Unternehmen

Fallstricke bei Abfindungen

Jahr für Jahr werden in Deutschland tausende Aufhebungsverträge abgeschlossen und damit Abfindungen fällig. Doch sowohl für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer sind dringend vorab einige Fragen zu klären. Diese betreffen das Steuerrecht wie auch die Ansprüche gegenüber der Kranken- und Rentenversicherung, wie der Gastautor der Deutschen Wirtschaftsnachrichten, Rechtsanwalt Martin Wrege, darlegt.
Autor
17.10.2023 19:35
Aktualisiert: 17.10.2023 19:35
Lesezeit: 3 min
Fallstricke bei Abfindungen
Fallstricke können so manche Abfindung empfindlich mindern. (Foto: dpa) Foto: Pict Rider

Für eine Abfindungszahlung bedarf es eines Rechtsgrundes. Dieser ergibt sich meist aus einer individuellen Vereinbarung – dem Aufhebungsvertrag – seltener aus Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen. Da aus einer Beendigungsvereinbarung mit Abfindungsregelung für den Arbeitnehmer steuerrechtliche Probleme resultieren können, muss dieser auch über mögliche, nachteilige steuerrechtliche Auswirkungen von Abfindungszahlungen aufgeklärt werden.

Den Arbeitgeber treffen jedenfalls dann erhöhte Hinweis- und Aufklärungspflichten, wenn er im betrieblichen Interesse den Abschluss eines Aufhebungsvertrages vorschlägt, der Arbeitnehmer offensichtlich mit den Besonderheiten der ihm zugesagten Zusatzversorgung nicht vertraut ist, sich der baldige Eintritt eines Versorgungsfalles (Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach längerer Krankheit) bereits abzeichnet und durch die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses außergewöhnlich hohe Versorgungseinbußen drohen. Unter diesen Umständen reichen der allgemeine Hinweis auf mögliche Versorgungsnachteile und die bloße Verweisung an die Zusatzversorgungskasse unter Einräumung einer Bedenkzeit nicht aus.

Pflichten des Arbeitgebers

Ist eine Aufklärungspflicht schuldhaft oder fahrlässig, macht sich der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig. Zudem muss der Arbeitgeber detailliert den Steuerabzug der Lohnsteuer bei Abfindungszahlungen nebst den Voraussetzungen prüfen, da er gegenüber dem Finanzamt hierfür haftet.

Für den Arbeitnehmer hingegen ergeben sich im Zusammenhang mit dem Aufhebungsvertrag und der Abfindung zahlreiche komplexe Fragen, wie beispielsweise: Was bleibt mir netto von der Abfindung? Entstehen mir Nachteile bei der Rentenzahlung? Welche Auswirkungen hat dies auf das Arbeitslosengeld oder auf den Krankenversicherungsschutz?

Bei der Prüfung dieser Fragen ist zunächst einmal das Einkommen im Jahr des Austritts und unter Umständen der Folgejahre zu ermitteln. Bei Eheleuten spielt das Einkommen beider Eheleute eine Rolle, da sie meist gemeinsam steuerlich veranlagt sind. In den meisten Fällen sollte die Auszahlung der Abfindung in dem Jahr erfolgen, indem planmäßig das geringere Gesamteinkommen vorliegt. Je nach Einkommenssituation können durch den richtigen Auszahlungszeitpunkt bereits mehrere Tausend Euro Steuern gespart werden – es kann sich also lohnen, auf die Auszahlung der Abfindung zu warten, statt sie sofort erhalten zu wollen. Auf die Besteuerung hat auch das Arbeitslosengeld eine Auswirkung, denn bei einem zeitlichen Zusammentreffen der Abfindung mit dem Arbeitslosengeld steigt die Steuerlast.

Minderung der Steuerlast

Beim Bezug des Arbeitslosengeldes kann es bei Abfindungszahlungen zu Sperr- und Ruhezeiten kommen. Zu einer Sperrzeit kommt es, wenn der Versicherungsfall – also die Arbeitslosigkeit – selbst durch Eigenkündigung oder durch Unterschrift eines Aufhebungsvertrags herbeigeführt wird. Liegen keine außerordentlichen Gründe vor, beträgt die Sperrzeit je nach Länge der maximalen Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes drei bis sechs Monate. Während der Sperrzeit besteht ein Krankenversicherungsschutz, allerdings erhält man kein Arbeitslosengeld für die Dauer der Sperrzeit; sie verkürzt somit den Anspruchszeitraum (z.B. von 24 Monaten auf 18 Monate). Die Sperrzeit ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig, kann aber z.B. durch ein Dispositionsjahr vermieden werden.

Bei einem Dispositionsjahr beantragt man das Arbeitslosengeld nicht direkt im Anschluss an das Arbeitsverhältnis, sondern ein Jahr später. Während des Dispositionsjahres muss jedoch der eigene Krankenversicherungsschutz sichergestellt werden – meist durch eine private oder freiwillige gesetzliche Krankenversicherung, falls keine Familienversicherung über den Ehepartner möglich ist. Die Höhe der Beiträge für eine freiwillige gesetzliche Krankenversicherung ist vom Einkommen des freiwillig Versicherten abhängig – diese Betrachtung kann bei der Auszahlung der Abfindung sehr wichtig sein.

Das Dispositionsjahr kann nicht nur zur Vermeidung von Sperr- und Ruhenszeiten sowie steuerlichen Aspekten genutzt werden, sondern auch dafür, um die Bezugsdauer des ALG zu verlängern – der Anspruchszeitraum des Arbeitslosengelds ist vom Alter des Arbeitnehmers abhängig. Durch Ausnutzung des Dispositionsjahres ist der Arbeitnehmer bei Bezug des ALG ein Jahr älter, was sich in der maximalen Bezugsdauer bemerkbar machen kann.

Die Fünftelregelung

Viele Arbeitnehmer überlegen sich, die Abfindung beispielsweise über zwei Jahre verteilt auszahlen zu lassen, um damit auf den ersten Blick „Steuern“ sparen zu können. Anders als normaler Arbeitslohn werden Abfindungen, die für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden, ermäßigt besteuert. Diese Steuerlast auf eine Abfindung ist im Vergleich zur Steuerlast auf ein Arbeitsentgelt in gleicher Höhe also meist geringer. Die Tarifermäßigung ist auch unter dem Begriff Fünftelregelung bekannt. Voraussetzung für die Fünftelregelung ist, dass sie nur für besondere Einkünfte wie eine Abfindung (nicht aber für den laufenden Arbeitslohn) genutzt werden kann, eine Zusammenballung von Einkünften vorliegt und die Abfindungszahlung nicht beliebig aufgeteilt werden darf. Unschädlich ist z.B. eine Auszahlung von zehn Prozent in dem einen und 90 Prozent in dem anderen Jahr. Zudem sollte auch bedacht werden, ob eine Auszahlung der Abfindung über mehrere Jahre seitens des Arbeitgebers möglich ist und welche steuerlichen Auswirkungen sich hieraus ergeben.

Gerade im Jahr der Auszahlung der Abfindung besteht meist eine höhere Steuerlast – dieser Mehrbelastung kann mit fachkundiger Unterstützung begegnet werden und durch gezielte Steuersparmaßnahmen ein Optimum erreicht werden. Beispielsweise kann eine Umwandlung in die betriebliche Altersvorsorge zu Teilen steuerfrei erfolgen, eine Einzahlung in die Deutsche Rentenversicherung zur Verminderung von Abschlägen erfolgen, Geltendmachung von Verlusten aus anderen Einkünften, Verschiebung der Bezahlung von steuerlich abziehbaren Aufwendungen wie z.B. Beiträge im Voraus bei einer privaten Krankenversicherung bezahlen u.v.m.

Im Zusammenhang mit den Steueroptimierungen lohnt sich oft auch eine Rentenberatung um die konkreten Rentennachteile zu ermitteln, die spätere Rentenhöhe und die Besteuerung der Renteneinkünfte zu kennen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen XRP-News: XRP-, Bitcoin- und Ethereum-Nutzer läuten gemeinsam mit IOTA Miner eine neue Ära stabiler täglicher Einnahmen ein!

In der digitalen Asset-Welle sind Bitcoin, Ethereum und XRP zweifellos die drei einflussreichsten Kryptowährungen. Bitcoin, als...

 

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Martin Wrege

***

Martin Wrege ist Rechtsanwalt und Steuerberater in der Münchner Kanzlei KSW Legal GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft. Die Kanzlei berät Konzerne, mittelständische Unternehmen und Arbeitnehmer in Fragen in Zusammenhang mit Abfindung, Vorruhestand, Altersteilzeit und Transfergesellschaften.

 
DWN
Politik
Politik Angst vor Russland bringt zwei Kleinstaaten näher an die EU
22.07.2025

Laut Europaministerin Marie Bjerre drängt die Zeit, zwei Kleinstaaten vom Westbalkan in die EU zu holen. Doch EU-Kommission und NGOs...

DWN
Politik
Politik AfD hat besonders in Regionen Erfolg, die von Industrie-Abbau betroffen sind
22.07.2025

Die AfD hat bei der Bundestagswahl 2025 einen historischen Stimmenzuwachs erzielt – besonders dort, wo Industriejobs wackeln. Neue Daten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Fall Fasana: Fehlende Cybersicherheit wird zum Risiko­faktor
22.07.2025

Ein Ransomware-Angriff bringt ein 100 Jahre altes Unternehmen zu Fall. Der Fall Fasana zeigt, wie existenziell Cybersicherheit für den...

DWN
Panorama
Panorama Der durchschnittliche Deutsche: Soviel verdient er, so groß ist er, so wohnt er
22.07.2025

Wie alt ist der typische Deutsche? Wie groß? Und wie viel verdient er im Monat? Das Statistische Bundesamt zeichnet ein präzises Bild vom...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ölfund vor Swinemünde: Polen entdeckt größten Energievorrat seiner Geschichte
22.07.2025

Ein gigantisches Ölfeld vor Swinemünde rückt Polen in den Fokus europäischer Energiepolitik. Die Nähe zu Deutschland verleiht dem Fund...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Teilzeit: So sichern Sie sich Sonderzahlungen und Urlaubstage
22.07.2025

Teilzeit ist längst kein Randphänomen mehr, sondern Alltag für Millionen Beschäftigte. Doch viele wissen nicht, welche Rechte ihnen...

DWN
Finanzen
Finanzen Pflegeheim-Kosten steigen immer weiter: Länder fordern schnelle Reform
22.07.2025

Die Pflege im Heim wird immer teurer – trotz Zuschüssen und politischer Versprechen. Neue Zahlen zeigen, wie stark Eigenanteile in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Treue-Apps: Warum Kunden sparen – und doch draufzahlen
22.07.2025

Treue-Apps versprechen Sparvorteile beim Einkaufen. Doch die tatsächliche Ersparnis fällt oft mager aus, während Händler wertvolle...