Politik

Kriegsmüdigkeit der Polen gefährdet Wahlsieg der PiS

Die Regierungspartei PiS könnte bei den Wahlen am Sonntag ihre Mehrheit verlieren. Denn die Unterstützung der Ukraine geht vielen Polen inzwischen zu weit.
10.10.2023 14:43
Aktualisiert: 10.10.2023 14:43
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Kriegsmüdigkeit der Polen gefährdet Wahlsieg der PiS
Premierminister Mateusz Morawiecki macht im Wahlkampf die Kriegsmüdigkeit der Polen zu schaffen. (Foto: dpa) Foto: Radek Pietruszka

Polens national-konservative Partei PiS steht vor einem Dilemma. Wie soll die von ihr geführte Regierung die Ukraine im Krieg gegen Russland unterstützen und gleichzeitig dem Druck von rechts im eigenen Land standhalten? Denn die Haltung Polens zum Nachbarn - seien es Getreideimporte, Flüchtlinge oder Waffenlieferungen - hat sich zu einem Thema entwickelt, mit dem die rechte Konföderation der PiS etliche Stimmen abjagen kann. Am Ende könnte die PiS nach der Wahl am Sonntag stärkste Kraft bleiben, aber ohne ausreichende Mehrheit dastehen.

Die Konföderation, die jüngsten Umfragen zufolge bei 7,7 Prozent liegt, bemüht sich, aus der wachsenden Abneigung in Polen gegenüber ukrainischen Flüchtlingen Kapital zu schlagen. Manch einer kritisiert, die Regierung in Warschau sei bei der Ausweitung der Sozialleistungen und anderen Hilfen zu weit gegangen. Landwirte empören sich, ukrainische Getreideimporte würden ihnen die Preise verderben. Für die regierende PiS ist die Stimmung der Bauern wichtig, denn unter der Landbevölkerung fand sie bislang ihre meisten Anhänger.

Als die Ukraine auf Importverbote für ihr Getreide in Polen, Ungarn und der Slowakei mit der Ankündigung von Klagen reagierte, zeigte sich Slawomir Mentzen von der Konföderation sarkastisch: Die Regierung in Warschau werde nun "wahrscheinlich das Kindergeld erhöhen und kostenlose Kredite für den Kauf von Wohnungen" anbieten. Die Ukraine habe "die Leichtgläubigkeit der polnischen Regierung ausgenutzt", sagte Mentzen, der zur Führung der Konföderation gehört.

Die Haltung der polnischen Bevölkerung gegenüber den Flüchtlingen aus dem Nachbarland ist insgesamt noch immer positiv. Und doch zeigen Untersuchungen, dass sich kritische Ansichten verbreiten.

STIMMUNGSWANDEL IN DER POLNISCHEN BEVÖLKERUNG

Eine Umfrage im August ergab, dass die Zahl der Polen, die eine Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge befürworten, gesunken ist - von 91 Prozent kurz nach Beginn des Krieges im Februar 2022 auf 69 Prozent. Ein Viertel der Befragten lehnt die Aufnahme ab, zu Kriegsbeginn waren es vier Prozent. Was auch immer der Grund für diesen Stimmungswandel ist - die Konföderation macht sich zum Sprachrohr der Polen, die ihre Interessen durch die Zuwanderung aus der Ukraine bedroht sehen.

"Ich habe keinen Zweifel daran, dass es notwendig ist, der Ukraine zu helfen", sagte Anna Brylka, Sprecherin der Konföderation, zu Reuters. Dies gelte auch für Militärhilfe, allerdings in einem Ausmaß, durch das die eigenen Fähigkeiten nicht geschmälert würden. "Die PiS-Regierung aber treibt die Hilfe zu weit."

Die Wähler der Konföderation teilen im Großen und Ganzen dieselben patriotischen und katholischen Werte wie diejenigen der PiS. Umfragen zufolge könnte die Konföderation auf bis zu 11 Prozent der Stimmen kommen. Bei der Parlamentswahl im Jahr 2019 erhielt sie 6,8 Prozent. Die PiS dagegen, die 2019 noch 43,6 Prozent erhielt, dürfte an Unterstützung verlieren. Zwar wird sie wohl stärkste Partei bleiben, vielleicht aber Schwierigkeiten haben, sich eine Mehrheit zu sichern. Dann könnte eine Koalition mit der Konföderation eine Option werden.

"ETWAS DAMPF ABLASSEN"

Angesichts dieser Gemengelage beschloss die PiS, das Einfuhrverbot für Getreide zu verlängern. "Als es nötig war, haben wir unsere Herzen geöffnet, wir haben unsere Häuser für Flüchtlinge aus der Ukraine geöffnet", sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. "Aber wenn es darum geht, polnische Bauern zu schützen, wird die PiS-Regierung das tun. Denn für uns sind die Interessen der polnischen Bauern das Wichtigste." Diese schärfere Tonlage ist nicht unbemerkt geblieben. "Sie tun Dinge, um die Leute zurückzugewinnen, die zur Konföderation gegangen sind", sagte ein westlicher Diplomat in Warschau. "Wir gehen davon aus, dass das nach der Wahl zurückgefahren wird."

Für einen Regierungsvertreter besteht die Aufgabe der PiS darin, den Stolz der Polen auf die Schlüsselrolle, die ihr Land bei der Unterstützung der Ukraine gespielt hat, mit der Anerkennung der Frustration einiger Wähler in Einklang zu bringen. "Es gibt einen Wandel im Ton der Kommunikation im herrschenden Lager, aber die Hauptbotschaft bleibt unverändert: Wir unterstützen die Ukraine." Es möge seltsam klingen, aber die Änderung der Tonlage ziele darauf ab, die Hilfe für die Ukraine aufrechtzuerhalten. Das sei notwendig, weil die Gesellschaft eine gewisse Ermüdung spüre und eine einseitige Botschaft diesen Stimmungswandel unterstützen würde. "Daher ist Ausgewogenheit notwendig, um etwas Dampf abzulassen." (Reuters/gu)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen COME Mining App Officially Launches: Supports BTC, USDC, and XRP, Start a Bitcoin Miner for Free, and Easily Earn $11,700 Daily

New York, October 2025—With the global cryptocurrency bull market in full swing, investor demand for stable and sustainable passive...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Stuttgart elektrisiert: Daimler verwandelt Busdepot in Hochvolt-Kraftwerk
09.10.2025

Mit 28 gleichzeitig ladenden Elektrobussen läutet Stuttgart das Ende der Diesel-Ära ein. Daimler Buses errichtet ein Ladezentrum, das...

DWN
Politik
Politik Aktivrente soll Gesetz werden
09.10.2025

Die Aktivrente mit steuerfreiem Zuverdienst bis zu 2.000 Euro im Monat soll nach einer Koalitionseinigung auf die letzten Details nun...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft VDMA: Deutsche Maschinenbauer blicken pessimistisch in die Zukunft
09.10.2025

Zollkonflikte, China-Konkurrenz und schwächelnde Autoindustrie: Warum viele Maschinenbauer ihre Lage aktuell als „schlecht“ einstufen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rechtsstreit um Netto-Werbung: Bundesgerichtshof klärt Anforderungen an Preiswerbung
09.10.2025

Mit Preisermäßigungen locken viele Einzelhändler ihre Kundschaft an. Dabei gibt es rechtlich einiges zu beachten. Der BGH hat eine...

DWN
Politik
Politik Von der Leyens Kommission übersteht weitere Misstrauensvoten
09.10.2025

Rechte und Linke attackieren von der Leyen scharf - doch ihre Kommission hält stand. Wie geht es nach den erneuten Misstrauensvoten und...

DWN
Finanzen
Finanzen Gerresheimer-Aktie stürzt ab: Schwächerer Geschäftsverlauf und gesenkte Gerresheimer-Prognose
09.10.2025

Die Gerresheimer-Aktie steht erneut massiv unter Druck. Nach schwächeren Geschäftszahlen für das dritte Quartal 2025 hat der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ehrliche Narren scheitern: Warum Moral ohne Macht im Management untergeht
09.10.2025

Unternehmen lieben die Rhetorik von Ethik und Empathie – doch wer in Führungspositionen nur auf Redlichkeit setzt, geht unter....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Exporte in die USA sinken im fünften Monat in Folge
09.10.2025

Die Vereinigten Staaten sind nach wie vor Deutschlands wichtigster Handelspartner. Doch die Geschäfte erodieren seit Monaten. Auch in...