Immobilien

Europas Immobilienmarkt droht weiteres Ungemach

Die Immobilienunternehmen in Europa haben bereits historische Wertverluste hinnehmen müssen, doch wegen der steigenden Kreditkosten drohen weiter Notverkäufe.
Autor
03.06.2023 12:18
Aktualisiert: 03.06.2023 12:18
Lesezeit: 3 min
Europas Immobilienmarkt droht weiteres Ungemach
Büro in Berlin. Die Bewertungen der europäischen Immobilienunternehmen drohen weiter einzubrechen. (Foto: dpa) Foto: Jens Kalaene

Die Vermieter in Europa sind in der Krise. Denn die Immobilienpreise sind eingebrochen, die Kreditkosten sind auf den höchsten Stand seit der Finanzkrise gestiegen und die Banken werden vorsichtiger bei der Kreditvergabe. Immobilienunternehmen haben Anleihen im Wert von etwa 165 Milliarden Dollar, die bis 2026 fällig werden. Für einige der Unternehmen besteht derzeit die Gefahr, dass sie auf Ramschstatus herabgestuft werden, was die Kreditaufnahme noch teurer machen würde.

Laut einer Umfrage der Bank of America sind Immobilien bereits den dritten Monat in Folge die unbeliebteste Branche unter Fondsmanagern. Da viele Vermieter mit Schulden überhäuft sind, müssen sie sich auf Verkäufe von Vermögenswerten, Dividendenkürzungen und Bezugsrechtsemissionen verlegen, um ihre Unternehmen für eine turbulentere Zukunft fit zu machen.

"Die Fälligkeitsmauer [von 165 Milliarden Dollar bis 2026] könnte ein Katalysator für Transaktionen sein, denn wenn die Kreditnehmer nicht in der Lage sind, sich zu refinanzieren, müssen sie aussteigen", zitiert Bloomberg Jackie Bowie, Leiter der EMEA-Abteilung bei Chatham Financial. "Ich vermute, dass mehr Vermögenswerte auf dem Markt verkauft werden, und zwar zu notleidenden Preisen."

Das schwedische Immobilienunternehmen Samhallsbyggnadsbolaget i Norden AB, das seit seinem Allzeithoch um mehr als 90 Prozent eingebrochen ist, teilte zum Start der Woche mit, dass es Optionen, wie den Verkauf der gesamten Gruppe oder Teilen davon erwägt, um den Konzern aufrechtzuerhalten. Die Schrumpfungsbemühungen haben das Interesse von Unternehmen wie Brookfield Asset Management geweckt, sodass sein Aktienkurs am Freitag wieder zulegte.

Der Schuldenberg von Samhallsbyggnadsbolaget i Norden AB in Höhe von 8 Milliarden Dollar, der zum Aufbau eines Portfolios von mehr als 2.000 Immobilien verwendet wurde, hat sich nach dem Ende der Ära des billigen Geldes zur massiven Belastung entwickelt. Der Vermieter wurde bereits auf Ramschniveau herabgestuft, was ihn veranlasste, eine geplante Bezugsrechtsemission aufzugeben, und der Markt rechnet damit, dass weitere folgen werden.

Teufelskreis aus höheren Zinsen und schlechteren Ratings

Einem quantitativen Modell von Bloomberg zufolge wurden die meisten Immobilienanleihen im Euro-High-Grade-Index von Unternehmen emittiert, deren Kreditqualität inzwischen eher dem Junk-Status entspricht. Solange sie ihre Schuldenberge nicht abbauen können oder die Kreditzinsen nicht wieder sinken, werden diese so genannten "gefallenen Engel" wahrscheinlich höhere Zinsen für ihre Kredite zahlen müssen, wenn sie sich refinanzieren wollen.

"Für viele dieser Emittenten wird es einen sehr starken Anreiz geben, wieder zu Investment-Grade zurückzukehren. Wir haben bereits gesehen, dass sie versuchen, diese Grenze zu verteidigen", zitiert Bloomberg Viktor Hjort, globaler Leiter der Kreditstrategie und Desk-Analysten bei BNP Paribas SA. Doch die Beibehaltung des Ratings könnte für einige unerschwinglich sein, auch weil die Hybridanleihen der Vermieter auf dem Sekundärmarkt in den Keller gegangen sind.

Einige Anleihegläubiger verlieren die Geduld und verkaufen die Anleihen an die Immobilienunternehmen zurück, die sie ausgegeben haben, darunter Aroundtown SA und die schwedische Heimstaden Bostad AB. Die Attraktivität des Haftungsmanagements für Vermieter liegt auf der Hand: Die Preise für erstklassige Euro-Anleihen sind seit Anfang 2022 um fast ein Fünftel gefallen.

"Große und plötzliche Schwankungen der Nominalsätze schaffen Unsicherheit, und es ist wichtig, finanzielle Disziplin zu wahren, um solche Phasen zu überstehen", zitiert Bloomberg Christian Fladeland, Chief Investment Officer von Heimstaden AB. "Wir sind der Ansicht, dass sich dies in unserer starken Bilanz, unserer Absicherungspolitik und dem ausgewogenen Fälligkeitsprofil unserer Schulden widerspiegelt."

Andere Unternehmen werden auf Bezugsrechtsemissionen oder teure alternative Formen der Verschuldung zurückgreifen, um ihre Belastung zu verringern, was sich im Laufe der Zeit auf die Gewinne auswirkt. Das hat dazu geführt, dass an einigen Stellen des Aktienmarktes die Alarmglocken schrillen, wie es sie seit der Finanzkrise nicht mehr gegeben hat.

Immobilienunternehmen so günstig wie seit 2008 nicht mehr

Die Aktienkurse der Immobilienunternehmen im Verhältnis zu ihren Vermögenswerte handeln derzeit auf dem niedrigsten Stand seit 2008. Seit August 2021 beträgt der Rückgang des europäischen Immobilienindizes Stoxx 600 Real Estate fast 50 Prozent beziehungsweise 148 Milliarden Dollar, sodass der Index im Vergleich zum europäischen Referenzindex für Aktien ein Rekordtief erreicht hat.

Wegen der allgemeinen Turbulenzen sind die Immobilienmärkte fast zum Stillstand gekommen, da die Käufer höhere Renditen verlangen, um das Risiko steigender Zinsen und abwandernder Mieter zu kompensieren. Nach Angaben des Maklers Savills Plc sind die Preise für erstklassige Bürogebäude in Berlin, Paris und Amsterdam innerhalb von zwölf Monaten um mehr als 30 Prozent gefallen. Und es könnte noch schlimmer kommen.

Die Werte von Gewerbeimmobilien in Europa könnten um bis zu 40 Prozent sinken, da die Schuldenmärkte in Mitleidenschaft gezogen wurden, schrieb jüngst der Analyst Aaron Guy von Citigroup. Vermieter müssten bei der Refinanzierung eines Objekts möglicherweise 50 Prozent zusätzliches Eigenkapital aufbringen, um die Kriterien zu erfüllen, die Banken und Fonds bei der Kreditvergabe zugrunde legen. Dabei geht er von einem Refinanzierungssatz von 6 Prozent aus.

Die Ungewissheit hat die Geldverwalter misstrauisch gemacht. "Wir halten uns aus dem Sektor heraus", sagte etwa Lucas Maruri, ein Fondsmanager bei MAPFRE Asset Management, der rund 40 Milliarden Euro verwaltet. "Wir schätzen, dass es immer noch Risiken gibt, die eine gute Performance der Aktien von Immobiliengesellschaften, REITs und europäischen Bauträgern in den kommenden Monaten verhindern werden."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmen
Unternehmen Ticketsteuer sinkt: Flugbranche verspricht mehr Verbindungen – Passagiere bleiben skeptisch
22.11.2025

Die Bundesregierung will den Luftverkehr mit einer Absenkung der Ticketsteuer ab Mitte nächsten Jahres entlasten. Die Flug- und...

DWN
Politik
Politik New York-Wahl: Was Mamdanis Sieg für Europa bedeutet
22.11.2025

Der Sieg eines radikalen Sozialisten in New York, Deutschlands Stillstand und Polens Aufstieg: Ein Kommentar darüber, wie politische und...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto-Crash: Wie Zinsen und KI die Kryptomärkte unter Druck setzen
21.11.2025

Die jüngsten Turbulenzen an den Kryptomärkten stellen Anleger, Unternehmen und Regulierer gleichermaßen auf die Probe. Welche Kräfte...

DWN
Politik
Politik Koalition unter Druck: Bundesrat zwingt Merz-Regierung in den Vermittlungsausschuss
21.11.2025

Die Stimmung in der Koalition mau, der Rentenstreit noch längst nicht ausgestanden – jetzt legt sich auch noch der Bundesrat quer. Er...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Ein Mundscan reicht: Das Healthtech DentalTwin erstellt KI-basierte Modelle für Zahnersatz
21.11.2025

Mithilfe KI-basierter Datengenerierung verlagert das Start-up DentalTwin die Zahnprothetik ins Digitale. Das dürfte nicht nur Praxen und...

DWN
Politik
Politik EU lockert Datenschutz: Digitaler Omnibus reformiert Regeln für KI
21.11.2025

Europa steht bei der Digitalpolitik vor einem Wendepunkt, an dem Wettbewerbsfähigkeit und Schutz von Bürgerrechten neu austariert werden....

DWN
Politik
Politik US-Wirtschaftselite, Ex-Präsidenten und die Epstein-Akten: Verbindungen zu Politik und Tech-Milieu offengelegt
21.11.2025

Mit jeder neuen Aktenveröffentlichung im Fall Jeffrey Epstein treten weitere Verbindungen zwischen politischen Entscheidern, Finanzeliten...

DWN
Panorama
Panorama Ansteigende Gewalt gegen Frauen - Dobrindt: „Nicht-Deutsche Tatverdächtige deutlich überrepräsentiert“
21.11.2025

Frauen werden stündlich Opfer von körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt, so das Bundeskriminalamt. Das Dunkelfeld dürfte um...