Finanzen

Eurozone: Geldmenge schrumpft erstmals seit 2010

Die trübe Konjunktur im Euroraum lastet zunehmend auf der Entwicklung der Geldmenge – oder ist der Rückgang des Geldmengenwachstums auch ein Faktor für die schwächelnde Wirtschaft?
03.09.2023 15:15
Aktualisiert: 03.09.2023 15:15
Lesezeit: 2 min
Eurozone: Geldmenge schrumpft erstmals seit 2010
Die in der Eurozone zirkulierende Geldmenge ist erstmals seit vielen Jahren gesunken. (Bild: istockphoto.com/nito100) Foto: nito100

Die breit gefasste Geldmenge M3 sank im Juli zum Vorjahresmonat um 0,4 Prozent, wie die Europäische Zentralbank (EZB) am Montag in Frankfurt mitteilte. Es ist der erste Rückgang seit dem Jahr 2010. Bankanalysten hatten mit einer Stagnation gerechnet. M3 umfasst unter anderem Bargeld, Einlagen auf Girokonten sowie Geldmarktpapiere und Schuldverschreibungen.

Die enger gefasste Geldmenge M1 schrumpft schon seit einiger Zeit. Im Juli ging sie aber noch deutlicher zurück als in den Monaten zuvor. Das Aggregat sank zum Vorjahresmonat um 9,2 Prozent.

Schlechtes Omen für Konjunktur

M1 gilt unter Ökonomen als verlässlicher Konjunkturindikator. Der Hauptgrund des Rückgangs ist die restriktive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die mithilfe von Zinserhöhungen und dem Stopp der Anleihenkäufe die Geldmenge ausdünnt. Ein Teil des Rückgangs ist aber auch durch Umschichtungen von kurz- in längerlaufende Anlagen zu erklären, wie Ökonomen der Landesbank-Hessen-Thüringen erklären.

Die Kreditvergabe steigt unterdessen zwar weiter an, allerdings mit abnehmendem Tempo. Die Kredite der Geschäftsbanken an die privaten Haushalte erhöhten sich um 1,3 Prozent, nach 1,7 Prozent im Vormonat. Die Kredite an Unternehmen außerhalb der Finanzbranche stiegen um 2,2 Prozent, nach 3,0 Prozent im Monat zuvor.

Die Daten zur Kreditvergabe sind eine der wichtigen Kennziffern für die Europäische Zentralbank (EZB), die im September wieder über den Leitzins entscheidet. Sie möchte mit dem straffen Zinskurs den Kreditfluss und damit auch die Wirtschaft dämpfen. Damit soll es gelingen, den starken Preisauftrieb im Euroraum zu zügeln.

„Der monetäre Mantel wird enger. Es ist der schlechteste Wert seit der Finanzkrise“, erläuterte Ökonom Ralf Umlauf von der Helaba die Entwicklung gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Im Juni hatte es noch ein Plus von 0,6 Prozent gegeben.

„Vor allem das Abschmelzen der Sichtguthaben der privaten Nicht-Banken belastet“, sagte er. Mit Nicht-Banken sind volkswirtschaftlich in der Regel private Haushalte, der Staat, das Ausland und alle privaten Unternehmen gemeint, die keine Geschäftsbanken sind. „Im Hinblick auf die EZB ist anzumerken, dass die Zinserwartungen mit den Zahlen nicht gestärkt werden dürften, denn das monetäre Umfeld spricht für einen deutlich nachlassenden Inflationsdruck“, teilte der Helaba-Experte weiter mit.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde machte jüngst deutlich, dass weiterhin eine straffe geldpolitische Linie erforderlich sei. Was dies für die anstehende Zinssitzung im September bedeutet, ließ sie allerdings offen.

In ihrem Kampf gegen die Inflation haben die Währungshüter seit Sommer 2022 bereits neun Mal in Folge die Zinsen angehoben - zuletzt im Juli um einen viertel Prozentpunkt. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank einstreichen, liegt inzwischen bei 3,75 Prozent - das höchste Niveau seit Oktober 2000.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wirtschaft und KI: Jeder zweite Arbeitnehmer zweifelt an Deutschlands wirtschaftlicher Zukunft
09.07.2025

Eine aktuelle Umfrage zeigt: Viele Beschäftigte sind skeptisch, ob Deutschland im Zeitalter der künstlichen Intelligenz wirtschaftlich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Grünes Image unter Druck: EU plant strengere Regeln für Umweltwerbung
09.07.2025

Begriffe wie „klimaneutral“ oder „biologisch abbaubar“ begegnen Verbraucherinnen und Verbrauchern inzwischen fast überall – von...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlands 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturplan: Eine Chance für europäische Bauunternehmen?
09.07.2025

Deutschland plant das größte Infrastrukturprogramm seiner Geschichte. Doch es fehlen Bauarbeiter. Können andere europäische Firmen und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs stabil trotzt Milliardenbewegung: Anleger bleiben dennoch vorsichtig
08.07.2025

80.000 Bitcoin aus der Satoshi-Ära wurden bewegt – doch der Bitcoin-Kurs blieb stabil. Was hinter dem Rätsel steckt, warum Investoren...

DWN
Politik
Politik Steinmeier drängt auf mehr gemeinsame Rüstungsprojekte in Europa
08.07.2025

Bei seinem Besuch in Lettland hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für mehr Zusammenarbeit in der europäischen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schwäche in China bremst Porsche: Absatz geht im ersten Halbjahr zurück
08.07.2025

Porsche muss im ersten Halbjahr 2025 einen spürbaren Rückgang beim Fahrzeugabsatz hinnehmen. Besonders in China läuft das Geschäft...

DWN
Politik
Politik Trump verspricht Raketen für die Ukraine – doch zu welchem Preis?
08.07.2025

Donald Trump kündigt neue Waffenlieferungen an die Ukraine an – obwohl er sich lange zurückhielt. Ein Signal der Stärke oder Teil...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nvidia-Aktie auf Höhenflug: Wie realistisch ist das 250-Dollar-Ziel?
08.07.2025

Die Nvidia-Aktie eilt von Rekord zu Rekord – doch Analysten sehen noch Luft nach oben. Wie realistisch ist das Kursziel von 250 Dollar?...