Finanzen

Bankenkrise: Was sind die Gründe und wie geht es weiter?

Lesezeit: 6 min
08.05.2023 15:43  Aktualisiert: 08.05.2023 15:43
Die aktuelle Bankenkrise in den USA ist durch die Zentralbankpolitik der letzten 15 Jahren verursacht worden. Die Probleme sind tiefgreifend und haben längst auch andere Teile des Finanzmarkts erfasst. Wie geht es nun weiter?
Bankenkrise: Was sind die Gründe und wie geht es weiter?
Jerome Powell, Vorsitzender der US-Notenbank Federal Reserve, spricht während einer Pressekonferenz im Anschluss an eine Sitzung der US-Notenbank. (Foto: dpa)
Foto: Manuel Balce Ceneta

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Am 1.Mai wurde bekanntgegeben, dass First Republic Bank von der US-Aufsichtsbehörde FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation) übernommen und sofort an die größte US-Bank JPMorgan verkauft wurde. JPMorgan wird alle Aktiva und die 84 Filialen übernehmen. Die US-Aufsichtsbehörde FDIC rechnet damit, dass sie Verluste von etwa 13 Milliarden US-Dollar wird übernehmen müssen. Die Pleite von First Repubic Bank ist die von der Bilanzsumme her gesehen zweitgrößte Bankeninsolvenz der US-Geschichte. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, wie es nun mit dem Bankensektor weitergeht.

Das Wall Street Journal beschäftigte sich seit den ersten Bankunruhen im März, als Signature Bank und Silicon Valley Bank in Insolvenz gingen, intensiv mit der Bankenfrage und sprach von einer „Bankenkrise in Zeitlupe“. Am 27.4. 23, kurz vor der Schließung der First Republic Bank, erschien dort ein Artikel mit dem Titel: „Die Bank-Unruhen sind nur die Spitze des Schulden-Eisbergs“. Die Bankaktien innerhalb des S&P 1.500 wurden Mitte April 2023 so niedrig bewertet wie fast noch nie in diesem Jahrhundert. Das KGV betrug lediglich 8.

Woher kommen die Bankenprobleme?

Kern der jüngsten Bankprobleme ist, dass die westlichen Notenbanken in den letzten 15 Jahren die Notenbankgeldmenge dramatisch ausgeweitet und die Zinsen lange Zeit nahe Null gehalten haben. Angesichts der Geldschwemme insbesondere während der Lockdown-Zeit, haben daraufhin die Banken in den USA, aber auch in Europa, viele langfristige Kredite mit sehr niedriger Verzinsung herausgegeben und, da sie nicht alle Einlagegelder in Form von Krediten unterbringen konnten, viele langlaufende Anleihen mit sehr niedriger Verzinsung gekauft.

Weil sowohl die kurz- wie die langfristigen Zinsen seit Anfang 2022, ausgelöst durch die Inflation und die anschließenden starken Zinserhöhungen der US-amerikanischen Zentralbank, sprunghaft angestiegen sind – um etwa 3 Prozentpunkte -, haben die Banken nun ein Ertragsproblem: Sie müssen sich jetzt zu stark gestiegenen Einlagezinsen refinanzieren, müssen also an ihre Einleger relativ hohe Zinsen zahlen und haben daher einen stark gestiegenen Zinsaufwand. Sie bekommen aber von ihren Kreditnehmern bzw. ihren Anleihebeständen aus den langfristigen Geldanlagen weiterhin nur relativ niedrige Zinserträge.

Es wird noch Jahre dauern, bis sich diese Ertragsklemme der Banken langsam abbaut, indem die niedrigverzinslichen langfristigen Kredite allmählich auslaufen und die Anleihen fällig werden. Nach Meinung des Wall Street Journal dürfte die Ertragsklemme noch jahrelang anhalten. Daher die derzeit säkular niedrige Bewertung der US-Bankaktien.

Dazu kommt, dass insbesondere die hohen Kredite an Gewerbeimmobilien in den USA – etwa 5.400 Milliarden US-Dollar oder ungefähr ein Fünftel des US-Sozialprodukts - momentan für die Banken problematisch sind, da viele Gewerbeimmobilien mit hohen Leerstandsquoten und verfallenden Immobilienpreisen kämpfen. Angesichts der erwarteten Konjunkturschwäche im Laufe des Jahres 2023 dürften einige Kreditausfälle auf die Banken zukommen, sowohl in den USA wie in Europa.

Was sind die Folgen?

Kurz: Die Bankenkrise ist nach Meinung des Wall Street Journals alles andere als vorbei. Schwache Banken führen zu schwacher Kreditvergabe. Schwache Kreditvergabe führt zu schwachem Wirtschaftswachstum.

Aber nicht nur diese allgemeine Entwicklung ist unerfreulich. Besonders interessant ist, dass es große und kleine Banken in ganz unterschiedlichem Ausmaß trifft und weiter treffen dürfte. Die Bankturbulenzen im März 2023 haben dazu geführt, dass viele Anleger verunsichert sind, ob sie ihre Einlagen von kleineren Banken im Falle von Kreditausfällen in voller Höhe zurückbekommen. Daher hat in den letzten Wochen in den USA eine starke Kapitalflucht von kleinen zu großen Banken eingesetzt: Regionalbanken verloren im letzten Monat 212 Milliarden US-Dollar Einlagen, während die 25 größten Banken 18 Milliarden dazugewannen.

Nach dem Motto „too big to fail“ gehen viele Anleger davon aus, dass ihre Anlagen bei den Großbanken im Gegensatz zu kleineren Kreditinstituten sicher sind. Denn Großbanken dürften von der Regierung, so die Vermutung, auf jeden Fall gerettet werden. Nicht jedoch unbedingt kleine und mittelgroße Banken, die nicht als systemrelevant gelten, das heißt, die man insolvent gehen lassen kann, ohne dass sie einen Dominoeffekt auslösen und die Finanzmärkte abstürzen.

Das führt dazu, dass kleine und mittlere Banken in den USA derzeit – im Gegensatz zu den Großbanken - unter Druck kommen. Sie müssen deutlich höhere Einlage-Zinsen bieten als die Großbanken, um Kunden zu halten und müssen daher auch ihre Kreditzinsen deutlich erhöhen. Das bewirkt starke Wettbewerbsnachteile gegenüber den Großbanken. Was bedeutet das für ein Land?

Die großen Vorteile von kleinen Regionalbanken

Die Finanzkrise von 2008 hat gezeigt, dass große, überregionale Banken sehr viel weniger verantwortungsvoll handeln als kleine oder mittelgroße, regional verwurzelte Banken. Vor 2008 wurden vor allem in den USA Immobilienkredite eingegangen, von denen die Banker teilweise genau wussten, dass sie kaum zurückzahlbar waren.

Diese Problemkredite wurden in Wertpapiere umgewandelt (sogenannte Asset Backed Securities) und über die Börsen an weit entfernte Anleger verkauft, insbesondere in Europa, die dann den Schwarzen Peter bzw. die Kreditausfälle zu tragen hatten. Auf diese Weise ist die US-Immobilienkrise direkt nach Europa exportiert worden. Die jahrelangen Gewinne landeten bis 2008 bei den US-Investmentbanken und Kreditanbahnern, die lukrative Provisionen verdienten. Die Risiken und später die Verluste wurden zum guten Teil ins Ausland abgeschoben.

Ein solch verantwortungsloses Verhalten können sich kleine Regionalbanken, wie zum Beispiel Raiffeisenbanken oder Sparkassen, die vor Ort stark verwurzelt sind und die ihre Kunden sowohl im Einlagen- wie im Kreditgeschäft persönlich kennen, nicht leisten. Man konnte aus der Finanzkrise lernen: Je weiter die Banker vom Kunden entfernt sind, desto verantwortungsloser ist das Bankverhalten. Umgekehrt gilt: Je stärker regional verwurzelt eine Bank ist, desto verantwortungsvoller handelt sie in der Regel. Unter Ethikgesichtspunkten sind kleinere Regionalbanken ein wahrer Lichtblick.

Dazu kommt: Regionalbanken sind besonders wichtig für die regionale Wirtschaft. US-Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten bekommen 70 Prozent ihrer Kredite von kleinen und mittelgroßen Banken. In ländlichen Regionen sind es gar 90 Prozent. Wenn die kleinen Regionalbanken Probleme bekommen, bekommt auch die regionale Wirtschaft Probleme. Und genau das zeichnet sich momentan in den USA ab. Die derzeit in Zeitlupe ablaufende Bankenkrise bedeutet eine systematisch und nach Meinung des Wall Street Journal längere Zeit anhaltende Verlagerung von Geldern: Weg von kleinen und mittleren Regionalbanken hin zu den großen Banken, Fonds und Unternehmen.

Zunehmende Konzentration im Bankwesen

Die zunehmende Konzentration im US-Bankwesen besteht schon seit mehreren Jahrzehnten: 1983 gab es in den USA mit 14.469 die höchste Zahl an selbständigen Banken. 2022 waren es noch 4.135. Das ist eine Schrumpfung um 71 Prozent in den letzten 40 Jahren. Die Anzahl an Bankfilialen betrug in den USA 2009, dem Höchststand, 85.834. 2022 waren es noch 71.190.

Das entspricht einem Rückgang um 17 Prozent in den letzten 13 Jahren. Nimmt man die Anzahl der selbständigen Bankinstitute und die Zahl der Filialen zusammen, ergibt sich also ein starker Konzentrationsprozess in den letzten Jahrzehnten. Das führt laut Wall Street Journal zu einer Schwächung von kleinen und mittelständischen Unternehmen – zu Gunsten der Großbanken und der großen Kapitalien.

Die gleichen Trends wirken auch in Europa. In der EU ist die Zahl der Banken allein im Zuge der Finanzkrise von 2008 bis 2016 um 23 Prozent auf 6.596 Banken zurückgegangen. In Deutschland gab es laut dem jüngsten Bankstellenbericht der Deutschen Bundesbank 1991 noch über 4.700 selbständige Kreditinstitute, 2021 waren es nur noch 1.519.

Das entspricht einem Rückgang um über zwei Drittel, das heißt zwei von drei Banken haben in den letzten 20 Jahren bei uns dicht gemacht. Die Zahl der Zweigstellen betrug 2021 21.712, 1991 waren es noch 54.089 gewesen. Das entspricht laut Bundesbank einem Rückgang „auf nur noch zwei Fünftel“ (Bankstellenbericht 2021 der Deutschen Bundesbank, S.9). Also auch in Deutschland sieht man eine extreme Konzentrationsentwicklung im Bankwesen.

Was steckt dahinter?

Dieser Trend im Bankwesen spiegelt gut die Entwicklungen der letzten 40 bis 50 Jahre, in denen in Industrieländern eine zunehmende Konzentration von Vermögen, Kapital und Macht bei immer größeren Konzernen und den hinter ihnen stehenden Multimilliardären stattfand. In den USA wurde 2021 die höchste Vermögenskonzentration der US-Geschichte ausgewiesen: 0,01 Prozent der Bevölkerung gehörten 2021 10 Prozent aller US-Vermögen. Das ist eine noch höhere Konzentration als selbst im Jahr 1913, zu Zeiten von Rockefeller und JPMorgan. Die Bankenkrise von März 2023 ist eine Art Verstärker dieses seit langem zu beobachtenden Trends zu weniger und weniger Wettbewerb und mehr und mehr Machtkonzentration.

Seit Jahrzehnten nimmt die Ungleichverteilung in der westlichen Welt zu. Über Lobbyarbeit nehmen die großen Konzerne und die Milliardäre immer stärkeren Einfluss auf die Politik, insbesondere über die wenigen großen Medienkonzerne. Die Milliardäre und Konzernlenker sind nie in irgendeiner politischen Wahl von den Bürgerinnen und Bürgern demokratisch gewählt worden.

Machtkonzentration, Machtmissbrauch und Gegenmaßnahmen

Wir sehen seit Jahrzehnten eine zunehmende Machtkonzentration, eine immer stärkere Bündelung von ökonomischer Macht bei relativ wenigen Menschen, die nie demokratisch gewählt wurden, eine ökonomische Macht, die sich zunehmend in politische Macht übersetzt. Unsere Demokratie wird dadurch meiner Einschätzung nach immer mehr ausgehöhlt. Wenn wir nicht aufpassen, könnten wir bald in einer Oligarchie oder Aristokratie aufwachen. Wir können uns dessen bewusstwerden und es ändern:

Eine erste einfache Gegenmaßnahme wäre eine progressive Bodenabgabe nach einem Freibetrag von vielleicht zwei Millionen Euro pro Kopf, um langfristig privaten Großgrundbesitz abzuschaffen, für den es weder eine ökonomische noch eine ethische Legitimation gibt. Das würde unter anderem zu einem Bau-Boom führen und könnte für eine massive Steuersenkung für Geringverdiener genutzt werden. Zweitens könnte man Industrielobbyisten aus dem Bundestag verbannen, Stichwort Bannmeile um den Bundestag.

Drittens könnten wir für eine plurale, dezentrale, freie und unabhängige Medienlandschaft sorgen, unter anderem durch eine progressive, größenabhängige Steuer auf Medienkonzerne, um langfristig deren Größe und Einflussnahme zu limitieren nach dem Motto small is beautiful, Meinungsmacht begrenzen. Weitere Maßnahmen finden sich in meinem Buch „Das Mephisto-Prinzip in unserer Wirtschaft“, das man kostenlos komplett hier herunterladen kann.

                                                                            ***

Prof. Dr. Christian Kreiß, Jahrgang 1962: Studium und Promotion in Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsgeschichte an der LMU München. Neun Jahre Berufstätigkeit als Bankier, davon sieben Jahre als Investment Banker. Seit 2002 Professor an der Hochschule Aalen für Finanzierung und Volkswirtschaftslehre. Autor von sieben Büchern: Gekaufte Wissenschaft (2020); Das Mephisto-Prinzip in unserer Wirtschaft (2019); BWL Blenden Wuchern Lamentieren (2019, zusammen mit Heinz Siebenbrock); Werbung nein danke (2016); Gekaufte Forschung (2015); Geplanter Verschleiß (2014); Profitwahn (2013). Drei Einladungen in den Deutschen Bundestag als unabhängiger Experte (Grüne, Linke, SPD), Gewerkschaftsmitglied bei ver.di. Zahlreiche Fernseh-, Rundfunk- und Zeitschriften-Interviews, öffentliche Vorträge und Veröffentlichungen. Homepage www.menschengerechtewirtschaft.de


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