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IPO von Birkenstock: Lohnen sich Neu-Aktien?

Lesezeit: 5 min
11.10.2023 11:10  Aktualisiert: 11.10.2023 11:10
Der Börsengang des Sandalenherstellers Birkenstock sorgt für Schlagzeilen. Lohnt sich der Kauf von Aktien, die erstmals an der Börse gehandelt werden?
IPO von Birkenstock: Lohnen sich Neu-Aktien?
Das Traditionsunternehmen Birkenstock geht an die Börse. (Foto: iStock.com/AndreyPopov)
Foto: AndreyPopov

Anleger können ab dem 11. Oktober Aktien des deutschen Traditionsunternehmens Birkenstock kaufen. Der Börseneinführungskurs wird laut Medienberichten bei 46 US-Dollar liegen. Das ist im Mittelfeld der Preisspanne von 44 bis 49 US-Dollar, innerhalb derer Anleger im Vorfeld ein verbindliches Kaufangebot machen konnten. Der Kurs entspricht einem Börsenwert von 8,6 Milliarden US-Dollar.

Ob die Bewertung realistisch ist, ist unklar. Die Geschäftszahlen haben sich zwar in den vergangenen Jahren sehr positiv entwickelt: Etwa hat sich der Nettogewinn seit dem Jahr 2020 fast verdoppelt. Aber manche Analysten erachten die Schätzung als zu hoch im Vergleich zu anderen Schuhherstellern.

Die Sandalen hatten Ende Juli einen Auftritt im äußerst erfolgreichen Barbie-Film. Das hat einen Hype ausgelöst und das weltweite Google-Suchvolumen nach dem Begriff Birkenstock deutlich erhöht. Das Suchvolumen hat sich bis zum Filmstart im Vergleich zum Jahresanfang vervierfacht.

Der aktuelle Mehrheitseigentümer, der französische Multimilliardär Bernard Arnault, dürfte daher einen günstigen Zeitpunkt sehen, um Anteile zu verkaufen. Als Arnault im Jahr 2021 eingestiegen war, wurde Birkenstock noch mit schätzungsweise 4,9 Milliarden US-Dollar bewertet.

IPO-Aktien sind unterbewertet

Der Kapitalmarktforscher Edwin Fischer ist denn auch skeptisch. Er habe vom Börsengang der Birkenstock-Aktie bloß aus Tageszeitungen erfahren und wisse nicht, wie es zur Feststellung des Emissionskurses gekommen sei und ob der IPO-Preis zu hoch sei, zu gering oder fair (initial public offering, zu deutsch Börsengang).

Entscheidend für den Börseneinführungskurs seien die erwarteten künftigen Cashflows des Unternehmens, erklärt Fischer. „Wegen des Hypes beim Barbie-Effekt für Birkenstock dürfte da sehr viel Euphorie und Optimismus eingepreist sein.“ Ob sich die momentane Bombenstimmung in zusätzliche Unternehmensgewinne umsetzen werde, werde erst die Zukunft zeigen.

Laut Fischer sind IPO-Aktien im Durchschnitt aber günstig bewertet. Empirische Untersuchungen würden ein Unterbewertungsphänomen feststellen. Der Börseneinführungskurs würde im Schnitt unter dem fairen Wert liegen, damit die Aktien attraktiv erscheinen und man diese im Markt unterbekomme.

„Unter der Voraussetzung effizienter Aktienmärkte ist daher damit zu rechnen, dass sich diese Aktienpreise relativ rasch nach dem IPO ihrem fairen Preis annähern werden“, erklärt Fischer, der an der Universität Graz das Institut für Finanzwirtschaft leitet. Die Renditen würden darum über den Renditen vergleichbarer Aktien mit demselben bewertungsrelevanten Risiko liegen.

Fischer hat im Jahr 2016 eine Masterarbeit betreut, die die Performance von 339 IPO-Aktien aus Deutschland, Großbritannien und den USA untersucht hat. Der Autor Philip Rohrbacher verglich dazu einen Anleger, der eine IPO-Aktie zum Börseneinführungskurs kauft, mit einem Anleger, der in einen marktbreiten Index investiert.

Kurzzeitige Überrendite von IPO-Aktien

Der Kurs der IPO-Aktien entwickelte sich am ersten Handelstag deutlich besser als der jeweilige nationale Aktienmarkt. Etwa performten US-IPOs um 17,8 Prozent besser als der S&P 500, wenn man die jeweilige Kursschwankungsintensität herausrechnet (risikobereinigte Rendite). Vorne lagen auch britische IPOs (+11,2 Prozent zum FTSE 100) und deutsche Börsenneulinge (+2,3 Prozent zum Dax).

Erst nach drei Monaten performten US-IPOs schlechter als der breite Markt, in Großbritannien nach einem Jahr. In Deutschland stieg der Dax bereits eine Woche nach Handelsstart rascher als die Börsenneulinge. Nach zwei Jahren lagen britische und amerikanische IPO-Aktien bloß noch um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte vor dem breiten Markt. Deutsche IPOs verbuchten deutliche Verluste (-10,1 Prozent).

Laut Rohrbacher könnte die schwache Entwicklung der deutschen Titel an einem relativ geringen IPO-Preis liegen. Bei rund 40 Prozent der deutschen IPOs habe der finale Börseneinführungskurs am unteren Rand der Preisspanne gelegen, innerhalb derer die Aktien vor Handelsstart zum Verkauf angeboten wurden. Ein relativ geringer Emissionspreis dämpfe laut einer Theorie die Erwartungen der Investoren und somit die spätere Performance.

Der Kauf deutscher IPOs am ersten Handelstag habe sich daher im Schnitt über alle 73 untersuchten Börsengänge nicht gelohnt, berichtet Rohrbacher. In den USA und Großbritannien hätte sich ein Einstieg an Tag eins hingegen ausgezahlt, wenn der Privatanleger zum richtigen Zeitpunkt wieder verkauft hätte und ein ausreichend breit diversifiziertes Portfolio gehabt hätte. Allerdings lasse sich keine Strategie für den idealen Verkaufszeitpunkt ableiten.

IPOs erzielen einen großen Teil der Überrendite am ersten Handelstag. In den USA waren es im Schnitt mehr als 50 Prozent der Outperformance der ersten drei Monate. Privatanleger könnten von dem First-Day-Effekt hingegen kaum profitieren, weil sie in der Regel kleinere Mengen von IPO-Aktien nicht zeichnen können, erklärt Rohrbacher.

Wie können Anleger in IPOs investieren?

Der Finanzprofessor Edwin Fischer würde Privatanlegern derweil durchaus raten, in einzelne IPO-Aktien mit Unterbewertungsverdacht zu investieren, „wenn der Anteil am Wert des Gesamtportfolios gering bleibt und damit die Gesamtdiversifikation weiter besteht“. Eine weitere Option seien IPO-ETFs, bei denen der Fonds in zahlreiche Neu-Aktien investiere.

In Deutschland ist ein ETF für Privatanleger zugelassen, der ausschließlich IPO-Aktien kauft. Der „First Trust US IPO Index UCITS ETF“ investiert in 100 US-amerikanische Börsenneulinge, die in dem Index „IPOX Schuster US 100“ gelistet sind (ISIN: IE00BYTH6238). Der Index enthält die 100 US-Aktiengesellschaften mit dem größten Börsenwert, deren IPO höchstens 1000 Tage zurückliegt.

Der Index verändert die Zusammensetzung allerdings bloß im vierteljährlichen Rhythmus, weshalb er von der starken Anfangsperformance von IPOs nicht voll profitieren dürfte. Er liegt denn auch deutlich zurück, wenn man die Gesamtperformance seit Auflage im August 2016 mit einem „MSCI World“-ETF oder einem „MSCI USA“-ETF vergleicht (63 Prozent versus 144 Prozent beim USA-ETF und 101 Prozent beim Welt-ETF).

Die größte Position im IPO-ETF ist aktuell Uber (10,1 Prozent). Die zehn größten Positionen stehen für 53 Prozent des Fondsvermögens. Die laufenden Kosten (TER) liegen bei 0,65 Prozent pro Jahr. Das ist etwas mehr als die Tracking-Differenz des Fonds, die bei ETFs als ein aussagekräftigeres Kostenmaß gilt als die TER.

Laut DWN-Berechnung betrug der Verlust zum Index im Schnitt 0,53 Prozentpunkte pro Jahr (53 Basispunkte). Das gilt für die vergangenen fünf Jahre, die jeweils zum 30. Juni endeten. Dabei schwankte der Wert zwischen 0,31 und 0,96 Prozentpunkten pro Jahr. Das ist deutlich höher als bei den meisten marktbreiten ETFs. Diese liegen im Schnitt meist bis zu 0,2 Prozentpunkte pro Jahr hinter Indizes wie dem MSCI World oder dem FTSE All-World.

Das Fondsvermögen des IPO-ETF ist mit 7 Millionen Euro relativ gering. Kleine ETFs werden häufiger geschlossen, was in Bezug auf Steuern und Verwaltungsaufwand nachteilig sein kann. Der IPO-ETF ist ein Thesaurierer und kauft alle 100 Aktien des Index (vollständige physische Replikation).

Wie zeichnet man Aktien?

Laut der Börse Frankfurt bieten Unternehmen Neu-Aktien häufig vor Handelsstart zur Zeichnung an. Dafür geben sie eine Preisspanne vor, innerhalb derer Anleger eine verbindliche Kaufabsicht für eine bestimmte Anzahl an Aktien kundtun können. Dabei legen die Anleger ein Preislimit fest, wie viel sie pro Aktie maximal bezahlen möchten.

Das Unternehmen legt vor Handelsstart je nach Nachfrage den finalen Ausgabepreis fest, erklärt die Börse Frankfurt weiter. Weniger häufig sei ein Festpreisverfahren, bei dem ein Unternehmen von vornherein einen bestimmten Preis pro Aktie verlange.

Privatanleger können Aktien meist über die Depotbank zeichnen. Allerdings seien nicht alle Aktien im Voraus verfügbar. „Insbesondere ,attraktive’ Börsengänge mit viel medialer Aufmerksamkeit werden nur bei den Banken im Konsortium angeboten, das vom Unternehmen mit der Betreuung beauftragt worden ist.“ Ein bis zwei Tage nach Ende der Zeichnungsfrist, die meist ein bis zwei Wochen dauere, kämen die Aktien in den regulären Börsenhandel.

Der Börseneinführungskurs wird entweder über ein Festpreisverfahren oder ein sogenanntes Bookbuilding-Verfahren ermittelt. „Im Bookbuilding werden, anders als beim Festpreisverfahren, die Interessen von Großinvestoren bei der Ermittlung des Emissionspreises mit einbezogen“, erklärt die Börse Frankfurt.

Vor Beginn des Bookbuilding-Verfahrens würden die Banken, die die Emission der Aktie unterstützen, Großanleger auf ihre Investitionsbereitschaft ansprechen. Auf Grundlage der Gespräche würden sich diese Konsortialbanken gemeinsam mit dem emittierenden Unternehmen auf eine Preisspanne festlegen, die 10 bis 15 Prozent betragen könne.

Nach Ende der Zeichnungsfrist legen die Konsortialbanken mit dem Unternehmen einen einheitlichen Emissionspreis fest, wobei sie sich an der Nachfrage durch die Anleger orientieren. „In Einzelfällen kann der Preis für Privatanleger von demjenigen für institutionelle Investoren abweichen“, erklärt die Deutsche Börse weiter.

***

Elias Huber arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und schreibt vor allem über Konjunktur, Edelmetalle und ETFs sowie die ökonomische Lehre der Österreichischen Schule. 

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.
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