Politik

Was bringt der neue Verteidigungsminister der Ukraine?

Der neue Verteidigungsminister der Ukraine, Rustem Umerow, hat seit Kriegsbeginn wichtige diplomatische Deals ausgehandelt. Vor allem pflegt er gute Beziehungen zur muslimischen Welt. Was wird sich nun ändern?
Autor
04.09.2023 16:42
Aktualisiert: 04.09.2023 16:42
Lesezeit: 2 min

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow hat beim Parlament sein Rücktrittsgesuch eingereicht. Das gab er am Montag auf der Plattform X bekannt. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Sonntag entschieden, Resnikow durch den Krimtataren Rustem Umerow zu ersetzen, der als Sondergesandter des Präsidenten bei einigen der heikelsten diplomatischen Verhandlungen der Ukraine seit Kriegsbeginn im Februar 2022 eine entscheidende Rolle spielte.

Umerow leitet seit September 2022 den Staatlichen Privatisierungsfonds der Ukraine. Wird der 41-jährige in den kommenden Tagen vom Parlament bestätigt, wäre er der ranghöchste von mehreren krimtatarischen Beamten in den oberen Etagen der ukrainischen Regierung. Dies kann als Zeichen gewertet werden, dass die Krimtataren - eine turksprachige Ethnie - die ukrainische Sache unterstützen und dass Kiew entschlossen ist, die Krim von Russland zurückzuerobern.

Die Tataren beherrschten die Krim, bis die russische Zarin Katharina II. die Halbinsel 1783 annektierte und den mit dem Osmanischen Reich verbundenen Staat der Krimtataren auflöste. Der sowjetische Machthaber Joseph Stalin deportierte 1944 das gesamte Volk der Krimtataren nach Zentralasien und Nordrussland. Die Überlebenden und ihre Nachkommen durften in den späten 1980er Jahren auf die Krim zurückkehren und machen dort derzeit ein Neuntel der Bevölkerung aus.

Der ehemalige Minister Olexij Resnikow, ein ausgebildeter Jurist, war maßgeblich daran beteiligt, bei den westlichen Partnern der Ukraine Lobbyarbeit für mehr und wirksamere Militärlieferungen zu leisten. Er soll mit seinen zahlreichen Reisen in die Hauptstädte des Westens dazu beigetragen haben, dass die Ukraine immer modernere Waffensysteme erhalten hat.

In einer am Sonntagabend veröffentlichten Video-Ansprache nannte Präsident Selenskyj keinen Grund für Resnikows Entlassung. "Ich glaube, dass das Ministerium neue Ansätze und andere Formate der Interaktion sowohl mit dem Militär als auch mit der Gesellschaft als Ganzes braucht", sagte er. Resnikow sei bereits seit mehr als 550 Tagen Krieg im Amt.

Resnikow war im November 2021 zum Verteidigungsminister ernannt worden. Gegen sein Ministerium gab es in den letzten Monaten massive Korruptionsvorwürfe. Resnikow hatte das als Verleumdungen bezeichnet. Ukrainische Medien berichteten, dass Beamte Lebensmittel und später auch Winteruniformen zu überhöhten Preisen kauften. Es wurden keine Beweise dafür vorgelegt, dass Resnikow in korrupte Aktivitäten verwickelt gewesen wäre.

Das ukrainische Militär wurde auch von Korruptionsskandalen in den regionalen Rekrutierungsbüros erschüttert, wo mehrere leitende Angestellte unter dem Vorwurf inhaftiert wurden, sie hätten gegen Bestechung Männer von der Mobilisierung und vom Dienst an der Front ausgenommen. Die Korruptionsvorwürfe drohten zuletzt sogar, den Fluss westlicher Hilfe zu beeinträchtigen.

Der Verteidigungsminister hat in der Ukraine vergleichsweise wenig Macht. Der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, General Walerij Saluschnyj, beaufsichtigt die Kampfhandlungen, während die Gesamtstrategie auf den häufigen Sitzungen der Stawka festgelegt wird, dem hohen Hauptquartier, das von Selenskyj geleitet wird und sowohl die militärische als auch die zivile Führung umfasst.

Umerow war vor dem Krieg als Abgeordneter für die liberale Oppositionspartei "Stimme" (holos) tätig. Im letzten Jahr war er wichtiges Mitglied des ukrainischen Verhandlungsteams mit Russland. Von Selenskyj zum Sondergesandten ernannt hat Umerow enge Beziehungen in die muslimische Welt gepflegt, insbesondere zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und zum saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, mit dem er sich zuletzt vor einer Woche traf.

Die Verhandlungen mit der Türkei trugen maßgeblich dazu bei, dass im vergangenen Jahr das Getreide-Abkommen mit Russland geschlossen wurde. Umerow spielte auch eine wichtige Rolle bei einer Vereinbarung vom September, die unter Vermittlung der Türkei, Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate zu einem Austausch von Hunderten von Gefangenen führte, darunter die ukrainischen Kommandanten, die in Mariupol gefangen genommen worden waren.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Technologie
Technologie BradyPrinter i7500: Revolution im Hochpräzisionsdruck

Sie haben genug vom altmodischen Druck großer Etikettenmengen? Keine Kalibrierung, keine Formatierung, kein umständliches Hantieren mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trump-Zölle könnten Preiskarussell, Zinserhöhungen und Insolvenzen anheizen - die EU bereitet sich vor
02.04.2025

Die Regierungen weltweit bereiten sich auf die massive Einführung von Zöllen durch US-Präsident Donald Trump vor, die, so sein Plan,...

DWN
Finanzen
Finanzen Tesla-Aktie stürzt ab: Miese Tesla-Auslieferungen belasten - was das für Anleger bedeutet
02.04.2025

Die weltweiten Auslieferungen des US-Autobauers Tesla sind im vergangenen Quartal um 13 Prozent auf 336.681 Fahrzeuge zurückgegangen....

DWN
Panorama
Panorama Polizei: Kriminalstatistik 2024 zeigt Ausländeranteil bei Gewaltdelikten in Deutschland steigt deutlich
02.04.2025

Die Kriminalstatistik der Polizei offenbart ein besorgniserregendes Bild: Die Zahl der erfassten Gewalttaten ist 2024 um 1,5 Prozent...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mercedes-Benz erwägt Ausstieg aus dem Billigsegment in den USA aufgrund von Trump-Zöllen
02.04.2025

Die Mercedes-Benz Group prüft derzeit, ob sie ihre günstigsten Fahrzeugmodelle in den USA aus dem Sortiment nimmt. Hintergrund sind die...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Volatile Märkte vor Trumps Zollerklärung
02.04.2025

Die US-Börsen dürften überwiegend mit Verlusten in den Mittwochshandel starten, vorbörslich stecken die Technologieindizes an der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen DWS-Aktie unter Druck: Deutsche-Bank-Tochter muss Millionenstrafe wegen Greenwashing zahlen
02.04.2025

Die DWS, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bank, wurde in Deutschland zu einer Millionenstrafe wegen "Greenwashing"-Vorwürfen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kurzarbeit statt Massenarbeitslosigkeit? Verlängerung des Kurzarbeitergeldes steht in der Kritik
02.04.2025

Die Wirtschaft steckt fest in einer Strukturkrise: seit 5 Jahren kein Wachstum. Die Folge: Immer mehr Unternehmen bauen Stellen ganz ab...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Wirtschaft: Verbände fordern dringenden Kurswechsel der Koalition
02.04.2025

Bitte kein "Weiter-so"! Mit Unmut blicken deutsche Wirtschafts- und Industrieverbände auf das, was die noch namenlose Koalition aus Union...