Unternehmen

Ökonomen gegen Habeck-Plan

Die übergroße Mehrheit der deutschen Ökonomen lehnt die Einführung eines Industriestrompreises ab. Das ergab eine aktuelle Umfrage. Dieser Preis wird von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Teilen der SPD gefordert, Bundeskanzler Olaf Scholz wie auch der Koalitionspartner FDP lehnen das Ansinnen ab, auch Vertreter des Mittelstandes haben gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) ihre Bedenken deutlich gemacht.
Autor
08.10.2023 12:55
Lesezeit: 3 min

Das Münchner ifo-Institut hatte im September 205 Professoren der Volkswirtschaftslehre befragt. Ergebnis: Eine deutliche Mehrheit der Professoren, nämlich 83 Prozent der Befragten, lehnt die Subventionierung des Strompreises ab. Die Professoren befürchten, dass ein solches Instrument die Anreize für Unternehmen mit Blick auf Investitionen und Energieeinsparungen verzerre. Zudem halten sie eine solche Subvention für „ungerecht“ und schädlich für den Klimaschutz. Zudem befürchten die Ökonomen, dass eine befristete Subvention, wie der von Habeck geforderte Industriestrompreis, schnell zu einer dauerhaften Subvention für Großunternehmen mutiere. Dies allerdings wäre sehr teuer und würde, so die Befürchtung, auch den strukturellen Wandel behindern, da eine Subvention in der Regel dazu führt, den durch einen Preis ausgedrückten Anpassungsdruck künstlich zu vermindern. Nur 13 Prozent der befragten Ökonomen unterstützen den Vorschlag zur Einführung eines Industriestrompreises.

Kritik der Ökonomen

Stattdessen fordert die Mehrheit der Ökonomen eine Verbreiterung des Energieangebots insgesamt und einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien. Dabei fordern die Wirtschaftswissenschaftler die Bundesregierung auf, auch die Nutzung der Atomkraft als Teil der Lösung zu sehen, denn eine Mehrheit der Befragten – 58 Prozent – lehnt den endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie ab. Die Ökonomen argumentieren, dass mit der Entscheidung über den Ausstieg aus der Atomenergie eine klimafreundliche und kostengünstige Energiequelle abgeschaltet wurde. Die in der Folge gesunkene Kapazität zur Stromerzeugung in Deutschland führte zu einem Anstieg des Strompreises, der wiederum die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft beeinträchtige. Die Ökonominnen und Ökonomen weisen zudem darauf hin, dass es sich um einen deutschen Sonderweg handele und nun, als Konsequenz dieser Entscheidung, Atomstrom aus Ländern mit deutlich unsichereren Reaktoren importiert werde.

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte zuvor in einem sechsseitigen Arbeitspapier für einen sogenannten „Brückenpreis“ geworben. Das Ministerium zeigte sich zuversichtlich, dass es ab dem Jahr 2030 gelingen werde, in Deutschland kostengünstigen Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren, doch bis dahin müsse der energieintensiven Industrie , so das Papier, mit einem „Brückenpreis“ geholfen werden, damit sie gegenüber der ausländischen Konkurrenz wettbewerbsfähig bleibe. Um diese Zwischenphase zu überstehen, sei die Einführung eines gedeckelten Preises von sechs Cent pro Kilowattstunde „für einen klar definierten Empfängerkreis“ nötig, so das Papier aus dem Hause Habeck. Dieser Preis müsse aus „öffentlichen Mitteln“ finanziert werden. Laut EU-Statistik lag der Preis in Deutschland bei etwa 19 Cent, in den USA beispielsweise hingegen nur bei etwa fünf Cent pro Kilowattstunde.

Bedenken des Mittelstands

Die Pläne Habecks waren von Anfang an sowohl in der Wissenschaft als auch bei Vertretern des Mittelstands hochumstritten. Der damalige Vorsitzende des Bundesverbands Mittelständische Wirtschaft, Markus Jerger, hatte gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) erklärt, dass der gesamte Mittelstand durch seine Zulieferbeziehungen im Wettbewerb stehe, der Mittelstand aber nicht in den Genuss der Subvention komme. Die Unternehmerin Marine-Christine Ostermann – sie ist auch Vorsitzende des Verbands der Familienunternehmer – hatte darauf hingewiesen, dass es die Grünen waren, die durch eine Verkappung des Stromangebots den Anstieg des Strompreises in Deutschland befördert hätten. Die Vorschläge würden aber, so Ostermann, am Ende bedeuten, dass „Mittelstand und Arbeitnehmer einige wenige große Stromverbraucher subventionieren“.

Diese Sichtweise wird zu einem erheblichen Teil von der Wissenschaft geteilt. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratscher hatte gesagt, dass er in den Vorschlägen Habecks „nur Nachteile erkennen“ erkennen könne. Denn in einem solchen Fall, müsste der Mittelstand, der nicht in den Genuss der Investition kommen würde, die Mittel für die Subvention aber erwirtschaften. Mit anderen Worten: Der Mittelstand wäre dann gezwungen, seinen Wettbewerbsnachteil auch noch finanzieren zu müssen.

Schlechte Noten

Mit der insgesamt kritischen Haltung ist der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung unter den Ökonomen in Deutschland keineswegs allein. In dem „Ökonomen-Panel“ des ifo-Instituts wurden die 205 Professorinnen und Professoren der Volkswirtschaft auch nach ihrer Zufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung befragt. Nur 15 Prozent der Befragten gaben an, dass sie mit der Arbeit der Regierung zufrieden seien. 24 Prozent sagten, dass sie die Arbeit der Bundesregierung als „Befriedigend“ bewerten, 14 Prozent gaben ihr die Note „Ausreichend“. Diese Gruppe gab an, dass sie die Reaktionen der Bundesregierung auf die Energiepreiskrise allgemein positiv sehe; jedoch würden sie die übrigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung als „inkonsistent und wenig fokussiert“ sehen. 29 Prozent der Ökonomen gaben der Regierung die Note „Mangelhaft“, 14 Prozent sogar ein „Ungenügend“. Diese Gruppe bemängelt das Fehlen eines wirtschaftspolitischen Gesamtkonzeptes, was zu Unsicherheiten auf den Märkten führe. Zudem kritisieren sie eine Tendenz zu Überregulierung und zu Markteingriffen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Euro-Kurs wird zur Gefahr: Europas Exporte brechen ein
06.07.2025

Ein starker Euro, schwaches Wachstum, neue US-Zölle – Europas Wirtschaft gerät unter Druck. Die EZB warnt, doch die Lage droht zu...

DWN
Politik
Politik Neuregelung der Vaterschaft: Mehr Rechte für leibliche Väter
06.07.2025

Die Bundesregierung plant eine Reform, die leiblichen Vätern zu mehr rechtlicher Anerkennung verhelfen soll. Der Entwurf aus dem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungstausch: Wie Sie Ihre Ferienwohnung herzaubern und worauf Sie achten müssen
06.07.2025

Der Wohnungstausch boomt – günstig, persönlich und spannend. Doch wie funktioniert das Ganze wirklich, und worauf muss man achten,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Jungmakler mit TikTok: Wie eine Generation den Versicherungsmarkt neu denkt
06.07.2025

TikTok-Reichweite, neue Rollenbilder, klare Erwartungen: Junge Makler treiben die Disruption im unabhängigen Versicherungsvertrieb voran....

DWN
Technologie
Technologie Wäschetrockner: Neues Energie-Label einfach erklärt
06.07.2025

Seit dem 1. Juli gelten für Wäschetrockner strengere Energiekennzeichnungen. Verbraucher sollen Geräte nun besser vergleichen können....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Praktika und Probearbeiten: Rechte, Pflichten und Fallstricke für Berufseinsteiger
06.07.2025

Viele Praktikanten kennen ihre Rechte nicht – und riskieren, ausgenutzt zu werden. Was wirklich erlaubt ist, wann Praktika bezahlt werden...

DWN
Technologie
Technologie Lithium: Schlüssel zur technologischen Unabhängigkeit – doch der Rohstoff ist knapp
06.07.2025

Lithium ist der Treibstoff moderner Technologien – von E-Autos bis Energiewende. Doch was passiert, wenn die Nachfrage explodiert und das...

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrplicht trotz Wirtschaftsflaute? Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
05.07.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...