Eigentlich ging es nur um ein Theater in Backnang – um das Bandhaus Theater, einem eher kleinen, privat betriebenen Schauspielhaus. Betrieben wird das Theater von zwei Damen, die nun die Stadtverwaltung um einen kleinen Zuschuss für den Betrieb ihres Hauses gebeten hatten. Die AfD, die im 26-köpfigen Gemeinderat von Backnang mit zwei Abgeordneten vertreten ist, nahm die Bitte auf und stellte den Antrag, der Bitte der Betreiberinnen zu entsprechen und das Bandhaus-Theater mit einer Summe von 110.000 Euro im Jahr zu unterstützen.
Der Antrag fand im Gemeinderat zu Backnang große Zustimmung – alle Mitglieder bis eines der CDU stimmten für den Antrag. Die künstlerische Arbeit des städtischen Bandhaus-Theaters war damit für ein weiteres Jahr gesichert. Alle waren zufrieden – nur eben nicht Ricarda Lang.
Kaum hatte die Bundesvorsitzende von der Freveltat ihrer Parteifreunde in der schwäbischen Provinz erfahren, schaltete sie sich ein und stellte klar, dass – heimisches Theater hin oder lokale Kunst her – so etwas nicht noch einmal vorkomme. Mit markiger Stimme und bannendem Blick in die Fernsehkameras verkündete Lang, nachdem sie zu Hause durchgegriffen hatte, dass künftig die Grünen im Gemeinderat zu Backnang nicht mehr einem Antrag der AfD zustimmen und stattdessen eigene Anträge stellen werden.
Per Du im Gemeinderat
Was auf den ersten Blick einleuchtend erscheint, wirft indes nur noch mehr Fragen auf, wie kommunale Arbeit eigentlich fortan gestaltet werden soll. Tatsächlich geht es im Rat der schwäbischen Gemeinde sehr viel gemütlicher zu, als man sich das im fernen und chronisch aufgeregten Berlin vorstellen mag. Gegenüber der Backnanger Kreiszeitung hatte der Fraktionschef der Grünen im Gemeinderat, Willy Härtner, zu Protokoll gegeben, dass er die ganze Aufregung so gar nicht verstehen könne: Im Gemeinderat seien alle per Du und „nach der Sitzung gehen wir auch zusammen ein Bier trinken“.
Das sieht im Übrigen die AfD in Backnang ganz genauso. Ihr Fraktionsvorsitzender Steffen Degler erklärte gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN), dass die Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen und auch mit den Grünen problemlos sei. Die Vertreter der Grünen in Backnang, so Degler, „sind alle pragmatisch denkende Menschen, mit denen man Sachprobleme lösen kann“.
Kopfschütteln in Backnang
Ausgerechnet das, was Ricarda Lang jetzt als Lösung im Umgang mit der AfD verkündet, löst auch eher entgeistertes Kopfschütteln aus. Lang hatte ihren unbotmäßigen Parteifreunden auferlegt, sie dürften fortan Anträgen der AfD nicht zustimmen und sollten stattdessen eigene Anträge stellen. Dies aber könnte dann in der Praxis zur Folge haben, dass die Grünen einem Antrag der AfD, dem sie in der Sache eigentlich zustimmen, erst ablehnen müssen, um dann den gleichen Antrag selbst zu stellen. Wie das der Glaubwürdigkeit der Grünen oder der Politik insgesamt förderlich sein soll, wird wohl für lange Zeit das Geheimnis von Ricarda Lang bleiben.
Geradezu gönnerhaft äußert sich dazu der Backnanger AfD-Fraktionschef Degler: Ihm täten seine grünen Kollegen im Gemeinderat jetzt schon leid, sollten sie tatsächlich das umsetzen müssen, was ihre Vorsitzende fordert. Frau Lang verwechsele offenkundig eine Sitzung des Gemeinderates mit einer Kabarettaufführung. Die Menschen, so Degler, würden aber schnell merken, dass eine solche Politik der Verweigerung auf ihrem Rücken ausgetragen werde.
Tatsächlich laufen die Grünen Gefahr, sich in Backnang zu isolieren. Ihr Fraktionsvorsitzender Härtner hatte immer wieder betont, dass es in einem Gemeinderat nicht um ideologische Fragen gehe. So ein Gemeinderat, sei „wie ein Klassenzimmer: 26 Menschen säßen zusammen und da spreche man miteinander“.
Und ganz ähnlich sieht es auch Backnangs Bürgermeister Maximilian Friedrich von den Freien Wählern: „Bei uns geht es um Entscheidungen in der Sache.“ Wenn ein guter Vorschlag von der AfD komme, würde der natürlich angenommen. Es könne doch nicht sein, sagt der Bürgermeister fassungslos, dass wir beispielsweise einen Vorschlag ablehnen, das kaputte Feuerwehrauto durch ein neues zu ersetzen, nur weil dieser von der AfD komme.