Chinesische Hersteller drohen, das Batteriesegment für Elektroautos komplett zu übernehmen. Alleine Marktführer CATL kontrolliert 37 Prozent des globalen Markts für EV-Akkus. BYD steuert weitere 16 Prozent bei – Tendenz steigend. Nennenswerte Konkurrenz für die beiden Platzhirsche gibt es fast nur durch die südkoreanische LG Energy mit 14 Prozent und die japanische Panasonic mit 7 Prozent. Der nicht-asiatische Rest der Welt wurde völlig abgehängt.
Zählt man den Autobauer Nio und die Batterie-Startups CALB sowie Gotion hinzu, machen chinesische Firmen über 60 Prozent des gesamten Marktes aus. Diese aktuellen Zahlen für das erste Halbjahr kommen von der Analysefirma „SNE Research“ und wurden vom heimischen Fachmagazin „CNEV Post“ veröffentlicht.
Batterie-Innovationen fast nur noch aus China
In der Heimat China ist CATL mit fast 50 Prozent Marktanteil die unangefochtene Nummer Eins. CATL expandiert massiv ins Ausland und verzeichnet mittlerweile auch ein starkes Wachstum in Europa und Nordamerika. Ausländische Großkunden sind unter anderem Tesla, Honda und BMW.
Der Konzern ist für seine konstanten Innovationen bekannt, wobei hier von der außer-chinesischen Konkurrenz nicht viel kommt. Ende letzten Jahres wurde etwa eine Wunder-Batterie mit einer Energiedichte von 500 Wattstunden pro Kilogramm angekündigt. Schon seit mehr als zwei Jahren produziert CATL einen „Salz-Akku“ für E-Autos, eine Sodium-Ionen-Batterie mit einer Energiedichte von 160 Wh/kg.
CATL verfügt auch über eine hauseigene Swapping-Technologie. Hierbei handelt es sich um ein Batteriesystem, das flexibel an verschiedene Automobil-Typen anpassbar ist. Identische Batterien sind untereinander flexibel austauschbar. Die Akkus können in Blöcken kombiniert werden, um die elektrische Leistung zu erhöhen und genauso schnell wieder getrennt werden. Teilweise sind sogar verschiedene Batterietypen kompatibel.
Erst jüngst enthüllte der Konzern eine neue Schnelllade-LFP-Batterie namens „Shenxing“. Diese soll nach nur 10 Minuten Aufladen bis zu 400 Kilometer Reichweite bieten, maximal seien 700 Kilometer drin. Ende 2023 soll die Massenproduktion, Anfang 2024 der Verkauf beginnen.
Viele der alten CATL-Modelle sind klassische Lithium-Ionen-Batterien mit Anode aus Kobalt (Typ LCO) oder Nickel-Mangan-Cobalt-Akkus (NMC). „LFP“ bezeichnet hingegen eine relativ neue Lithium-Eisen-Phosphat-Kombination, die komplett auf die ethisch problematischen und teuren Materialien Kobalt und Nickel verzichtet und darüber hinaus eine längere Haltbarkeit und geringeres Brandrisiko aufweist.
Dieser Batterietyp galt aufgrund der niedrigeren Energiedichte lange Zeit als zu ineffizient und zu schwer, um für Elektrofahrzeuge einsetzbar zu sein. Heute verbreitet er sich zunehmend und kommt auf einen Marktanteil von rund 30 Prozent. Auch BYD produziert solche Akkus und Anfang des Jahres präsentierte Gotion eine um Mangan-Legierungen modifizierte neue Batterie dieses Typs (LMFP) mit einer maximalen Reichweite von 1.000 Kilometern.
BYD verkauft dreimal soviel E-Autos wie VW
Stichwort BYD: Der Elektroautobauer verkaufte im ersten Halbjahr weltweit 1,28 Millionen E-Autos (zu je rund 50 Prozent vollelektrische Modelle beziehungsweise Plug-In-Hybride) und erreichte damit einen Marktanteil von 21,4 Prozent, Platz Eins weltweit. Der Konzern wartet mit guten Preisen auf, die es nicht zuletzt seinem vertikal integrierten Lieferkettenmanagement inklusive eigener Batterieversorgung verdankt. BYD erobert derzeit verstärkt Märkte außerhalb Chinas in Asien, Ozeanien und Europa. Im Mittelpunkt der Expansion steht das Modell „Atto 3“, wie CNEV berichtet.
Tesla (15,2 Prozent Marktanteil) wurde auf Platz Zwei verdrängt, Volkswagen (7,3 Prozent) liegt relativ abgeschlagen dahinter. Die Top 5 wird komplettiert von zwei weiteren chinesischen Herstellern, und zwar Geely sowie SAIC. Bei den durchschnittlichen Profitmargen liegt hingegen Tesla weit vorne. BYD verdient pro Auto deutlich weniger als die Amerikaner, aber immerhin machen sie Gewinn. Es gibt auch Beispiele dafür, wie man mit E-Autos gewaltige Verluste machen kann (siehe Ford in den USA und Nio in China).
Die EU hat das Verbrenner-Aus bis 2035 beschlossen, Europas Automobil-Produzenten müssen sich demnach auch auf dem Heimatmarkt schnell fundamental wandeln. Volkswagen steht besonders unter Zugzwang, läuft man doch Gefahr, in der E-Mobilität zu einem Nischenanbieter zu werden, nachdem man im Verbrenner-Segment lange Zeit Marktführer war – auch in China. VW hat rund 2 Milliarden Euro in seine erste Batteriefabrik im niedersächsischen Salzgitter gesteckt, wo die Produktion 2022 angelaufen ist. Bezeichnenderweise ist man dabei auf chinesische Expertise angewiesen. Die Batteriefirma Gotion ist als Partner mit an Bord.
2 Milliarden Euro ist eine stolze Summe. Für Batteriegigant CATL ist es hingegen nur das jährliche Budget für Forschung und Entwicklung. Dieselbe Summe hat CATL auch in sein erstes europäisches Werk in Thüringen investiert. Im ungarischen Automobil-Hub Dobrecen entsteht sogar eine 7 Milliarden Euro teure Akkufabrik. Für CATL geht es um Expansion und den Erhalt der Marktführerschaft. Für Deutschlands größten Autobauer ist es der verspätete Versuch, mit der übermächtigen Konkurrenz aus Fernost mitzuhalten. Aber: Ist das überhaupt noch möglich?
Auch im IT-Bereich, der intelligenten Vernetzung des Fahrzeugs, sind chinesische Hersteller gemeinsam mit Tesla mit weitem Abstand führend. Das ist ganz besonders auf dem Heimatmarkt relevant. Die technikverliebten Chinesen kaufen lieber BYD oder Tesla mit ihren modernen „Smart Cockpits“ und Infotainment-Angeboten als die altbackenen Elektro-Modelle von VW oder BMW.
Zudem hat China die gesamte Industrie schon im Aufbau mit hohen Summen gefördert. Auch jetzt noch erhalten BYD, CATL oder Geely Staatshilfen, die dazu beitragen, dass sie ihre Produkte auf der Welt günstiger anbieten können als beispielsweise die deutsche Konkurrenz. Europäische Politiker schimpfen über Chinas Dumping-Preise und erwägen im Gegenzug Strafzölle auf chinesische E-Autos. Experten zufolge ist das eine schlechte Idee, die für Europas Autobranche zu einem „Bumerang“ werden könnte, weil Chinas Gewicht als Absatz- und Produktionsstandort einfach zu groß sei.
Wir brauchen eine europäische Investitionsoffensive
Das einzige, was wirklich helfen würde, ist eine europäische Investitionsoffensive in Kombination mit besseren Standortbedingungen, allen voran wettbewerbsfähigen Strompreisen. Genau das fordert der deutsche Automobilverband vda auf Nachfrage der DWN. Die erfolgreiche Transformation hin zur Elektromobilität sei auf schnelles und entschlossenes Handeln angewiesen – auch in Bezug auf die Sicherung der nötigen Rohstoffquellen, wo ebenfalls eine große Abhängigkeit von China besteht. „Um die Transformation der Automobilindustrie abzusichern, ist es unerlässlich, Batterien auch in Deutschland und Europa zu produzieren.“
Bei den deutschen Autobauern sind kaum hauseigene Produktionskapazitäten für Batterien vorhanden und wenn ja, dann sind sie wie beim BMW teils noch weit von der Inbetriebnahme entfernt. Und das obwohl es aufgrund der Größe und Schwere der Akkus einen starken Anreiz gibt, sie möglichst nahe an den Autowerken anzusiedeln. Eine deutsche Industrie für EV-Batteriezellen gibt es quasi nicht. Wenn mal junge Batteriefirmen staatlich gefördert werden, geht es im Regelfall um kleine Millionenbeträge und Kapazitäten im Bereich von einem Tausendstel dessen, was zum Beispiel CATL anbietet.
Zuletzt konnte die Ampel-Regierung das schwedische Startup Northvolt mit Subventionen von mehr als 4 Milliarden Euro davon überzeugen, eine Mega-Fabrik in Schleswig Holstein aufzubauen – was jedoch eher nach teurer Symbolpolitik als nachhaltiger Investition aussieht. Es ist unwahrscheinlich, dass Deutschland auf diesem Weg tatsächlich zu den Chinesen aufschließen kann, solange sich die Standortqualität für Industriefirmen nicht massiv verbessert.
Ferdinand Dudenhöffer, Automobil-Experte und Direktor des CAR-Research-Instituts, sagte uns auf Anfrage, dass das Problem schon in einer grundsätzlich falschen Denkweise der Politik liege. „Hinterzulaufen ist einfach zu wenig.“ Man müsse aus der Deutschland-Denke herauskommen und globale Spitzenstellungen anstreben. Der naive Versuch, mit Startups die chinesischen und koreanischen Technologieführer herauszufordern, könne aber nicht funktionieren.
Fairerweise muss man erwähnen, dass auch Chinas aktuelle Platzhirsche einstmals als ambitionierte Startups angefangen haben. An der nicht gerade kleinen Liste der weniger erfolgreichen und kompetenten Elektroauto-Anbieter erkennt man die Schattenseiten des chinesischen Subventionsmodells. Haldenweise Blechschrott, den kein Mensch mehr kaufen will, muss dann irgendwie entsorgt werden. 30 bis 40 Hersteller sind schon wieder vom Markt verschwunden, von den derzeit aktiven machen einige horrende Verluste, Nio und Xpeng sind die prominentesten Beispiele.
Beneidenswerte Dominanz
Elektroautos werden mit jeder Innovation billiger, während Verbrenner durch die (politische) CO2-Belastung immer teurer werden. Wer in der E-Mobilität der Zukunft schnell wächst, besitzt den Skalenvorteil – also Kostenvorteile durch hohe Produktionszahlen. Das sind aktuell vor allem BYD, CATL und Tesla. Chinesische Hersteller produzieren kostengünstig im eigenen Land, fokussieren sich komplett auf E-Autos. Die deutschen Autobauer haben dagegen den Trend verschlafen und laufen der dynamischeren Konkurrenz nur noch hinterher.
Es ist aber für die alteingesessenen deutschen Konzerne noch nicht zu spät, um aufzuholen. „Auch wenn neue Hersteller aktuell die Nase bei der Batterietechnologie vorn haben und daher das Volumensegment besser bedienen können, ist das Rennen noch nicht entschieden“, äußert sich Branchenexperte Harald Proff in einer Studie der Beratungsgesellschaft Deloitte. Es brauche stärkere Zusammenarbeit, effizientere Produktion und neue Batterietechnologien. Traditionelle Autobauer hätten immer noch die Chance, „Vorreiter in einer neuen Technologie zu werden“.
Der Akku ist in einem Elektroauto mit einem Anteil von bis zu 40 Prozent nicht nur der größte Kostenpunkt, sondern auch das mit Abstand schwerste Bauelement. Und Chinas Dominanz beschränkt sich nicht auf dieses Einzelteil, sondern zieht sich durch die gesamte Lieferkette. „Nicht nur bei den Verkäufen und in der Produktion ist China vorne, auch entlang der gesamten Wertschöpfungskette bis hin zur Batterieproduktion und den Rohmaterialien hat China eine starke Position“, erklärt Patrick Schaufuss, Experte für E-Mobilität bei der Beratungsfirma McKinsey.
Das Reich der Mitte hat sich in dieser zukunftsträchtigen Branche eine beneidenswerte Marktstellung aufgebaut. Dabei beruht die Dominanz nicht direkt auf gigantischen Rohstoffvorkommen, wie man vielleicht vermuten würde, sondern auf der weiterverarbeitenden Industrie. Daten der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge befinden sich rund zwei Drittel der weltweiten Produktionskapazitäten für die Veredelung von Lithium und Kobalt in China. Bei einzelnen Rohstoffen wie Graphit, welches das Hauptmaterial in den Anoden der allermeisten EV-Batterien ist, kann man schon fast von einem Monopol sprechen. Hinzu kommen wie erwähnt über 60 Prozent Marktanteil in der Batterieproduktion insgesamt und knapp 60 Prozent am globalen Absatz von Elektrofahrzeugen.
Fazit: Der Technologievorsprung von CATL und BYD in der Batterietechnik ist beachtlich. Chinas Dominanz bei der Verarbeitung von Mineralien zu brechen, dürfte sehr schwer und teuer werden. Ohne dies würde selbst nach dem erfolgreichen Aufbau einer europäischen Batterie-Industrie weiterhin eine enorme Abhängigkeit von China bestehen. Westliche Autobauer werden bis auf weiteres mit chinesischen Unternehmen zusammenarbeiten müssen. Mittelfristig droht vor allem Deutschland zum reinen Absatzmarkt für chinesische E-Autos zu werden.