Finanzen

EZB erhöht Zinsen auf höchsten Stand seit 2001

Die EZB hat die Leitzinsen um 0,25 Punkte angehoben. Damit setzt sie ihren Kampf gegen die hohe Inflation fort. Die Konjunktur hingegen wird dadurch weiter abgewürgt.
15.06.2023 14:51
Aktualisiert: 15.06.2023 14:51
Lesezeit: 3 min
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Die EZB setzt ihren Kampf gegen die Inflation mit der achten Zinserhöhung in Folge fort und stellt für den kommenden Monat bereits die nächste Anhebung in Aussicht. Die Währungshüter um Notenbankchefin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag auf ihrer Zinssitzung, die Zinsen wie schon im Mai um 0,25 Prozentpunkte hoch zu setzen. Der an den Finanzmärkten richtungsweisende Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt damit künftig bei 3,50 Prozent - das höchste Niveau seit 22 Jahren.

"Vorbehaltlich wesentlicher Änderungen unserer Grundannahmen ist es sehr wahrscheinlich der Fall, dass wir die Zinsen im Juli weiter anheben werden", sagte Lagarde nach dem Zinsbeschluss auf der Pressekonferenz. "Wir denken nicht an Pause, wie man sieht."

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Die Börse reagierte prompt. Der Euro stieg um 0,8 Prozent auf 1,0919 Dollar und steuerte auf seinen größten Tagesgewinn seit drei Monaten zu. Dax und EuroStoxx50 konnten ihre Verluste allerdings dank einer anziehenden Wall Street eingrenzen und notierten zuletzt etwa 0,3 Prozent im Minus. Im Gegensatz zur EZB hatte die US-Notenbank Fed nach zehn Zinserhöhungen in Folge erst einmal eine Pause eingelegt. Die Fed deutete aber an, dass sie noch bis zu zwei kleinere Schritte für dieses Jahr ins Auge fasst.

"Die EZB macht derzeit einen überzeugenden Job, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen", sagte Friedrich Heinemann vom Mannheimer Forschungszentrum ZEW. Trotz eines ungünstigen Konjunkturausblicks hebe sie die Zinsen weiter an und demonstriere, dass die Rückkehr zur Preisstabilität Priorität habe. Chefökonom Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank erklärte: "Die EZB hat klar signalisiert, mit Zinserhöhungen weiterzumachen." Statt müde zu werden sei sie bezüglich der Inflationsaussichten weiter hellwach. Unverändert werde ein ausreichend restriktives Zinsniveau angestrebt.

"Sind wir fertig? Haben wir die Reise beendet? Nein", sagte Lagarde. "Wir sind noch nicht am Ziel." Die EZB sei entschlossen, ihr Ziel von zwei Prozent Inflation rechtzeitig zu erreichen. Die künftigen Beschlüsse würden dafür sorgen, dass die Zinsen auf ein ausreichend restriktives Niveau gebracht werden, um dies zu schaffen. Zum möglichen Zinsgipfel wollte sich die Französin aber nicht äußern. Die Inflation habe sich zwar verringert, sagte sie. Sie werde den Projektionen zufolge jedoch zu lange zu hoch bleiben. Die jüngsten Wirtschaftsprognosen der EZB-Volkswirte sehen für 2025 immer noch eine Teuerungsrate von 2,2 Prozent vor. "Unter den derzeitigen Parametern sind 2,2 Prozent in 2025 nicht zufriedenstellend und nicht rechtzeitig", sagte Lagarde.

Die EZB-Präsidentin bekräftigte, dass die Notenbank weiter datenabhängig vorgehen werde. Zugleich merkte sie an, dass sich die bisherigen Zinserhöhungen bereits stark auf die Finanzierungsbedingungen auswirkten und allmählich in der gesamten Wirtschaft ankämen. Die Konjunkturaussichten im Euro-Raum bleiben aus Sicht der EZB vorerst eingetrübt. "Das Wirtschaftswachstum bleibt kurzfristig wahrscheinlich schwach", sagte Lagarde. Im Laufe des Jahres werde sich das Bild jedoch aufhellen. Gründe seien die voraussichtlich nachlassende Inflation und weiter abnehmende Lieferengpässe.

Die Wirtschaft war zuletzt auf einen Rezessionskurs gedreht. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging von Januar bis März um 0,1 Prozent zurück. Bereits Ende 2022 war das BIP um 0,1 Prozent geschrumpft. Bei zwei Quartalen mit wirtschaftlicher Talfahrt in Folge sprechen Volkswirte von einer technischen Rezession. Die EZB hat ihre Wachstumsprognosen für die Währungsunion leicht gesenkt. Nunmehr erwarten deren Volkswirte für dieses Jahr nur noch ein Wachstum von 0,9 Prozent.

Lagarde zufolge fasste die EZB ihre geldpolitischen Beschlüsse mit sehr breitem Einvernehmen. Man habe tiefgreifende und "ziemlich harmonische" Diskussionen im EZB-Rat geführt. Sie verwies darauf, dass der Rat neben der Zinserhöhung auch bestätigt habe, dass er die Tilgungsbeträge aus dem älteren Anleihen-Kaufprogramm APP ab Juli nicht wieder anlegen werde. Es habe einen "sehr, sehr breiten Konsens" gegeben, sagte die EZB-Chefin.

ZINSERHÖHUNGEN IM EILTEMPO

Die Euro-Wächter haben mit ihrem jüngsten Schritt nun seit dem vergangenen Sommer die Schlüsselsätze in rasantem Tempo um insgesamt 4,00 Prozentpunkte angehoben. Die Inflation ist zwar inzwischen gesunken, sie lag mit 6,1 Prozent im Mai zuletzt immer noch klar über der Notenbank-Zielmarke. Die viel beachtete Kernrate, bei der die schwankungsreichen Energie- und Rohstoffpreise herausgerechnet sind, beginnt zudem erst, sich langsam abzuschwächen. Mit 5,3 Prozent im Mai ist sie ebenfalls noch deutlich zu hoch. Dieses Inflationsmaß gilt als guter Indikator für die zugrundeliegenden Inflationstrends und wird deshalb von den Währungshütern genau verfolgt.

Die konjunkturelle Gemengelage ist für die Währungshüter nicht einfach, nachdem die Wirtschaft der Euro-Zone im Winter in eine Rezession gerutscht war. Zudem beginnen die bisherigen Zinserhöhungen ihre Wirkung zu entfalten. So hat sich beispielsweise die Dynamik bei der Kreditvergabe bereits deutlich abgeschwächt. Die Notenbank will aber möglichst vermeiden, dass die Wirtschaft im Zuge ihres Straffungskurses ausgebremst wird. (Reuters)

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