Das Gespräch zwischen Kiril Petkov und der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen soll am 21. Mai stattgefunden haben. Bulgarischen Medien zufolge ist inzwischen bestätigt worden, dass ein Gespräch zwischen den beiden stattgefunden habe, dabei sei es auch um einen Beitritt Bulgariens zum Schengen-Raum und zur Euro-Zone gegangen.
Ein vertrauliches Gespräch wird öffentlich
Über dieses Telefonat hatte Petkov bei einem Treffen mit Spitzenvertretern seiner Partei PP berichtet. Anlass des Treffens des Parteirats war die Koalitionsvereinbarung, die die PP mit der rivalisierenden Partei GERB unter dem langjährigen Ministerpräsidenten Boiko Borissov getroffen hatte. Den Inhalt der Ausführungen Petkovs hatte der PP-Abgeordnete Radostin Vasilev der Presse zugespielt, weil er damit eine Koalition mit der Partei GERB torpedieren wollte.
Die Partei GERB des langjährigen Ministerpräsidenten Borissov, ist wie die CDU, der auch von der Leyen angehört, Teil der Europäischen Volkspartei (EVP). Die Koalition mit der Partei Borissovs war und ist bis zum heutigen Tage in Teilen der PP höchst umstritten, da Borissov – einem ehemaligen Karate-Trainer und Inkasso-Eintreiber - vielfältige und äußerst enge Verbindungen in die höchsten Kreise der organisierten Kriminalität des Balkanlandes nachgesagt werden.
Petkov hat den Mitgliedern des Parteirats der PP berichtet, dass von der Leyen auf seine Frage hin, wie es um einen Beitritt zum Schengen-Raum und zur Euro-Zone stünde, gesagt: „Bei Schengen haben Sie große Chancen. Für die Eurozone müssen Sie herausfinden, wie Sie die Regeln umgehen können, um in den Rahmen zu passen.“ Auf seine Nachfrage hin, so Petkov, ob man nicht die Inflation Bulgariens abzüglich eines Ukraine-Effektes berechnen könne, soll die Kommissionspräsidentin geantwortet haben: „Zitieren Sie mich nicht, wir werden versuchen, Ihnen zu helfen.“
Ein nichts dementierendes Dementi der Kommission
In einer Stellungnahme gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten bestätigt eine Sprecherin der Kommission, dass ein Gespräch zwischen von der Leyen und Petkov zu den beiden Themen Beitritt zum Schengen-Raum und zur Euro-Zone stattgefunden habe. Die Stellungnahme der Kommission verweist darauf, dass „die Standpunkte der Kommissionspräsidentin zu beiden Punkten bekannt“ seien.
Wörtlich heißt es in der Erklärung gegenüber den DWN weiter: Die Präsidentin „hat erneut ihre Unterstützung für einen Schengen-Beitritt Bulgariens bekräftigt. Für einen Schengen-Beitritt gibt es einen sehr strukturierten Prozess, der für alle Länder gleichermaßen gilt. Die Kommission unterstützt dabei, die Bedingungen zu erfüllen. Es liegt auf der Hand, dass die Regeln eingehalten werden müssen.“
Bemerkenswert an dieser Stellungnahme ist, was nicht erwähnt wird. Obwohl von den DWN explizit danach gefragt wurde, geht die Sprecherin der Kommission mit keinem Wort auf die Berichte in der Presse ein, dass die Präsidentin Ursula von der Leyen Bulgarien in Aussicht gestellt haben soll, Mitglied der Euro-Zone werden zu können – und das unter „Umgehung der Regeln“.
Tatsächlich wäre ein Beitritt Bulgariens sowohl zum Schengen-Raum wie auch zur Euro-Zone höchst umstritten. Bulgarien wurde 2007 in die EU aufgenommen, obwohl es wesentliche Beitrittskriterien nie erfüllt hatte. So hat das Balkanland bis heute keine funktionierende unabhängige Justiz. Zudem leidet das Land unter einer grassierenden Korruption und unter einer organisierten Kriminalität, die weit in höchste Kreise der Politik reicht.
Und so haben einige Länder der EU – allen voran die Niederlande und Österreich – einen Beitritt Bulgariens zum Schengen-Raum bisher verhindert. Sollte also tatsächlich die Präsidentin der EU-Kommission einen Beitritt des Balkanlandes zum Schengen-Raum in Aussicht gestellt haben, so dürfte das weder in Den Haag noch in Wien auf Zustimmung stoßen.
Skepsis gegenüber Euro-Beitritt
Ähnlich verhält es mit einem Beitritt zur Euro-Zone: Zum einen fehlen in dem Land bis zum heutigen Tage wirksame Gesetze gegen die Geldwäsche, zum anderen bereitet die inzwischen chronische politische Instabilität erhebliche Sorgen. Die letzte Parlamentswahl im April war die fünfte innerhalb von zweieinhalb Jahren – und aus dieser Wahl ist immer noch keine neue Regierung hervorgegangen. Dazu kommt aber noch ein weiterer Umstand: Immer mehr Bulgaren selbst haben Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Euro-Einführung.
Das Land leidet unter einer massiven Inflation von etwa 15 Prozent. Mit Sorge haben die Bulgaren beobachtet, dass die Einführung des Euros in Kroatien für einen erheblichen Inflationsschub gesorgt hatte. Die Aussicht, zu einer sowieso schon sehr hohen Inflation noch einen weiteren Schub an Geldentwertung zu erfahren, wird in weiten Teilen der bulgarischen Bevölkerung nicht als besonders erstrebenswert empfunden. So wurde auch in jüngsten Umfragen deutlich, dass die Skepsis hinsichtlich einer Einführung des Euros zuletzt massiv im Lande gestiegen war.
Sollte also nun sich der Eindruck verfestigen, dass ausgerechnet die Präsidentin der Kommission zu einer besonders laxen Auslegung der Kriterien eines Euro-Beitritts, wenn nicht gar zu ihrer Beugung rät, dürfte das für erheblichen Unmut sorgen – in Bulgarien wie auch in den anderen Ländern der Eurozone.