland oder einem anderen EU-Land krankenversichert ist, muss darüber hinaus noch die bulgarische Pflichtversicherung abzuschließen – gegebenenfalls rückwirkend bis zum Tag der Einreise. Die Basisversicherung kostet geringe 272 Lev (rund 140 Euro) im Jahr, leistet aber auch nur bei schwerwiegenden medizinischen Schäden. Am Ende des Prozesses gibt es dann die Aufenthaltsgenehmigung – meistens für ein Jahr mit laufender Verlängerungsoption, gelegentlich werden direkt fünf Jahre genehmigt.

Die meisten deutschen Auswanderer nehmen für die Beantragung der Litchna-Karte die Dienste eines Auswanderungshelfers oder Übersetzers in Anspruch. Eine Verständigung auf Englisch ist auch in touristischen Gebieten keine Selbstverständlichkeit. Die jungen Menschen sprechen fast alle gutes Englisch, aber insbesondere bei älteren Bulgaren und abseits der größeren Städte hat man manchmal sogar mit Deutsch bessere Karten. Wer länger bleibt, sollte zwangsläufig die kyrillische Schrift und Grundlagen in Bulgarisch lernen – andernfalls wird man niemals vollständig im Land ankommen.

Steuerparadies in Europa

Wer mindestens 183 Tage im Jahr in Bulgarien verbringt, wird unabhängig von der Staatsbürgerschaft nach bulgarischem Recht besteuert. Bulgarien ist das Land in Europa mit den niedrigsten Steuern. Sämtliche Einkünfte werden mit einer Pauschalsteuer von 10 Prozent belastet. Und keine Sorge vor doppelter Belastung: Mit Deutschland besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen. Armutsrentner“ erhalten ihre deutsche Rente auch in Bulgarien, müssen dafür aber einen gewissen bürokratischen Aufwand erdulden. Es gibt keine Vermögenssteuer. Lediglich die Umsatzsteuer ist mit einem Regelsatz von 20 Prozent relativ teuer. Insgesamt ist Bulgarien vor allem für Kleinunternehmer und online arbeitende Selbstständige ein attraktiver Standort. Eine Firmengründung ist mit wenig bürokratischem Aufwand schnell gemacht, wobei die Dienste eines bulgarisch sprechenden Anwaltes oder Steuerberaters zu empfehlen sind.

Die Grundsteuer ist ebenfalls sehr niedrig. Sie wird von den Gemeinden festgelegt und liegt zwischen 0,15 und 0,25 % des festgesetzten Steuerwertes einer Immobilie. Inklusive Müllgebühren zahlen die meisten Auswanderer, die ein größeres Grundstück gekauft haben, Abgaben zwischen 50 und 200 Lev (25 bis 100 Euro) pro Jahr.

Grundsätzlich ist es in Bulgarien möglich für wenige tausend bis zehntausend Euro ein Grundstück mit Immobilie (entsprechend mit verfallenem Haus oder Bauruine) im ländlichen Raum zu erwerben. Übrigens: Ausländer dürfen kein reines Ackerland erwerben, es muss zumindest eine Bruchbude auf dem Grundstück stehen. Was man dann aus seinem neuen Eigentum macht, ist dem Käufer aber komplett selbst überlassen. Neu gebaute Häuser und Wohnungen auf Grundstücken in oder um die Ballungsräume (Sofia, Plovdiv, Varna und Burgas) starten bei 150.000 Euro und können locker über eine Million kosten. Bei einem Neubau ist der Steuerwert für die Berechnung der Grundsteuer dann auch wesentlich höher.

Der Kauf- und Mietmarkt wurde im Frühjahr 2022 mit reichen Ukrainern und Russen überrannt und ist teilweise immer noch im Ungleichgewicht. In den Ballungszentren und manchen Küstenorten ist vom „Armenhaus Europas“ nicht mehr viel zu sehen, wenn man sich so die aufgerufenen Immobilien-Preise anschaut. Die meisten Bulgaren profitieren davon, weil sie in den eigenen vier Wänden leben und oft noch zusätzliche Objekte besitzen. Zur Miete wohnen vorwiegend junge Menschen in den Großstädten und Ausländer. Langzeitmiete ist relativ günstig, sollte aber nicht übereilt aus dem Ausland abgeschlossen werden. Internet-Angebote sind häufig unseriös oder qualitativ zweifelhaft.

Kein Euro, aber trotzdem hohe Inflation

Bulgarien ist (noch) kein Teil des Euro-Währungsgebietes. Der Lev ist an den Euro in einem Währungsband gekoppelt, sodass ein schwacher Euro eins-zu-eins auf die Kaufkraft der bulgarischen Währung abfärbt. Zuletzt wurde die geplante Euro-Einführung auf 2025 verschoben. Hauptgrund ist die zu hohe Inflationsrate von 15 Prozent im letzten Jahr. Diese konnte man vor Ort deutlich spüren. Im Lebensmittelbereich lag die Inflation in der Realität eher bei 50 Prozent. Produkte wie Milch, Nudeln und höherwertiges Fleisch waren schon vorher recht teuer und haben inzwischen deutsches Preisniveau. Essen gehen ist dafür sehr günstig. Von umgerechnet 1,50 Euro für ein großes Bier kann man in Deutschland nur träumen. Im Landesinneren – abseits der touristisch dominierten Küste – wird alles deutlich billiger.

Energie ist durch die Ukraine-Krise und eine zwischenzeitliche Kohle-Knappheit erheblich teurer geworden, jedoch kein Vergleich zu Deutschland. Aktuell (Stand Januar 2023) kostet Benzin umgerechnet circa 1,20 Euro pro Liter und eine Kilowattstunde Strom rund 10 Cent. Es wird überwiegend mit Klimaanlagen (also Strom) sowie Holz und kaum mit Öl oder Gas geheizt. Deswegen ist es auch wichtig zu beachten, dass der Strompreis nur für Privatverbraucher relativ preiswert ist. Die Marktpreise hatten sich im Winter 2021/22 mehr als verdreifacht, woraufhin die Regierung einen Preisdeckel beschloss - aber nur für den privaten Sektor. In Hotels zahlt man auch als Langzeitmieter unter Umständen den teuren Gewerbestrom. Der ist aktuell sogar noch teurer als in Deutschland.

Bulgarien ist interessant, aber kein Paradies für deutsche Auswanderer

Unterm Strich ist Bulgarien eine interessante Option für Rentner und Menschen mit Einkommen aus selbstständiger ortsunabhängiger Arbeit, die Deutschland vor allem wegen der hohen Steuerlast und der allzu umtriebigen Bürokratie verlassen möchten. In den Wintermonaten könnte es sich jedoch lohnen, ein alternatives Domizil in wärmeren Gefilden zu haben. Von Bulgarien aus ist man schnell in der Türkei und damit außerhalb der EU, wobei der Flughafen Istanbul unzählige Flüge in die ganze Welt bereit hält. Wer vor allem seine Ruhe haben oder sich als Selbstversorger ausprobieren möchte (viel mehr wird daraus aller Erfahrung nach nicht), findet ein auf den zweiten Blick durchaus ansehnliches Land mit vielen unberührten Ecken vor.

Wer aber glaubt, in Bulgarien ohne berufliche Perspektive oder konkrete Online-Geschäftsidee ein tolles neues Leben aufbauen zu können, dürfte eher enttäuscht werden. Wer gerne in einer schönen Großstadt leben will, muss anderswo suchen. Und auch für die Meeres-Liebhaber gibt es selbst innerhalb Europas Zielländer, die weitaus schöner und mittlerweile nicht mal mehr so viel teurer sind.


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