Nur noch jeder vierte Haushalt im Alter von 25-45 Jahren lebt heute in Deutschland im Wohneigentum. In den letzten zehn Jahren haben eine Millionen Haushalte weniger den Sprung ins Wohneigentum geschafft als in der Dekade davor, trotz günstiger Rahmenbedingungen in der Niedrigzinsphase. Im Jahr 2010 lebten 32 Prozent der 25- bis 45-Jährigen in Wohneigentum, im Jahr 2014 waren es 29 Prozent, in 2018 dann 27 Prozent und im Jahr 2022 nur noch 26 Prozent.
Bei dem diesjährigen ifs Wohnpolitischen Forum des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung (DV) in Berlin letzte Woche wurde betont, dass Eigenkapital und die Zinslast die aktuellen größten Hürden sind, die junge Menschen vom Erwerb einer Immobilie abhalten. Man braucht heute erheblich mehr Eigenkapital, um eine Immobilie finanzieren zu können, und dazu kommen die stark angestiegenen Zinsen der vergangenen Monaten. Deshalb entscheiden sich aktuell deutlich weniger Haushalte für Wohneigentum.
Fokus: Generationengerechtigkeit
Gerade jüngere Menschen hätten momentan kaum Perspektiven, Wohneigentum zu bilden, obwohl sich die meisten dies wünschen, sagte Oda Scheibelhuber, Vorsitzende des ifs Institut Wohneigentum im DV. „Der gesellschaftspolitische Stellenwert von Wohneigentum für breite Schichten findet sich in der Wohnungspolitik leider kaum noch wieder. Im Bundeshaushalt sind nurmehr 350 Millionen Euro explizit für die Eigentumsförderung von Familien vorgesehen.“
Aktuell machten es die Zinswende und explodierende Baukosten bei hohen Immobilienpreisen insbesondere Familien mit durchschnittlichen Einkommen in vielen Teilen Deutschlands unmöglich, eine Immobilie zu kaufen oder zu bauen. "Wir sollten erkennen, wie sehr das Wohneigentum dafür geeignet ist, das Leben planbarer zu machen und für Generationengerechtigkeit zu sorgen“, betonte Scheibelhuber.
Höhere Wohneigentumsquote positiv für gerechtere Vermögensverteilung
In seiner Rede bei dem Forum wies Professor Oliver Lerbs von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen darauf hin, dass eine höhere Wohneigentumsquote sich positiv auf eine gerechtere Vermögensverteilung auswirkt. Und auch in Deutschland hat der Immobilienboom - überraschenderweise - mit den Wertsteigerungen dazu geführt, dass die Vermögensverteilung etwas ausgeglichener wurde.
Das Netto-Vermögen einer Person setzt sich zusammen aus Finanzvermögen (wie Bargeld, Einlagen auf Girokonten, Sparguthaben, Aktien, Fondsanteile, Private Renten-/Lebensversicherungen) und Sachvermögen (selbstgenutztes Eigenheim oder anderer Grundbesitz, zum Beispiel Mietwohnung zur Kapitalanlage, Gewerbebetrieb, PKW oder Schmuck) minus Verbindlichkeiten wie Hypothekenkredite, Konsumentenkredite, BAföG-Schulden, offene Rechnungen oder Kredite für Geschäftstätigkeit.
Deutschland: An der Spitze der Vermögensverteilung-Ungleichheit in Europa
In Deutschland sind die Vermögen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr ungleich verteilt, so das das Land der Spitzenreiter in Europa ist, wenn es um ungleiches Vermögen geht.
Was erklärt man diese hohe Vermögensungleichheit? Lerbs zufolge ist die Antwort Wohneigentum: Je mehr Wohneigentum in einer Bevölkerung, desto geringer die Vermögensungleichheit. Wohneigentümer bauen mehr Vermögen als Mieter auf wegen dem sogenannten „Commitment Device“. Menschen die Wohneigentum haben, sparen automatisch weil sie gezwungen sind, ihr Darlehen zurückzuzahlen, bis hin zum langfristigen Sparen und Vermögensaufbau. Wenn Immobilien an Wert steigen, erhöhen Eigentümer ihr Vermögen. Wohneigentümer sind im Durchschnitt vermögender als Mieter.
Lerbs sagte das Lehrstück aus 10 Jahren Immobilienboom in Deutschland ist, dass die Vermögensverteilung infolge des Booms gleichmäßiger geworden ist. „Hätte zu Boom-Beginn mehr Menschen Wohneigentum gehabt, wäre dieser Effekt jedoch deutlich grösser gewesen“.
Wie kann die Politik zu mehr Wohneigentum beitragen?
Nach Ansicht von Lerbs wären Ansätze zur langfristigen Stabilisierung der Wohneigentumsquote seitens der Regierung zum Beispiel die Schaffung von Freibeträgen bei der Grunderwerbsteuer und die Notwendigkeit in einer mehr flexiblen Art und Weise über Eigenkapital nachzudenken (zum Beispiel die Flexibilisierung von Kapitalanforderungen bei Wohneigentumsfinanzierung). Die Flexibilisierung energetischer Vorgaben im Neubau, insbesondere aber auch im Bestandserwerb, sind auch sehr wichtig.
Laut dem DV ist eine ganzheitliche Wohneigentumspolitik dringend nötig, damit mehr jüngere Menschen wieder Wohneigentümer werden. Der Verband sagte bei dem Forum die Wohneigentumspolitik der Bundesregierung müsste gestärkt werden. „Der DV und das ifs Wohnpolitische Forum haben dazu ein umfassendes Maßnahmepaket vorgeschlagen ... darunter fällt neben der verbesserten Familienförderung auch das Auflegen eines neuen Programms „Jung kauft Alt“ für den Bestandserwerb.“
Scheibelhuber zufolge ist das Thema Wohneigentum die große soziale Frage unserer Zeit und muss in der Politik priorisiert werden. „Eine ‚Jung kauft Alt‘ Bestandsförderung muss kommen und muss in die Breite gehen damit sich die Wohnmarkt-Krise in Deutschland nicht weiter verschärft“, betonte sie.