Wirtschaft

Russland lässt erstmals unverstärkte Öltanker durch Arktis fahren

Der Einsatz unverstärkter Öltanker auf dem Nördlichen Seeweg durch die Arktis ruft Umweltschützer auf den Plan. Doch Russland bezeichnet die Fahrten als sicher.
Autor
16.09.2023 17:26
Aktualisiert: 16.09.2023 17:26
Lesezeit: 2 min
Russland lässt erstmals unverstärkte Öltanker durch Arktis fahren
Umweltschützer warnen, weil Russland unverstärkte Öltanker durch die Arktis fahren lässt. (Foto: dpa) Foto: epa Fesco Far Eastern Ship

Russland hat zum ersten Mal die Fahrt von nicht verstärkten Öltankern durch den Nördlichen Seeweg genehmigt, um die von Sanktionen betroffenen Energieexporte kostengünstiger nach Asien verschiffen. Kritiker warnen jedoch, dass Moskau damit eine Ölkatastrophe in der Arktis riskiert.

Zwei Tanker haben im August die Erlaubnis erhalten, die Fahrt entlang der russischen Nordküste anzutreten, obwohl es sich nicht um Tanker der sogenannten Eisklasse handelt. Die Schiffe mit einem relativ dünnen Rumpf fuhren Anfang September nach China und durchquerten zum ersten Mal eine der gefährlichsten Eispassagen der Welt.

"Das Meereis ist unberechenbar und die Routen sind sehr schwer einzuhalten", sagte Charlie Kronick von Greenpeace UK gegenüber der Financial Times. "Der Einsatz von Tankern, die nicht der Eisklasse angehören, macht die ohnehin schon hohe Wahrscheinlichkeit eines Unfalls noch größer."

Moskau interessiert sich seit vielen Jahren für den Nördlichen Seeweg, weil er viel kürzer und schneller ist als der normale Seeweg nach China durch den Suezkanal. Die Erwärmung des Klimas hat die Route in den Sommermonaten geöffnet, obwohl sie vollständig durch arktische Gewässer verläuft.

Eine typische Reise vom nordrussischen Hafen Primorsk nach China über den Suezkanal dauert 45 Tage. Die Nutzung der nördlichen Seeroute verkürzt diese Zeit auf 35 Tage. Russland könnte allein beim Treibstoff schätzungsweise eine halbe Million Dollar pro Fahrt einsparen, so Viktor Katona, leitender Rohölanalyst bei Kpler.

Russland hat die nördliche Seeroute bereits häufiger genutzt, um die Zeit für die Fahrt zu den asiatischen Märkten zu verkürzen. Allerdings kamen dabei Schiffe der sogenannten Eisklasse zum Einsatz.

Im Jahr 2022 beförderte nur ein Tanker, die stark verstärkte Vasily Dinkov, russisches Rohöl über den Nördlichen Seeweg nach China. Im Jahr 2023 fuhren zehn Tanker der Eisklasse nach China, wie aus den Schiffsverfolgungsdaten von Kpler hervorgeht. Auch verstärkte LNG-Tanker nutzen die Route.

Der Einsatz von unverstärkten Schiffen auf der Route ist potenziell seit 2020 möglich. Rosatom, die russische Behörde zur Regulierung des Nördlichen Seewegs, hat solchen Schiffen erlaubt, die Route von Juli bis Mitte November allein oder bei leichterem Eisgang mit einer Eisbrecher-Eskorte zu befahren.

Rosatom erklärte gegenüber der Financial Times, dass die verbesserten Navigationsbedingungen in den Sommer- und Herbstmonaten einen sicheren Betrieb auch von Schiffen, die nicht zur Eisklasse gehören, ermöglichen und fügte hinzu, dass alle Schiffe strengen Inspektionen unterzogen werden. Umweltaspekte hätten für Rosatom stets oberste Priorität.

Schifffahrtsexperten erklärten, dass unverstärkte Tankschiffe theoretisch im September und Oktober, wenn das Packeis nach den warmen Sommermonaten am dünnsten ist, die Nordostpassage befahren könnten. Es bestünden jedoch nach wie vor große Risiken, da Eisschollen Schiffe einklemmen und nicht verstärkte Schiffsrümpfe möglicherweise zerquetschen können.

Die Bewegung des Eises, das sowohl von den Meeresströmungen als auch vom Wind angetrieben wird, ist höchst unvorhersehbar. Wenn weniger Eis vorhanden ist, können auch die Wellen höher sein, was weitere Risiken mit sich bringt.

Alle seit 1995 gebauten Öltankschiffe haben Doppelhüllen, um das Risiko eines Lecks zu verringern. Dennoch sind Leckagen möglich, wenn die Hüllen zerdrückt oder gebrochen werden. Ende Juli dieses Jahres sahen sich mehrere Schiffe der Eisklasse mit Meereis konfrontiert, das schwieriger war, als es ihre Eisklassifizierung zuließ, und mussten in der ostsibirischen See auf Eisbrecherbegleitung warten.

Einer der beiden unverstärkten Öltanker, die NS Bravo, ist seit dem 3. September mit einer Ladung von etwa 1 Million Barrel Öl auf dem Weg zum Hafen von Rizhao in Ostchina. Die Leonid Loza, die dieselbe Menge Öl nach Ostchina transportiert, verließ den Hafen von Murmansk am 9. September, wie die Satellitenschifffahrtsdaten zeigen.

Die Leonid Loza und die NS Bravo sind zwölf beziehungsweise dreizehn Jahre alt. Aus Inspektionsberichten geht hervor, dass russische Beamte in Port Taman im Dezember 2020 Bedenken über die NS Bravo äußerten und unter anderem auf Korrosion an Deck hinwiesen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Halbleiter-Aktien: Wie die ASML-Aktie zur europäischen Macht im Chipsektor wird
08.12.2025

Die US-Großbank Bank of America setzt in Europa auf einen Chipkonzern, der in einem neuen Wachstumszyklus steckt und die Branche unter...

DWN
Politik
Politik EU-Staaten beschließen schärfere Migrationspolitik
08.12.2025

Die EU zieht die Zügel in der Migrationspolitik an: Abschiebungen sollen leichter, Verteilung verpflichtender werden. Doch neue Regeln zu...

DWN
Politik
Politik Russland tobt nach Interview mit ehemaligen NATO-General Rob Bauer
08.12.2025

Ein explosiver Schlagabtausch zwischen Russland und einem früheren NATO-Spitzenoffizier schürt neue Ängste vor einer Eskalation. Moskau...

DWN
Politik
Politik EU-Kommission: Vorschläge zum Verbrenner-Aus nächste Woche
08.12.2025

Die EU-Kommission legt am 16.12. neue Vorschläge zum Verbrenner-Aus vor. Nach wachsender Kritik aus Industrie, Politik und Bevölkerung...

DWN
Finanzen
Finanzen Confluent-Aktie auf Höhenflug: IBM will Dateninfrastruktur-Spezialisten Confluent kaufen
08.12.2025

Ein Mega-Deal rückt die Confluent-Aktie schlagartig ins Rampenlicht: IBM bietet Milliarden für den Datenstreaming-Spezialisten Confluent....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft VDA rechnet 2026 mit rund 693.000 neuen E-Autos
08.12.2025

Deutschlands Autokäufer stehen vor einem elektrischen Wendepunkt: Verbände prognostizieren deutliche Zuwächse bei Elektroautos und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Machtwechsel im Arbeitsmarkt 2025: Arbeitgeber geben wieder den Ton an
08.12.2025

Der Wind am Arbeitsmarkt 2025 dreht sich offenbar: Nach Jahren der Bewerbermacht gewinnen Unternehmen wieder Spielraum. Jan-Niklas Hustedt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Insolvenzzahlen 2025: Warum Firmenpleiten weiter steigen
08.12.2025

Deutschlands Insolvenzzahlen klettern auf den höchsten Stand seit Jahren. Besonders Mittelstand, Handel und Autozulieferer geraten unter...