Unternehmen

Neues Liefergesetz aus Brüssel stranguliert deutsche Wirtschaft

Was die Wirtschaft in Deutschland und insbesondere der Mittelstand befürchtet hatte, ist nun eingetreten: Das Europäische Parlament hat jetzt ein ultrastrenges Lieferkettengesetz beschlossen. Es ist noch schärfer als das deutsche Gesetz – und das galt schon in der Wirtschaft als „völlig verkorkst“.
Autor
01.06.2023 17:04
Aktualisiert: 01.06.2023 17:04
Lesezeit: 2 min

Mit 366 Stimmen hat das Europäische Parlament bei 225 Gegenstimmen ein EU-Lieferkettengesetz verabschiedet. Das Gesetz aus Brüssel, stieß schlagartig auf die geballte Ablehnung der deutschen Wirtschaft, da es zum Teil deutlich über das deutsche „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ hinausgeht. Schon das deutsche Gesetz wurde nach einer fünfmonatigen Erprobung als völlig unpraktikabel bewertet.

Strenge Anforderungen

Die neuen Regeln aus Brüssel übertreffen in ihrer Strenge vorherige Pläne. Denn in Ihnen sollen über alle Sektoren hinweg Unternehmen mit Sitz in der EU unterliegen, die mehr als 250 Angestellte und mehr als 40 Millionen Jahresumsatz haben. Zunächst war das Lieferkettengesetz nur für Firmen ab 500 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro gedacht. Die betroffenen Unternehmen sind demnach verpflichtet, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt zu ermitteln und „erforderlichenfalls zu verhindern, zu beenden oder zu mildern“.

Darüber hinaus werden die Unternehmen verpflichtet, die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards auch bei ihren Partnerunternehmen in der Kette der Wertschöpfung zu überwachen. Der Richtlinienentwurf sieht zudem vor, dass Firmen in der EU für Kinder- und Zwangsarbeit sowie für Umweltverschmutzung ihrer internationalen Lieferanten verantwortlich gemacht werden sollen. Geplant ist auch, dass Unternehmen vor europäischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden können. Zudem werden Unternehmen dazu aufgefordert, Klimaschutzpläne aufzustellen.

Ablehnung der Wirtschaft

Der Beschluss des Europäischen Parlaments muss nun im Wortlaut mit dem Europäischen Rat abgestimmt werden, ehe er gültig wird. Doch schon jetzt sind die Beschlüsse des EU-Parlaments auf die geballte Ablehnung der deutschen Wirtschaft gestoßen. In ersten Stellungnahmen wurde der Gesetzentwurf in teils scharfen Worten rundum abgelehnt – zu teuer, zu bürokratisch und zudem wenig praxistauglich.

So kritisierte in einer ersten Stellungnahme die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK), dass es dem Gesetzesentwurf an Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit fehle: „Das Lieferkettengesetz bürdet den Unternehmen ein neues und unkalkulierbares Haftungsrisiko auf“, erklärte DIHK-Präsident Peter Adrian. Er wies daraufhin, dass einem Betrieb in aller Regel nur der direkte Zulieferer bekannt sei, Lieferketten aber oft aus mehreren hundert Betrieben bestünden.

Mit den Brüsseler Beschlüssen würden kleine und mittlere Unternehmen „komplett überfordert“. Ganz ähnlich sieht das auch der Bund Deutscher Arbeitgeber (BDA), der vor einer Abwanderung deutscher Unternehmen warnt. Ihr Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter warnte, dass gerade in Krisenzeiten Unternehmen mehr Flexibilisierung und Spielräume für Investitionen „und weniger Bürokratie aus Brüssel“ bräuchten.

Auch unter den Abgeordneten der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, die gegen das Gesetz gestimmt hatten, gab es entschiedene Kritik. Ihr Vorsitzender Daniel Caspary (CDU) hat in einer gemeinsamen Stellungnahme mit seiner Kollegin Angelika Niebler (CSU) erklärt, dass damit ein regulatorischer Flickenteppich entstünde, der die Unternehmen vor zusätzlichen Herausforderungen stelle. In seiner jetzigen Form trage der Entwurf des Parlaments nicht dazu bei, das europäische Firmen wettbewerbsfähiger würden.

Bedenken des Mittelstands

Mit den jüngsten Beschlüssen ist das Parlament in Brüssel dabei, dass seit fünf Monaten in Deutschland geltende „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ noch weiter zu verschärfen. Schon das deutsche Gesetz, das in seiner jetzigen Form erst für Unternehmen ab einer Größe von 3000 Beschäftigten und ab dem 1. Januar nächsten Jahres für Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigen gilt, wird gerade vom Mittelstand vollkommen abgelehnt.

So hatte der Chefvolkswirt des Bundesverbands für mittelständische Wirtschaft, Hans-Jürgen Volz, gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) erklärt, dass damit auf die Unternehmen ein erheblicher bürokratischer Aufwand zukomme, für den sie „weder organisatorisch aufgestellt sind noch deren Kosten sie auf die Kunden abwälzen können“. Völz hatte zudem zu bedenken gegeben, dass ein Lieferkettengesetz nicht dazu führe, dass die Missstände in den betroffenen Ländern behoben werden, sondern sich lediglich deutsche Unternehmen aus diesen Märkten zurückzögen – mit der Folge, dass ihr Geschäft von Unternehmen aus anderen Ländern übernommen werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

 

 

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzstabilitätsbericht 2025: Bundesbank warnt vor wachsenden Risiken für Banken
06.11.2025

Insgesamt stehen Deutschlands Banken gut da. Doch es gibt reichlich Risiken. Und bisweilen werden sie unterschätzt, warnt die Bundesbank.

DWN
Politik
Politik Brics-Europa-Symposium: AfD-Politiker reisen nach Russland
06.11.2025

AfD-Abgeordnete reisen zu einer Konferenz nach Russland. Dabei kommt es vielleicht auch zu einem Treffen mit Ex-Präsident Medwedew. Die...

DWN
Panorama
Panorama Uhrmacherhandwerk: Schwarzwälder wollen Kuckucksuhr als Kulturerbe schützen
06.11.2025

Die Kuckucksuhr feiert ihren 175. Geburtstag – doch die Branche steht vor Herausforderungen. Warum Hersteller jetzt auf mehr Schutz und...

DWN
Finanzen
Finanzen Schufa Auskunft: Wie lange darf die Schufa Zahlungsprobleme speichern?
06.11.2025

Der Schufa-Score soll Unternehmen helfen, die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden einzuschätzen. Aber wie lange dürfen die Daten gespeichert...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft OECD schlägt Alarm: Zu wenig Tempo beim Klimaschutz
06.11.2025

Die Industriestaatenorganisation warnt: Die Welt ist nicht auf Kurs, um ihre Klimaziele zu erreichen. Welche Konsequenzen drohen, wenn...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungsbau: Regierung reaktiviert Neubauförderung mit 800 Millionen Euro
06.11.2025

Für bestimmte Neubauprojekte gibt es nun wieder Fördergeld. Welche Bedingungen Bauherren erfüllen müssen – und warum viele genehmigte...

DWN
Immobilien
Immobilien Dachausbau: Wie sich das verborgene Potenzial nutzen lässt
06.11.2025

Die Umgestaltung von Dachböden in Wohnräume ist eine der günstigsten Methoden, um neue Wohnfläche zu gewinnen.

DWN
Finanzen
Finanzen Rheinmetall-Aktie im Plus: Trotz starker Quartalszahlen und Rekordaufträgen bleiben Risiken
06.11.2025

Rheinmetall überzeugt mit starken Quartalszahlen und rekordhohen Aufträgen – doch Lieferverzögerungen und Investitionen belasten die...