Politik

„Deutschland-Pakt“: Scholz verschweigt den Hauptgrund der Misere

Lesezeit: 3 min
07.09.2023 14:36  Aktualisiert: 07.09.2023 14:36
Die Bundesregierung fordert eine gemeinsame Kraftanstrengung gegen die Wirtschaftskrise. Doch der Hauptgrund für die Misere bleibt unerwähnt.
„Deutschland-Pakt“: Scholz verschweigt den Hauptgrund der Misere
Bundeskanzler Olaf Scholz: der Deutschland-Pakt trifft nicht alle wichtigen Bereiche. (Foto: dpa)

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Bundeskanzler Olaf Scholz hat Ländern, Kommunen und allen Parteien außer der AfD einen „Deutschland-Pakt“ zur raschen Modernisierung des Landes vorgeschlagen. „Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung. Also lassen Sie uns unsere Kräfte bündeln“, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch in der Generaldebatte des Bundestags.

Der Pakt solle Deutschland schneller, moderner und sicherer machen. „Zu viel ist in den vergangenen Jahren auf die lange Bank geschoben worden“, kritisierte Scholz. „Nur gemeinsam werden wir den Mehltau aus Bürokratismus, Risikoscheu und Verzagtheit abschütteln, der sich über Jahre, Jahrzehnte hinweg über unser Land gelegt hat.“

Dieser Mehltau lähme die Wirtschaft, betonte der Kanzler. „Und er sorgt für Frust bei den Leuten im Land, die einfach wollen, dass Deutschland ordentlich funktioniert. Dass die Bahn pünktlich fährt. Dass unsere Infrastruktur - analog und digital - zur besten in Europa zählt. Dass einem die Ämter unter die Arme greifen und keine Schwierigkeiten machen.“

Es brauche moderne Gesetze, schnelle Verfahren und weniger Bürokratie sowie die Bereitschaft aller, an einem Strang zu ziehen, betonte Scholz. Sein Angebot richte sich an die 16 Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder, an die Landräte und Landrätinnen, Bürgermeister und Bürgermeisterinnen in der ganzen Republik. Scholz warb aber ausdrücklich auch bei Friedrich Merz (CDU), dem Vorsitzenden der größten Oppositionspartei, um Zusammenarbeit.

Kritik von der Opposition

Als erster Redner hatte Merz zum Auftakt der Generaldebatte, die traditionell den Höhepunkt der Haushaltswoche bildet, die Politik der Ampel-Koalition massiv kritisiert. „Nach all dem, was wir bisher dazu gehört und gelesen haben, wird auch der Bundeshaushalt für das Jahr 2024 dieser fundamentalen Herausforderung einer tatsächlichen Zeitenwende nicht gerecht.“

Die Union streite aber nicht nur über Details des Haushaltes, sondern widerspreche ganz grundsätzlich dem Staatsverständnis der Ampel. Merz kritisierte überbordende Bürokratie, das Gebäudeenergiegesetz und verlangte Technologieoffenheit im Gebäude- und Verkehrssektor. Er warf Scholz vor, mit den Plänen für eine Kindergrundsicherung und dem Bürgergeld einen bevormundenden, alles regulierenden und paternalistischen Staat ausbauen zu wollen.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ging auf das Angebot des Kanzlers zur Zusammenarbeit ein und erklärte die Bereitschaft der Union hierfür. Dieses Angebot zeige aber auch deutlich, „dass die Gemeinsamkeiten in Ihrer Koalition ganz offensichtlich beendet sind“, sagte der Chef der CSU-Abgeordneten. „Sie machen uns ein Angebot, weil Sie in ihrer eigenen Ampel für zentrale Fragen keine Mehrheit mehr sehen, Herr Bundeskanzler.“ Als erstes müsse man dann über die Bewältigung einer der aktuell zentralsten Krisen, der Flüchtlingskrise, reden.

AfD-Chef Tino Chrupalla forderte Neuwahlen. „Die Zeit der Ampel ist abgelaufen“, sagte er und kritisierte die Regierung unter anderem wegen der Energiepreise, der Inflation und des Heizungsgesetzes. Er warf ihr eine „fahrlässige und verfehlte Migrationspolitik“ und speziell den Grünen eine wirtschaftsfeindliche Politik vor.

An den Kanzler gerichtet, der weiterhin wegen seines Sportunfalls eine Augenklappe trägt, sagte er: „Öffnen Sie wieder, wenn Sie können, bitte beide Augen und sehen Sie, wie die deutsche Wirtschaft reagiert, wie sie abschmiert, und kümmern Sie sich endlich um das Rückgrat in diesem Land, um die deutsche Wirtschaft.“

Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali monierte, dass Scholz die Probleme im Land kleinrede und „grottenschlechtes Regierungshandeln“ beschönige. Sie kritisierte die Haushaltspläne der Bundesregierung scharf. „Deutschland ist in einer großen Wirtschaftskrise“, sagte Mohamed Ali. „Wir dürfen jetzt nicht sparen, wir brauchen große Investitionspakete.“ Viele Menschen seien zu Recht wütend, dass im Etat Milliarden Euro für Rüstung rausgehauen werden sollten und überall sonst geknausert und gespart werde. Die geplante Kindergrundsicherung sei unzureichend und ein „Etikettenschwindel“.

Hauptgrund für Wirtschaftskrise sind die Energiepreise

Soweit die Agenturen berichten, ging Scholz auf den Hauptgrund der gegenwärtigen Wirtschaftskrise nicht ein – nämlich den Umstand, dass die Energiepreise hierzulande im Zuge von Energiewende und Atom-Ausstieg so stark gestiegen sind, dass die deutsche Wirtschaft im internationalen Vergleich nicht mehr wettbewerbsfähig ist.

Im Hellmeyer Report wird dazu kommentiert:

„Das Datenkonvolut, das den dynamischen Verfall der deutschen Konkurrenzfähigkeit belegt, zwingt die Politik zu handeln. Ja, Strukturpolitik ist das A und O! Leider adressiert Scholz nicht alle Felder, zumal nicht den virulentesten Katalysator der aktuellen Krise. Wir hören die Worte, wir messen an Taten!

Dabei geht es um die Themen der Energieversorgungssicherheit und konkurrenzfähigen Energiepreislichkeit (auch laut DIHK und BDI), beides ist hier nachhaltig nicht gewährleistet. Wir leben in einem energetischen Zeitalter. Japan setzt das Beispiel mit dem höchsten Wachstum der westlichen Welt dank Atomstrom und Russland-Importen fossiler Brennstoffträger via Sachalin, weil es sich nur auf dem Papier an den Sanktionen beteiligt.

Wird die nachhaltige Versorgungssicherheit und eine konkurrenzfähige Preisgestaltung nicht dauerhaft umgesetzt (ergo Industriestrompreis für alle ohne Zeitlimit, Stromsteuer ade, Atomstrom an und Ausbau der Netze), bis alternative Energien ein konkurrenzfähiges Preisniveau offerieren, werden die jetzt angestrebten Maßnahmen, die alle in die richtige Richtung weisen (Infrastruktur, IT, Bürokratie) nicht im erforderlichen Maße die Erwartungen erfüllen.

Das Risiko, das Deutschland sein Geschäftsmodell verliert, ohne ein neues Modell zu haben, ist real. Es war seit 1949 niemals größer als heute!


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