Unternehmen

Ende der Rezession „nicht absehbar“: Industrieaufträge fallen erneut

Die Auftragslage der deutschen Industrie war auch im April enttäuschend. Die deutsche Wirtschaft steckt in der Rezession fest – und Analysten sehen kein Ende in Sicht.
06.06.2023 14:11
Aktualisiert: 06.06.2023 14:11
Lesezeit: 2 min

Die deutsche Industrie hangelt sich von Dämpfer zu Dämpfer und kann der Konjunktur derzeit keine Impulse verleihen. Nach einem massiven Auftragseinbruch im März sanken die Bestellungen der Betriebe überraschend auch im April und zwar um 0,4 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte.

Auftragslage in der Industrie enttäuschend

Ökonomen hingegen hatten mit einem Anstieg um 3,0 Prozent gerechnet, nachdem es im März mit 10,9 Prozent das größte Auftragsminus seit den Anfangszeiten der Corona-Pandemie im April 2020 gegeben hatte. „Das ist ein schlechtes Signal“, kommentierte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. „Die technische Rezession im Winterhalbjahr war kein Ausrutscher.“

Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) zeigte sich ernüchtert. „Die Auftragseingänge bleiben in einem tiefen Loch“, sagte DIHK-Außenwirtschaftsexpertin Carolin Herweg. Hohe Energiepreise, steigende Zinsen und der Fachkräftemangel bremsten die wirtschaftliche Dynamik und die Nachfrage nach Industriegütern. „Das konjunkturelle Umfeld wird damit zunehmend ungemütlicher.“ Auch Commerzbank-Volkswirt Krämer betonte, vieles spreche zusammen mit den weltweiten Zinserhöhungen für ein erneutes Schrumpfen der Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte.

Deutschland in der Rezession, Ende „nicht absehbar“

Die deutsche Wirtschaft schrumpfte Ende 2022 und Anfang 2023 und steckt nach landläufiger Definition damit in einer technischen Rezession. Nach enttäuschenden Daten zu Industrie-Aufträgen und Exporten sind viele Ökonomen skeptisch.

Nun zeichne sich ab, dass die Wirtschaft auch im laufenden zweiten Quartal schrumpfe, sagte Analyst Jörg Angele vom Vermögensverwalter Bantleon. „Deutschland steckt somit weiter in einer Rezession, deren Ende noch nicht absehbar ist.“ Deshalb dürfte die Wirtschaftsleistung auch im Gesamtjahr 2023 erkennbar sinken. „Die Hoffnungen auf einen bevorstehenden Aufschwung werden sich nicht erfüllen.“

Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank bezeichnete die Daten als Riesenenttäuschung. „Damit wird das Konjunkturgefühl immer mulmiger.“ In der Industrie laufe es weiter alles andere als rund.

„Der Abwärtstrend ist jedenfalls intakt, er hält seit mehr als einem Jahr an.“ Die Schwächephase in den USA werde dies eher noch bestärken. Noch seien Auftragspolster vorhanden. „Auch wegen der Klimapolitik hierzulande wird der Ritt für die Industrie ein harter bleiben.“

Ist schwacher Welthandel Grund für den Abschwung?

Das Bundeswirtschaftsministerium reagierte verhalten. Allerdings hätte es im April ein Orderplus von 1,4 Prozent gegeben, wenn man Großaufträge ausklammere, hieß es. „Die exportorientierte deutsche Wirtschaft leidet besonders unter der noch schwachen Weltwirtschaft und dem Rückgang der Bestellungen aus dem Euroraum“, erklärte das Ministerium. Die Nachfrage im Inland halte sich dagegen vergleichsweise stabil. „Insgesamt deuten die schwachen Auftragseingänge aber noch nicht auf kurzfristige Wachstumsimpulse für die Industrieproduktion hin.“

Die Bestellungen aus dem Inland stiegen im April um 1,6 Prozent zum Vormonat, während die Auslandsnachfrage um 1,8 Prozent nachließ. Die Flaute trifft auch kleinere und mittlere Betriebe. Das KfW-Mittelstandsbarometer sank im Mai erstmals nach sechs Anstiegen in Folge. Demnach läuft es bei Industrie und Dienstleistern grundverschieden.

„Im Verarbeitenden Gewerbe rutschen sowohl die Lageurteile als auch die Erwartungen wieder stärker in den negativen Bereich“, erklärte die staatliche Förderbank KfW. Die Dienstleister hingegen meldeten eine überdurchschnittlich gute und im Mai auch nochmal verbesserte Geschäftslage, bei pessimistischeren Erwartungen. „Für das Gesamtjahr 2023 erwarte ich nur ein geringfügiges Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent“, sagte KfW-Chefökonomin Fritzi Köhler-Geib.

Die exportorientierte deutsche Wirtschaft kann derzeit auch kaum auf Rückenwind vom globalen Handel setzen, wie aus Daten vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hervorgeht. Demnach stagniert der Welthandel weitgehend. „Die große Erholung nach dem globalen Dämpfer im vergangenen Winterhalbjahr lässt also nach wie vor auf sich warten“, sagte IfW-Experte Vincent Stamer.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gaskraftwerke für Deutschland: Teuer, umstritten und auch politisch fragwürdig
08.11.2025

Können Wind und Sonne nicht genug erneuerbare Energien liefern, sollen bis zu 40 große Gaskraftwerke einspringen, die...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin, Ether und Co.: Wie Sie an der Börse sicher in Kryptowährungen investieren
08.11.2025

Wollen Sie Kryptowährungen kaufen? Dann müssen Sie dafür nicht auf irgendwelchen unseriösen Internetportalen herumsurfen. Kurse von...

DWN
Politik
Politik Donald Trump und die US-Präsidentschaftswahl 2028: Strebt er eine dritte Amtszeit an und geht das so einfach?
08.11.2025

Die Diskussion um Donald Trumps mögliches politisches Comeback zeigt das Spannungsfeld zwischen Recht, Strategie und Macht in den USA....

DWN
Technologie
Technologie Deep Tech als Rettungsanker: Wie Deutschland seine industrielle Zukunft sichern kann
08.11.2025

Deutschland hat große Stärken – von Forschung bis Ingenieurskunst. Doch im globalen Wettlauf um Technologien zählt längst nicht mehr...

DWN
Technologie
Technologie So optimiert KI in Belgien die Landwirtschaft: Schwankende Ernten prognostizieren? Kein Problem!
08.11.2025

Die Landwirtschaft muss Erträge effizient planen und Schwankungen ausgleichen, wobei KI zunehmend Entscheidungen auf verlässlicher Basis...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Managergehälter: Wie viel Mut hinter den Millionen steckt
08.11.2025

Topmanager reden offen über ihr Einkommen? In Estland sorgen zwei Führungskräfte für großes Staunen. Sie zeigen, wie viel Disziplin,...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Leitzins: Stillstand oder Strategie? Was die EZB-Zinsentscheidung wirklich bedeutet
08.11.2025

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins beim jüngsten EZB-Zinsentscheid nicht angerührt – doch das Schweigen ist laut. Christine...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Schmuck aus Holz und Stein: Holzkern – wie Naturmaterialien zum einzigartigen Erfolgsmodell werden
07.11.2025

Das Startup Holzkern aus Österreich vereint Design, Naturmaterialien und cleveres Marketing zu einem einzigartigen Erfolgsmodell. Gründer...