Politik

Geopolitik: Der Wettlauf unverlässlicher Schmarotzer um US-Militärschutz

Lesezeit: 10 min
07.10.2023 10:00  Aktualisiert: 07.10.2023 10:00
Die Suche vieler Länder nach Schutz bei den USA steigert zunehmend die geopolitischen Herausforderungen. Währenddessen herrscht in den USA und Europa Uneinigkeit und Unsicherheit, auch im Hinblick auf die Unterstützung der Ukraine. Die Aufrechterhaltung internationaler Allianzen und Partnerschaften in einer sich wandelnden geopolitischen Landschaft wird immer komplexer.
Geopolitik: Der Wettlauf unverlässlicher Schmarotzer um US-Militärschutz
US-Präsident Joe Biden. (Foto: dpa)

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Die von Präsident Wladimir Putin ohne besonderen Anlass befohlene Invasion der Ukraine durch die russische Armee und die unbekümmerte Selbstverständlichkeit, mit der Chinas Präsident XI eine Invasion der demokratischen Republik China auf Taiwan vorbereitet, sorgen weltweit für Angst. Auch die Aktionen des iranischen Präsidenten Chamenei, der versucht, alle Nachbarländer bis zum Mittelmeer unter persische Kontrolle zu bringen, zeigen, dass der Weltfrieden in Gefahr ist. Statt diesen drei Brandstiftern selbstbewusst entgegenzutreten, sucht eine Regierung nach der anderen Schutz bei den USA. Amerika soll um die Länder, die sich bedroht fühlen, Festungsmauern errichten, wobei als moderne Form von Festungsmauern Beistandsgarantien gesehen werden, wie sie im NATO-Vertrag enthalten sind.

Europa schont seine Kräfte, hat keine Armee und spart sehr viel Geld

Dass die Europäer nicht bereit sind, sich um ihre Verteidigung zu kümmern, ist schon ein Gemeinplatz. Ein Land nach dem anderen ist unter die schützende Decke der NATO gekrochen und rechnet damit, dass im Ernstfall die USA helfen würden. Die Ukraine hat es zwar trotz eifrigen Bemühens nicht in die warme NATO-Stube geschafft, wird aber derzeit nicht viel anders unterstützt als ein Mitglied der Allianz. Vor kurzem traten auch Schweden und Finnland der NATO bei und sparen sich nun den Aufbau einer eigenen Landesverteidigung. Dabei könnten es sich die beiden Staaten wie viele andere NATO-Mitglieder leisten, doch ist es eindeutig bequemer und billiger, wenn die USA die Armee vorhalten und die Kosten tragen.

Saudi-Arabien will einen US-Schutz nach dem Muster eines NATO-Mitglieds

Die erfolgreiche Schmarotzerei der Europäer weckt naturgemäß Begehrlichkeiten. Vor wenigen Tagen hat der regierende saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, kurz MBS genannt, dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden erklärt, er verlange einen Schutz wie in der NATO.- Ein Angriff auf Saudi-Arabien sollte von den USA gewertet werden wie ein Angriff auf die USA. Der derzeitige, ohnehin beträchtliche Schutz als „non-NATO-ally“ genügt ihm nicht mehr. Sollte seine Forderung nicht erfüllt werden, schließt Saudi-Arabien einen Pakt mit China ab. Außerdem werde der anstehende Friedensvertrag zwischen Saudi-Arabien und Israel nicht zustande kommen, womit Bidens Nahost-Plan geplatzt wäre.

Mohammed bin Salman hat bei den religiösen Gremien in seinem Land angefragt, ob ein Frieden mit Israel aus der Sicht des Koran akzeptabel wäre. Da wird heikles Terrain betreten. Als der Prophet Mohammed den Islam schuf, war er von der jüdischen Religion stark beeindruckt. Mit dem Start des Islam forderte er die Juden auf, ihren Glauben aufzugeben und ihm zu folgen. Die Juden lehnten ab, Mohammed war enttäuscht und beleidigt und wurde zu einem Feind der Juden. Diese Einstellung berücksichtigt ein heute tätiger Imam. Dass bereits eine Reihe arabisch-islamischer Länder mit dem jüdischen Staat Frieden geschlossen haben, spielt da keine Rolle. Auch der Umstand, dass zwischen Saudi-Arabien und Israel schon länger wirtschaftliche Beziehungen bestehen, ist irrelevant.

  • Es ist einer der skurrilsten Treppenwitze der Geschichte, dass auf ähnliche Weise Martin Luther zum vehementen Antisemiten wurde. Als Übersetzer der hebräischen Bibel und scharfer Kritiker der judenfeindlichen, katholischen Kirche erklärte er, dass der Protestantismus die ideale, religiöse Heimat der Juden sei. Doch auch diese Einladung wurde abgelehnt, Luther war gekränkt und beleidigt und wurde zu einem Feind der Juden. .

Doch zurück zum saudischen Kronprinzen. Selbstverständlich nimmt Saudi-Arabien am Projekt Global Gatewav teil, das unter anderem eine Eisenbahn- und Pipeline-Verbindung zwischen Saudi-Arabien und Israel vorsieht. Von Israel aus wird künftig Gas und Wasserstoff aus Arabien nach Europa über weitere Pipelines durch Griechenland und Italien geliefert.

Die Drohung mit einem Wechsel zu China ist ziemlich absurd. Die einzige, derzeit erkennbare Gefahr eines Angriffs auf Saudi-Arabien kommt aus dem mit China eng verbündeten Iran. Chinas Präsident Xi hat heuer im Frühjahr eine Versöhnungsveranstaltung der beiden Staaten inszeniert, müsste sich aber im Falle eines Krieges zwischen dem Iran und Saudi-Arabien seine Verpflichtungen gegenüber dem Iran einhalten. Für diesen Fall wäre aus saudischer Sicht die Forderung von MBS, ein Angriff sollte gleichbedeutend mit einem Angriff gegen die USA sein, plausibel. Dann stünden einander die USA und China in der arabischen Wüste gegenüber.

Die Idee von MBS findet in der Region so großen Applaus, dass die Vereinigten Arabischen Emirate sich angeschlossen haben und ebenfalls einen NATO-ähnlichen Schutzvertrag von den USA wollen. Zwischen den VAE und den USA bestehen seit der Beendigung der britischen Kolonialherrschaft im Jahr 1972 enge militärische und wirtschaftliche Beziehungen. Amerika betreibt mehrere Militärstützpunkte in den Emiraten.

Der märchenhafte Reichtum der Region sollte doch die Staaten in die Lage versetzen, die Landesverteidigung aus eigener Kraft aufzubauen. Hier herrscht offenbar wie in Europa die Einstellung, es wäre doch viel angenehmer, die USA würden diese Aufgabe übernehmen.

Die Frivolität und Unverschämtheit sind nicht zu übersehen. Die USA und Saudi-Arabien sind seit Jahrzehnten Verbündete. Der sagenhafte Reichtum des Landes resultiert aus den Zahlungen der westlichen Industrieländer. Bei jedem Liter Treibstoff, der in ein Auto fließt, gibt ein Amerikaner oder Europäer einen Teil seines erarbeiteten Verdiensts an Arabien ab. Und dieselben Personen sollen nun über ihre Steuergelder auch die Verteidigung der Länder finanzieren, die ohnehin einen nicht unbeträchtlichen Teil der Wirtschaftsleistung der Industrieländer absaugen. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, da allen Ankündigungen zum Trotz Öl und Gas wichtige Energieträger bleiben, außerdem steigen die Länder groß in die Produktion von Wasserstoff – dem Öl des 21. Jahrhunderts – ein.

In den Philippinen werden Gedanken ähnlich wie in Saudi-Arabien gewälzt

Schauplatzwechsel: China ist bestrebt, nicht nur Nationalchina zu erobern, sondern auch seinen Einfluss im gesamten pazifischen Raum auszubauen. Somit fühlen sich Südkorea, Japan, die Philippinen, Indonesien, Australien und Thailand bedroht, die alle traditionell mit den USA kooperieren. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin ist seit Monaten in kurzen Abständen in der Region unterwegs, um die bestehenden Beziehungen zu vertiefen.

Besonders von China bedroht werden die Philippinen. Chinesische Kriegsschiffe dringen in kurzen Abständen in die philippinischen Gewässer ein, rammen Fischerboote und lösen tödliche Unfälle aus. So ist es nicht verwunderlich, dass die Philippinen wie Saudi-Arabien und die Westeuropäer einen Ausbau der militärischen Vereinbarungen mit den USA anstreben. Gerade derzeit findet ein großes, gemeinsames Manöver statt. Es ist zu erwarten, dass aus der gesamten Region ähnliche Wünsche kommen werden.

Die USA sollen also nicht nur die Verteidigung des eigenen Landes besorgen, sondern diese Aufgabe auch für Europa, Arabien und den Pazifik übernehmen. Offenbar herrscht weltweit die Illusion, dass die Vereinigten Staaten über einen unbegrenzten Reichtum und unendliche militärische Ressourcen verfügen. Man muss den rund um den Globus agierenden Schmarotzern zurufen, dass auch der reichste Onkel Grenzen hat.

  • Vor allem die USA mussten gerade in den vergangenen Wochen realisieren, dass der Schuldenstand des Staates bei astronomischen 33.000 Milliarden Dollar liegt. Zur Beurteilung von Staatsschulden wird als Orientierungsgröße die Wirtschaftsleistung eines Jahres herangezogen, diese liegt in den USA derzeit bei ohnehin sensationellen 27.000 Milliarden, doch die 33.000 Milliarden Schulden zeigen, dass sich die USA finanziell in einer kritischen Zone befinden.
  • Auch die personelle Basis des Militärs ist nicht gesichert. Bei den Stellungsterminen können nicht alle Posten besetzt werden, weil viele Personen in den entscheidenden Alterskategorien aus gesundheitlichen Gründen nicht diensttauglich sind, wobei die Adipositas das größte Problem bildet.

Nach US-Dollars und den GIs zu schreien, ist also nicht die klügste Politik. Die Länder, die sich bedroht fühlen, müssten selbst ihre verteidigungspolitischen Hausaufgaben machen.

Die maßlosen Forderungen treiben die USA zurück in die Isolation der Monroe-Doktrin

Auch sollte sich herumsprechen, dass die US-amerikanische Bevölkerung keineswegs begeistert ist, wenn junge Amerikaner und Amerikanerinnen irgendwo auf der Welt für ein im breiten Publikum kaum verstandenes Ziel sterben. Die Neigung zum Non-Interventionismus ist groß und so ist keineswegs gesagt, dass das US-Parlament die aus aller Welt kommenden Wünsche nach militärischem Totalschutz erfüllen wird. Zumal sich immer wieder zeigt, dass der amerikanische Einsatz nicht entsprechend gewürdigt wird.

Da ist ein Blick auf die aktuelle Lage an der EU-Ostgrenze geboten. Auf Drängen der ehemaligen Mitglieder des sowjetrussischen Warschauer Pakts wurde die Länder-Strecke von den baltischen Staaten über Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn und weiter bis einschließlich Rumänien und Bulgarien in die NATO aufgenommen. In dieser Region ist die Angst vor einer russischen Invasion omnipräsent und der Überfall auf die Ukraine wird als Bestätigung dieser Befürchtung gesehen. Das Vordringen der NATO nach Osten wie auch die Errichtung zahlreicher Raketenbasen an der EU-Ostgrenze war ein Anliegen dieser Staaten. Und in diesem Sinne wird jetzt auch die Ukraine umfassend unterstützt, obwohl das Land nicht Mitglied der NATO ist.

Man sollte nun annehmen, dass in der Region der Einsatz der von den USA dominierten NATO gefeiert wird. Die Realität sieht anders aus. Polen hat monatelang die Ukraine eifrig unterstützt und von der NATO ständig zusätzliche Hilfen eingefordert, jetzt hat Polen jede Hilfe für die Ukraine gestoppt. Ungarn hat seit Beginn des Krieges Russlands Partei ergriffen und die ukrainische Führung scharf kritisiert. Tschechien hat viele Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen und diese im Land großzügig unterstützt, jetzt wurde das Budget für die Flüchtlinge drastisch gekürzt. In der Slowakei haben bei Wahlen am vergangenen Wochenende die Sozialisten gewonnen, die den Westen kritisieren und den russischen Angriff verteidigen. Eine vor kurzem abgehaltene Umfrage zeigt, dass mehr als 50 Prozent der Slowaken die Ansicht vertreten, dass der Westen und die Ukraine Russland provoziert hätten und daher der russische Einmarsch in der Ukraine begründet war. Man fragt sich, warum diese Länder nicht einen eigenen Staatenbund gründen, zumal gerade Polen und Ungarn mit Einschränkungen der Justiz EU-Grundsätze verletzen. Die oft als unverlässliche Partner kritisierten Länder Rumänien und Bulgarien bekennen sich hingegen weiterhin zur Ukraine-Hilfe. Auch Slowenien liefert nach wie vor Panzer an die Ukraine.

Angesichts dieser Erfahrungen mit vermeintlichen Partnern, für die ein enormer Aufwand getrieben wurde und weiterhin wird, muss der US-Verteidigungsminister mögliche Szenarien auch im Pazifik überlegen. Zu befürchten ist, dass Festland-China Taiwan angreift. Naheliegend wäre, dass dann die anderen Staaten dem Land helfen. Das wird wohl für die USA zutreffen. Doch werden auch alle anderen bei der Stange bleiben? Oder wird es auch welche geben, die sich auf die Seite Chinas schlagen? Es ist doch eine sehr heterogene Gruppe, die da im Entstehen ist. Es sind sehr große Staaten, die auf viele Inseln verteilt sind und vielfach mit inneren Unruhen zu kämpfen haben. Die Philippinen, die heute nach mehr Militärhilfe aus den USA rufen, haben vor kurzem eine Vereinbarung mit Peking über die Ausbeutung der Ölquellen im südchinesischen Meer geschlossen. Im vergangenen Jahr hat Indonesien mit China eine Vereinbarung unterzeichnet, wonach sie eine „Gemeinschaft mit geteilter Zukunft“ bilden. Das Verhältnis zwischen China und Australien ist auf der politischen Ebene durch die Versuche Chinas, Australien zu dominieren, angespannt. Australien betont daher die Partnerschaft mit Großbritannien und den USA, muss aber auch auf den Umstand Rücksicht nehmen, dass China der größte Handelspartner ist. Australien ist ein Kontinent und geht gerne eigene Wege, auf Distanz zu den großem Mächten.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin kann also nicht sicher sein, dass die Bekenntnisse zu einer Allianz gegen China, die er bisher einsammeln konnte, im Ernstfall tatsächlich halten werden. Auch bei Japan ist Vorsicht geboten. Die japanische Armee hat in den dreißiger und vierziger Jahren Massenmorde an Zivilisten in China verübt, die den Aufbau entspannter Beziehungen zwischen den beiden Ländern unmöglich machen. Dennoch werden immer wieder Versuche einer Normalisierung unternommen, die naturgemäß bei einem neuerlichen Krieg zwischen China und Japan keine Erfolgschancen hätten.

Die Hoffnung, dass die USA Wunder wirken könnten, ist eine Illusion

Es ist schwer verständlich, wieso sich hartnäckig die Illusion hält, dass die USA im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung Wunder wirken können. Dies geht wohl auf den Ersten und den Zweiten Weltkrieg zurück, in beiden Fällen hat tatsächlich die Intervention der USA das Ende des Kriegs herbeigeführt. Die Liste der Pleiten ist hingegen lang. Der Vietnam-Krieg wurde verloren und Ho Chi Minhs Kommunisten übernahmen die Macht im gesamten Land, auch in dem von den USA unterstützten Süd-Vietnam. Nach den Kriegen gegen den Irak wurde das Land nicht zu einer blühenden Demokratie, sondern versank im Chaos. Der Einsatz in Afghanistan endete mit einer Machtübernahme durch die terroristischen Taliban. 1999 versuchten die USA den Krieg zwischen Serbien und dem Kosovo durch Luftangriffe zu beenden, doch gerade jetzt, im Herbst 2023 besteht die Gefahr, dass Serbien in Kürze versuchen wird, den Kosovo zu erobern. Auch die Entmachtung des libyschen Langzeitdiktators Gaddafi mit Hilfe der US-Armee und die anschließende Tötung durch die neuen Machthaber im Jahr 2011 hat das Land nicht saniert, sondern in einen Bürgerkrieg gestürzt.

Auf einen simplen Nenner gebracht. Die USA und ihre Verbündeten wären gut beraten, sich an die alte Monroe-Doktrin zu halten. Bereits 1823 hat der damalige US-Präsident James Monroe erklärt. die USA werden sich nicht in die Angelegenheiten anderer Länder einmischen und bestehen darauf, dass sich andere Länder auch nicht einfallen lassen, in den USA zu intervenieren. Dieser Grundsatz war lange für die USA bindend und erklärt auch, warum Franklin D. Roosevelt lange nicht seine Absicht durchsetzen konnte, im Zweiten Weltkrieg den britischen Premier Winston Churchill mit Waffen und Soldaten in seinem Kampf gegen Hitler-Deutschland zu unterstützen. Erst als Deutschlands Verbündeter Japan 1941 die US-Pazifik-Flotte in Pearl Harbor auf Hawaii zerstörte und somit die USA selbst angegriffen waren, traten die USA in den Zweiten Weltkrieg ein. Dass generell die USA als Weltpolizist gesehen werden, ist eine Folge der Doktrin von Präsident Harry S. Truman, der 1947 erklärte, die USA werden Länder bei der Verteidigung ihrer Freiheit unterstützen, sollten sie von der Sowjetunion bedroht werden.

Es fehlt nicht mehr viel und die US-amerikanische Bevölkerung befindet, dass die USA nicht mehr als Weltpolizist agieren soll und die Politik sich nur mehr auf die unmittelbaren Interessen der USA konzentrieren wird. Dann bleibt den Europäern nichts Anderes übrig, als sich um eine eigene Verteidigung zu kümmern, wie dies der französische Staatspräsident General de Gaulle bereits 1962 für Frankreich festgelegt hat. Der saudische Kronprinz wird zur Kenntnis nehmen müssen, dass das Land nur bei einem extrem hohen Ölpreis aktionsfähig ist und in Phasen niedriger Preise rasch in Geldnot gerät. Es werden folglich alle Länder ihre Finanzen und ihre Armeen selbst in Ordnung halten müssen.

Die russische und die chinesische Propaganda kritisieren ständig die Beherrschung der Welt durch die USA. Hier findet eine Projektion der Charaktere von Wladimir Putin und Xi Jinping statt. Die beiden Diktatoren, die in ihren Ländern autoritär herrschen, möchten gerne in gleicher Weise die ganze Welt regieren und würden dies als Präsident der USA auch versuchen. Die Angst vor Russland, China und dem Iran treibt immer mehr Länder zu den USA, sodass die Aufteilung der Welt in zwei Blöcke endgültig Realität und die Gefahr einer gigantischen Konfrontation zwischen West und Ost immer größer wird. Es bedarf keiner besonderen Phantasie und Vorstellungskraft, um zu erkennen, dass nach einem Krieg zwischen Ost und West der Globus ein unbewohnbarer Trümmerhaufen sein wird.

Der Weg in diese Apokalypse ist mit vielen Verträgen gepflastert, in denen Allianzen geschmiedet und Beistandspflichten fixiert werden. Es bestehen bereits viele Abmachungen mit einer unendlichen Anzahl von Vereinbarungen, sodass niemand weiß, wer welche Verpflichtungen eingegangen ist. Bei Ausbruch eines Krieges werden sich viele Regierungen wundern, in welchem Ausmaß ihre Länder andere mit Soldaten, Geld und Waffen unterstützen müssen. Wie in einer Kettenreaktion wird dann ein Land nach dem anderen in den Sog des globalen Kriegs gezogen.

Im Moment erscheint eine globale Katastrophe unvermeidbar. Dabei hätte sich eine Alternative schon angeboten. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts kam das Wort von der Festung Europa auf. Ein geeintes, auf solider Basis stehendes, demokratisches, freies, marktwirtschaftliches Europa wäre ein Hort der Stabilität und würde als beruhigendes Element ausgleichend das globale Chaos im Zaum halten. Leider ist statt der Festung Europa ein invalides Europa entstanden, das nicht zur Stabilität in der Welt, sondern zum Chaos beiträgt.

                                                                            ***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.


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